Joe Biden entkriminalisiert den Besitz von Marihuana und erfüllt damit sein Wahlversprechen. Was bedeutet dies für die Branche?
Die Begnadigung aller wegen Marihuana-Besitzes Verurteilten durch einen Präsidentenerlass von Joe Biden wirkt auch auf die Politik anderer Staaten wie ein Startsignal. Schon in seinem Wahlkampf ums Weiße Haus sprach sich der US-Präsident für eine Entkriminalisierung von Cannabis aus. Die Aktienwerte der Cannabisunternehmen stiegen in der Folge stark an, auch die Aktie des einzigen deutschen an der Börse gelisteten Unternehmens SynBiotic SE profitierte.
Komplexe Gesetzeslage in den USA, Pläne zur Legalisierung in Deutschland
Für eine Einordnung dieses Vorstoßes ist es wichtig zu wissen, dass die Begnadigung lediglich für die gilt, die auf Bundesebene verurteilt wurden. Ein großer Teil der 50 US-Bundesstaaten erlaubt zwar den Gebrauch von Marihuana zu medizinischen Zwecken, der private Konsum ist aber nur in etwa 20 US-Bundestaaten legal. Aus diesem Grund rief der US-Präsident explizit die Behörden in den Bundesstaaten auf, seinem Beispiel zu folgen. Für Cannabisunternehmen in Deutschland ist der Vorstoß aus den USA auch deshalb bedeutsam, weil die gesetzlichen Bestimmungen sich sehr rasch auf die Entwicklungen der europäischen und auch der deutschen Rechtsprechung auswirken könnten.
In Deutschland ist medizinisch verwendetes Cannabis bereits seit 2017 legal. Die Ampelregierung ist allerdings gerade dabei, einen Gesetzesentwurf zu erarbeiten, der die vollständige Legalisierung vorsieht. Die wesentlichen Eckpunkte sollen noch in diesem Jahr vorgestellt werden, so die Aussage von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. Von einer solchen Legalisierung würde die deutsche Cannabisindustrie stark profitieren und mit Blick auf börsengelistete Akteure insbesondere die in Süddeutschland beheimatete SynBiotic SE.
Wie sensibel die Aktien von Cannabisunternehmen auf solche Vorstöße der Politik reagieren, zeigte sich kurz nach der Bekanntgabe der US-Neuerung daran, dass etwa der Aktienkurs von SynBiotic einen Sprung von 12,30 Euro auf ca. 13,60 Euro verzeichnete. Über eine solche Entwicklung freuen sich nicht nur Investoren und Anleger, sondern auch Lars Müller, Geschäftsführer von SynBiotic SE.
Lars Müller ist zuversichtlich, dass Deutschland ein positives Beispiel für eine gelungene Legalisierung werden könnte. Er sagt: „Ich sehe gute Chancen für eine Gesetzesvorlage im Januar 2023. Es sieht danach aus, dass zunächst klassische Joints freigegeben werden. Der Markt in Deutschland könnte sich in kurzer Zeit um den Faktor 10 bis 15 verändern.“
Breite Portfolio-Diversifizierung, statt reine Konzentration auf Cannabis
Unternehmen täten allerdings gut daran, sich nicht alleine auf eine Legalisierung von Cannabis zu konzentrieren. Sinnvoller, auch für die Konzernumsätze und die sich daraus ergebende Rendite für die Anleger, ist es, wenn sich Cannabisunternehmen möglichst breit aufstellen. Das bedeutet, sie sollten zwar den Handel mit Cannabis nicht aus dem Blick lassen, ihr Portfolio aber darüber hinaus so diversifizieren, dass sie auch ohne die gesetzlich verankerte Entkriminalisierung von Cannabis profitabel sind.
Unternehmen wie SynBiotic sind sich bewusst, dass das Warten auf die Cannabis-Legalisierung alleine nicht ausreicht. Deshalb ist das Agieren in verschiedensten Teilbereichen so eminent. Das Portfolio sollte vom Anbau von Cannabis bis zur Forschung & Entwicklung reichen und auch die Produktion und Vermarktung sollte Teil des Geschäftsmodells sein.
Weitere, eng mit Cannabis verbundene Bereiche, sind der Nahrungsergänzungsmittel- und Kosmetikmarkt sowie das Segment des Recreational-Cannabis. Einen zusätzlichen Schwerpunkt sollte die Entwicklung CBD-haltiger Produkte für den Wellness-Bereich sowie der noch recht unbespielte Markt des „Novel Food“ bilden. Für diesen Bereich haben Unternehmen bereits CBD-haltige Limonaden, Tees mit CBD-Anteil oder Kaugummis mit CBD-Anteil entwickelt.
Medizinisches Cannabis ist alleine schon aufgrund der weltweit mehr als 300 Millionen Menschen, die nach Alternativen zu den klassischen, mit starken und stärksten Nebenwirkungen behafteten Arzneimitteln suchen, von großer Bedeutung. Medizinisches Cannabis steht in dem Ruf, chronische Schmerzen, Schlafstörungen, Angstzustände oder Depressionen lindern zu können.
Lars Müller schaut hinsichtlich möglicher Umsätze in diesem Bereich positiv in die Zukunft: „Die Menschen sind auf der Suche nach Lösungen für ihre Probleme im Leben. Mit Cannabinoiden sind wir allein in der EU bereits in der Lage, einen Multi-Milliardenmarkt für Schlaf-, Schmerz- und Angstlösungen mit einem Gesamtumsatz von mehr als 250 Milliarden Euro für rezeptfreie und pharmazeutische Produkte zu erschließen.“
Cannabis bleibt wichtiger Dreh- und Angelpunkt unternehmerischen Erfolgs
Trotz dieser sehr lukrativen „Nebenschauplätze“ darf ein Unternehmen der Cannabisbranche die Konsequenzen Cannabis-Legalisierung nicht unberücksichtigt lassen. Bedenkt man, dass es in Deutschland ungefähr 4 Millionen Menschen im Erwachsenenalter gibt, die regelmäßig Cannabis konsumieren und dadurch eine Menge von ca. 3.000 Tonnen im Wert mehrerer Milliarden Euro jährlich verbrauchen, kann man sich vorstellen, welcher Markt sich nach einer Legalisierung entwickeln würde.
Das im Vergleich zu Deutschland bevölkerungstechnisch nur halb so große Kanada darf hier als Beispiel herangezogen werden. Dort hat sich nach der vollständigen Legalisierung ein Cannabis-Markt entwickelt, auf dem jedes Jahr ungefähr 8 Milliarden Euro umgesetzt werden. Ein Cannabisunternehmen, das einen Markt mit diesem Potenzial nicht zu seinem macht, sollte dringend an seinen Prioritäten arbeiten.
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