Die US-Notenbank Federal Reserve sieht sich durch Donald Trumps umstrittene Zollpolitik in einer zunehmend schwierigen Lage gefangen. Fed-Chef Jerome Powell machte am Mittwoch bei einer Rede vor dem Economic Club of Chicago deutlich, dass die Zentralbank in ein Dilemma geraten könnte: Steigende Inflation durch Zölle bei gleichzeitig schwächelnder Wirtschaft und möglicherweise steigender Arbeitslosigkeit.
"Ich denke, der Markt hatte auf ein deutlicheres Signal gehofft, dass die Fed näher an Zinssenkungen heranrückt", kommentierte Michael Arone, Chef-Investmentstratege bei State Street Global Advisors, die als vergleichsweise falkenhaft eingestuften Aussagen Powells.
Zinssenkungen auf der Kippe
Für die Notenbank entwickelt sich eine komplizierte Gemengelage. Marktteilnehmer rechnen weiterhin mit Zinssenkungen im laufenden Jahr, beginnend im Juni, und erwarten, dass der Leitzins, der aktuell bei 4,25-4,50% liegt, bis Jahresende fast einen vollen Prozentpunkt niedriger sein wird. Doch Trump-Tarife könnten diese Pläne durchkreuzen.
Die Fed-Bankerin Beth Hammack aus Cleveland betonte ebenfalls am Mittwoch die hohe Unsicherheit: "Angesichts der wirtschaftlichen Ausgangslage und mit Druck auf beiden Seiten unseres Mandats gibt es starke Argumente, die Geldpolitik stabil zu halten, um die Risiken durch weiterhin erhöhte Inflation und einen sich abschwächenden Arbeitsmarkt auszubalancieren."
Powell wies explizit auf das potenzielle Dilemma hin: In einer typischen Konjunkturschwäche würde die Fed die Zinsen senken, doch bei gleichzeitig hoher Inflation durch Zolleffekte könnte diese Option blockiert sein. Dies entspricht genau den Befürchtungen vieler Investoren, die eine stagflationäre Entwicklung befürchten.
EZB reagiert bereits auf Handelsunsicherheit
Während die Fed noch abwartet, geht die Europäische Zentralbank bereits einen Schritt weiter. Die EZB wird laut Experteneinschätzungen am Donnerstag (18. April) die Zinsen zum siebten Mal innerhalb eines Jahres senken, um die bereits kämpfende Wirtschaft vor den Auswirkungen der US-Zölle zu schützen.
"Selbst mit der US-Zollpause sprechen die Argumente klar für eine Senkung", erklärte die Deutsche Bank in einer Analystennotiz. "Die Auswirkungen gegenseitiger Zölle, Unsicherheit und Finanzmarktbedingungen übertreffen wahrscheinlich, was die EZB erwartet hat."
Die EZB hatte zuvor geschätzt, dass das Wachstum in den 20 Euro-Ländern um einen halben Prozentpunkt sinken könnte, wenn Trumps Zölle greifen – das würde etwa die Hälfte der erwarteten Expansion in der Region auslöschen. Diese Schätzung könnte jedoch zu optimistisch sein, wenn Trump wieder zu größeren Handelsbarrieren zurückkehrt oder die EU Vergeltungsmaßnahmen ergreift.
Tarifpause bringt nur begrenzte Erleichterung
Trumps überraschende 90-Tage-Pause bei den meisten angekündigten Zöllen hat die Märkte zwar vorübergehend beruhigt, doch die grundlegende Problematik bleibt bestehen. Laut Morgan Stanley "senkt der überarbeitete Plan den effektiven Mischzollsatz von etwa 22% auf 17%, aber das ist immer noch ein dramatischer Anstieg vom aktuellen Satz von 3%".
Besonders die Eskalation gegenüber China könnte sich als wirtschaftlich kostspielig erweisen: "Unabhängige Analysten bei Pantheon Macroeconomics schätzen, dass Chinas etwa 7-prozentiger Anteil an US-Exporten wahrscheinlich auf null sinken wird, was potenziell etwa 35 Basispunkte vom US-BIP-Wachstum abziehen könnte", warnt Morgan Stanley.
Japan gehört zu den Ländern, die intensiv mit den USA verhandeln, um Zollvergünstigungen zu erreichen. "Ein großes Ereignis, gerade mit der japanischen Delegation über Handel gesprochen zu haben. Großer Fortschritt!", verkündete Trump am Mittwoch, ohne Details zu nennen. Der japanische Minister für wirtschaftliche Wiederbelebung, Ryosei Akazawa, war eigens nach Washington gereist, um Gespräche zu führen.
Währungsmärkte reagieren sensibel
Die Unsicherheit über die Handelspolitik und deren Auswirkungen zeigt sich besonders deutlich an den Devisenmärkten. Der Dollar setzte am Mittwoch seinen Abwärtstrend fort, während sowohl sichere Häfen als auch risikosensitive Währungen den Greenback übertrafen.
"Wir befinden uns in einer Art Informationsvakuum mit dieser Pattsituation zwischen China und den USA, und wir warten darauf, welche Deals mit anderen Ländern geschlossen werden", sagte Brad Bechtel, Global Head of FX bei Jefferies in New York.
Besonders stark hat der Schweizer Franken seit Trumps Zollankündigung am 2. April unter den G10-Währungen aufgewertet. Die daraus resultierende deflationäre Wirkung könnte die Schweizerische Nationalbank (SNB) dazu veranlassen, die Zinsen wieder in den negativen Bereich zu bringen.
Der Euro legte zuletzt um 0,84% auf 1,1376 Dollar zu und hielt sich damit unter dem Dreijahreshoch von 1,1473 Dollar, das am Freitag erreicht wurde. Der Dollar verlor gegenüber dem japanischen Yen 0,71% auf 142,22 Yen.
Konflikt um Behördenreform und KI-Einsatz
Parallel zur Zolldebatte sorgt Trumps radikale Umstrukturierung der US-Bundesbehörden für politische Spannungen. Nahezu 50 demokratische Abgeordnete haben die Trump-Administration in einem Brief aufgefordert, den Einsatz nicht autorisierter KI-Systeme bei den massiven Stellenstreichungen zu beenden.
Trump und Elon Musk, der das "Department of Government Efficiency" (DOGE) leitet, haben eine beispiellose Kürzungskampagne eingeleitet, die bereits mehr als 260.000 Bundesangestellte betroffen hat – durch Entlassungen, Frühpensionierungen oder Abfindungsangebote.
Powell äußerte sich indirekt kritisch zu diesem Ansatz: "Der gesamte innenpolitische Ermessensspielraum bei den Ausgaben, auf den sich 100% der Gespräche konzentrieren, macht nur einen kleinen Prozentsatz der Bundesausgaben aus und nimmt ab." Er betonte, dass zur wirksamen Reduzierung der Staatsschulden und -defizite die größten Ausgabenblöcke angegangen werden müssten: Medicaid, Medicare, Sozialversicherung und die steigenden Zinskosten.
Unsicherheit bleibt bestimmend
Angesichts der politischen und wirtschaftlichen Unsicherheiten rechnen Experten mit anhaltender Volatilität an den Märkten. Während Trumps Zollpause kurzfristig für Erleichterung sorgte, bleibt die grundlegende Richtung der US-Handelspolitik unberechenbar.
Die Europäische Zentralbank steht vor der Herausforderung, die Auswirkungen der US-Politik auf die ohnehin fragile Eurozone abzufedern. Für die Federal Reserve wird die Gratwanderung zwischen Inflationsbekämpfung und Wachstumsunterstützung immer schwieriger.
Mit den Handelsverhandlungen zwischen den USA und wichtigen Partnern wie Japan, Südkorea und Großbritannien könnten sich in den kommenden Wochen neue Entwicklungen ergeben. Für die Märkte bleiben die nächsten Schritte der Zentralbanken und die konkreten Auswirkungen der Zollpolitik die entscheidenden Faktoren.