Handelskrieg-Eskalation: Märkte im Chaos!

Internationale Börsen verzeichnen massive Schwankungen bei erneuter Zuspitzung der US-chinesischen Handelsbeziehungen, während Investoren Zuflucht in Edelmetallen suchen.

Handelskrieg-Eskalation: Märkte im Chaos!
Kurz & knapp:
  • Abrupte Kurseinbrüche nach kurzer Erholungsphase
  • Zollpolitik belastet internationale Wirtschaftsbeziehungen
  • Rekordanstieg des Goldpreises als Reaktion
  • Unternehmen planen Produktionsverlagerungen

Die globalen Finanzmärkte durchleben turbulente Zeiten nach der jüngsten Verschärfung der US-Handelspolitik. Nur einen Tag nach der massiven Erleichterungsrally vom Mittwoch erlebten die US-Börsen am Donnerstag dramatische Kursverluste, wobei der technologielastige Nasdaq zeitweise über 5% einbrach. Anleger reagieren nervös auf die komplexe Gemengelage aus Zollpausen für viele Länder bei gleichzeitiger Eskalation im Handelskonflikt mit China.

Achterbahnfahrt an den Märkten

Die Börsenturbulenzen begannen, als US-Präsident Trump am Mittwoch überraschend ankündigte, die erst kürzlich eingeführten Zölle auf Importe aus zahlreichen Ländern für 90 Tage auszusetzen. Diese Entscheidung löste zunächst eine gewaltige Erleichterungsrally aus – der S&P 500 verzeichnete mit einem Plus von über 9% seinen drittbesten Tag seit dem Zweiten Weltkrieg. Doch die Euphorie währte nur kurz: Am Donnerstag gaben die Indizes einen Großteil ihrer Gewinne wieder ab, als Investoren die fortbestehenden Risiken neu bewerteten.

"Die Erkenntnis ist, dass wir trotz der guten Nachrichten von gestern in einer Welt mit neuen Unsicherheiten leben müssen", erklärte Art Hogan, Chefmarktstratege bei B Riley Wealth in New York. Das Marktgeschehen erinnert an eine beunruhigende Achterbahnfahrt: "Der Markt nimmt einen Teil der gestrigen Rallye zurück, weil sie realisieren, dass die Erleichterung nicht so groß ist wie zunächst gedacht", ergänzte Jake Dollarhide, CEO von Longbow Asset Management.

Besonders besorgniserregend: Trotz der temporären Zollpause bleibt die allgemeine effektive Zollrate laut Yale Budget Lab mit 25,3% auf dem höchsten Stand seit 1909. Selbst nach Berücksichtigung von Konsumverschiebungen wird die durchschnittliche Zollrate bei 18,1% liegen – der höchste Wert seit 1934.

China im Fokus der Handelspolitik

Im Zentrum der handelspolitischen Spannungen steht China. Während Trump die Zölle für viele Länder pausierte, verschärfte er die Strafzölle auf chinesische Waren von 104% auf 125%. Diese Eskalation führte zu unmittelbaren Gegenmaßnahmen aus Peking, die die globalen Handelsbeziehungen weiter belasten.

China kündigte als Vergeltung unter anderem Einschränkungen für Hollywood-Filme an. Die chinesische Nationale Filmverwaltung erklärte, die Zahl der importierten amerikanischen Filme werde "moderat reduziert". Obwohl dieser Schritt hauptsächlich symbolischer Natur ist – US-Filme machen nur noch etwa 5% der Kinoeinnahmen in China aus – zeigt er die Bereitschaft Pekings, in verschiedenen Wirtschaftssektoren zurückzuschlagen.

"Eine solch hochkarätige Bestrafung Hollywoods ist ein Kraftakt Pekings, der in Washington sicherlich wahrgenommen werden wird", kommentierte Chris Fenton, Autor von "Feeding the Dragon".

US-Staatsanleihenmarkt unter Druck

Besonders beunruhigend für viele Marktbeobachter waren die Turbulenzen am US-Anleihenmarkt. Die Rendite 10-jähriger US-Staatsanleihen stieg zeitweise stark an, bevor sie nach der Ankündigung der Zollpause wieder zurückging. Am Donnerstag lag die Rendite bei 4,35%, deutlich unter dem Höchststand von 4,51% am Mittwoch.

"Das Tempo und das Ausmaß des Ausverkaufs bei US-Staatsanleihen führten zu Anzeichen von Marktverzerrungen, als Hedgefonds einige schuldenfinanzierte Wetten auflösten", berichteten Marktteilnehmer. Die Situation weckte Erinnerungen an den "Dash-for-Cash" im März 2020, als der Zusammenbruch des Anleihenmarktes die Federal Reserve zu massiven Rettungsaktionen zwang.

Der Druck auf den Anleihemarkt hat weitreichende Auswirkungen: Höhere Renditen verteuern nicht nur die Staatsfinanzierung, sondern wirken sich auch auf Hypotheken- und Unternehmenskredite aus. Die 30-jährigen Hypothekenzinsen, die an 10-jährige Staatsanleihen gekoppelt sind, stiegen zeitweise um mehr als 20 Basispunkte an – bevor die Zollpause wieder für etwas Beruhigung sorgte.

Goldpreis erreicht Rekordhöhe

Inmitten der Marktturbulenzen und Unsicherheiten flüchteten viele Anleger in sichere Häfen. Der Goldpreis stieg am Donnerstag um fast 3% auf ein Rekordhoch von 3.171,49 Dollar pro Unze. "Gold gewinnt seine Funktion als sicherer Hafen zurück und ist wieder auf Kurs in Richtung neuer Allzeithochs", erklärte Nikos Tzabouras, Senior Market Analyst bei Tradu.com.

Unterstützt wurde der Goldpreisanstieg durch einen schwächelnden Dollar, der gegenüber anderen Währungen mehr als 1% an Wert verlor. Dies macht Gold für Inhaber anderer Währungen günstiger. "Wir sehen Zentralbanken kaufen, und solange wir Zuflüsse in ETFs und mehr geldpolitische Risiken sehen, gibt es viele wichtige Faktoren, die Gold weiterhin stützen werden", sagte Alex Ebkarian, COO bei Allegiance Gold.

Überraschender Rückgang der US-Verbraucherpreise

Inmitten der Handelsspannungen gab es auch überraschende Wirtschaftsdaten: Die US-Verbraucherpreise fielen im März unerwartet um 0,1% – der erste monatliche Rückgang seit fast fünf Jahren. Günstigeres Benzin und gebrauchte Kraftfahrzeuge trugen zu diesem Rückgang bei. Allerdings dürfte diese günstige Inflationsentwicklung nur von kurzer Dauer sein, da die Auswirkungen der Zölle auf die Preise noch nicht vollständig erfasst wurden.

"Die gute Nachricht einer schwachen Inflation im März muss mit Vorsicht genossen werden, denn der Handelskrieg gegen China, woher die meisten Konsumgüter kommen, die Amerikaner kaufen, ist in den Hyperdrive gegangen", warnte Christopher Rupkey, Chefökonom bei FWDBONDS.

Die Finanzmärkte erwarten nun, dass die Federal Reserve im Juni wieder mit Zinssenkungen beginnen und den Leitzins bis zum Jahresende möglicherweise um einen vollen Prozentpunkt senken könnte. Die am Mittwoch veröffentlichten Protokolle der März-Sitzung der Fed zeigten, dass die Notenbanker nahezu einstimmig der Meinung waren, dass die Wirtschaft Risiken sowohl einer höheren Inflation als auch eines langsameren Wachstums ausgesetzt ist.

Unternehmen passen Strategien an

Unternehmen beginnen bereits, ihre Strategien an die neue handelspolitische Realität anzupassen. Der schwedische Elektrofahrzeughersteller Polestar plant, mehr Produktion nach Europa zu verlagern, um die Auswirkungen der US-Zölle abzufedern.

"Wenn große Zollerhöhungen stattfinden, haben sie auf jeden Fall Auswirkungen, und nicht nur für uns, sondern für die gesamte Branche", sagte Polestar-CEO Michael Lohscheller. "Lokalisierung ist der beste Weg nach vorne, nicht nur für die USA im Allgemeinen, sondern wir wollen auch zukünftige Produkte hier in Europa produzieren."

Trotz der Handelsspannungen meldete Polestar für das erste Quartal einen Verkaufsanstieg von 76%, teilweise dank Rabatten und Angeboten, die sich speziell an unzufriedene Tesla-Besitzer richteten. Etwa die Hälfte der März-Ergebnisse sei auf Tesla-Anreize zurückzuführen, so der US-Verkaufsleiter Jordan Hofmann.

Ausblick: Anhaltende Unsicherheit

US-Finanzminister Scott Bessent versuchte, die Märkte zu beruhigen, indem er die Verluste des Tages herunterspielte: "Zwei rauf, eins runter ist kein schlechtes Verhältnis, oder zehn rauf, fünf runter." Er betonte, dass langfristige Klarheit entstehen werde, wenn die Handelsverhandlungen fortschreiten: "Wenn wir uns mit den Nationen einigen, werden wir an einem Punkt der Gewissheit ankommen."

Doch Analysten bleiben skeptisch. "Verzögerungen helfen, reduzieren aber nicht die Unsicherheit", sagte Michael Gapen, Chefökonom für die USA bei Morgan Stanley. Obwohl das 90-Tage-Fenster Zeit für Diplomatie bieten könnte, könnten die erhöhten Zölle auf China weiterhin den globalen Handel und das Wachstum belasten.

Adam Crisafulli von Vital Knowledge wies darauf hin, dass Investoren besorgt sind über "den ziemlich großen Rückgang" des Dollars und die Unfähigkeit von US-Staatsanleihen, sich zu erholen. Dies "hält die Leute nervös wegen des Geldabflusses aus US-Finanzanlagen", schrieb er.

Die Märkte stehen vor einer Phase anhaltender Unsicherheit, während sich die globalen Handelsbeziehungen neu sortieren und Unternehmen sowie Investoren versuchen, sich an die neue Realität anzupassen.

Über Felix Baarz 70 Artikel
Mit über fünfzehn Jahren Erfahrung als Wirtschaftsjournalist hat sich Felix Baarz als Experte für internationale Finanzmärkte etabliert. Seine Leidenschaft gilt den Mechanismen globaler Finanzmärkte und komplexen wirtschaftspolitischen Zusammenhängen, die er für seine Leserschaft verständlich aufbereitet.In Köln geboren und aufgewachsen, entdeckte er früh sein Interesse für Wirtschaftsthemen und internationale Entwicklungen. Nach seinem Studium startete er als Wirtschaftsredakteur bei einer renommierten deutschen Fachpublikation, bevor ihn sein Weg ins Ausland führte.Ein prägendes Kapitel seiner Karriere waren die sechs Jahre in New York, wo er direkten Einblick in die globale Finanzwelt erhielt. Die Berichterstattung von der Wall Street und über weltweite wirtschaftspolitische Entscheidungen schärfte seinen Blick für globale Zusammenhänge.Heute ist Felix Baarz als freier Journalist für führende Wirtschafts- und Finanzmedien im deutschsprachigen Raum tätig. Seine Arbeit zeichnet sich durch fundierte Recherchen und präzise Analysen aus. Er möchte nicht nur Fakten präsentieren, sondern auch deren Bedeutung erklären und seinen Lesern Orientierung bieten – sei es zu wirtschaftlichen Trends, politischen Entscheidungen oder langfristigen Veränderungen in der Finanzwelt.Zusätzlich moderiert er Diskussionen und nimmt an Expertenrunden teil, um sein Wissen einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Dabei liegt sein Fokus darauf, komplexe Themen informativ und inspirierend zu vermitteln. Felix Baarz versteht seine journalistische Aufgabe darin, in einer sich schnell wandelnden Welt einen klaren Blick auf wirtschaftliche Zusammenhänge zu ermöglichen und seine Leser bei fundierten Entscheidungen zu unterstützen – beruflich wie privat.