Die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein als Eigentümerinnen der HSH Nordbank hatten die Schlagzeile schon vor Augen: „Erstmals Landesbank privatisiert: Größte Schiffsfinanziererin der Welt legt sensationellen Börsengang hin!“ So sollte das Jahr 2008 für die HSH beginnen. So war es von den Ländern seit der Gründung der Landesbank fünf Jahre zuvor geplant. So aber kam es nicht.
Statt Börsengang musste die HSH Nordbank 2008 Verluste in Höhe von 2,8 Milliarden Euro veröffentlichen. Die Länder stützten daraufhin ihre Bank mit zusätzlichem Eigenkapital von 3 Milliarden Euro und einer Garantie von 10 Milliarden Euro. Seither ringen Bank, Politik, Medien und Öffentlichkeit um die Deutung darüber, wer verantwortlich für die Katastrophe ist, wie die Bank wirklich finanziell da steht, und wie es weitergeht mit der HSH Nordbank: „Abwicklung und Transparenz“ oder „Weiterwurschteln und Verschleiern“? Die Politik entschied: Weiterwurschteln.
Statt Börsengang wird HSH notverkauft oder abgewickelt
Jetzt, 10 Jahre nach dem abgesagten Sensationsbörsengang, stehen Hamburg und Schleswig-Holstein erneut vor der Frage: Wer kauft ihre Landesbank? Eine Bank, die immer noch notleidende Kredite in Milliardenhöhe in den Büchern führt, deren Ruf ramponiert ist und bei der nicht klar ist, worin denn wohl ihr Geschäftsmodell besteht?
Die Länder müssen bis zum 28. Februar 2018 einen Käufer für mindestens 75 Prozent ihrer Anteile an der HSH Nordbank gefunden haben. Angeordnet hat den Verkauf EU-Wettbewerbskommissarin Vestager im Mai 2016 nach einem mehrjährigen Beihilfeverfahren. Das EU-Wettbewerbsrecht sieht nicht vor, dass Banken mit Steuer-Milliarden am Leben gehalten werden. Solche öffentlichen Hilfen muss die europäische Wettbewerbsbehörde genehmigen. Stichwort: Wettbewerbsverzerrung.
EU-Wettbewerbsbehörde genehmigt öffentliche Stützung
Die Behörde nickte tatsächlich die 10-Milliarden-Garantie ab – allerdings als „Abwicklungsbeihilfe“ und mit der Auflage versehen, dass die Bank bis Ende Februar 2018 an einen neuen Eigentümer geht. Gelingt der Verkauf nicht, muss die HSH Nordbank abgewickelt werden, so die Vorgabe der Wettbewerbsbehörde.
Der Ablauf der Frist steht nun kurz bevor. Nach Aussagen von Politik und Bank gibt es tatsächlich Interessenten für die Nordbank, die verbindliche Angebote abgegeben haben sollen. Namen werden offiziell keine genannt. Das erledigt dafür die norddeutsche Presse – und ein Politiker, der plauderte: der Fraktionschef der Liberalen im schleswig-holsteinischen Parlament, Wolfgang Kubicki.
Abwicklung der brutalen Art: Hedgefonds zeigen Interesse
So sollen Apollo Global Management und ein Konsortium aus Cerberus Capital Management und HSH-Minderheits-Eigentümer, J.C.Flowers, für die HSH geboten haben. Geldinstitute haben also nicht die Hand für die HSH gehoben. Die beiden Interessenten sind US-Hedgefonds. Und das Geschäftsmodell von Hedgefonds sollte bekannt sein – auch den norddeutschen Landesregierungen: Billigst einkaufen, rücksichtslos zerschlagen, Teile teuer verkaufen, Reste verhökern. Auch das ist eine Form der Abwicklung – allerdings der brutalen Art.
Millionen für die einst gepuschte Börsenaspirantin
Angeblich sollen Kaufpreise zwischen 200 und 700 Millionen Euro im Gespräch sein, wie das Handelsblatt berichtet. Bestätigt sind die Zahlen nicht. Es ist ohnehin kaum etwas bekannt aus dem Bieterverfahren und den Verhandlungen mit potentiellen Käufern. Die Länder verweigern sich der Transparenz, speisen Öffentlichkeit und Parlamente mit wenigen Informationen ab, beharren darauf, dass ein Verkauf selbst an Hedgefonds „vermögensschonender“ sei, als eine Abwicklung in Eigenregie der Länder.
Dabei wird der Schaden, den die Landesbank in den öffentlichen Haushalten beider Länder so oder so hinterlassen wird, von historischer Größe sein. Ein Kaufpreis in dreistelliger Millionenhöhe mindert diesen Schaden höchstens marginal.
Da die Landesregierungen in Hamburg und Kiel es nicht für nötig halten, die Bevölkerung über die Milliarden-Schäden für die öffentlichen Haushalte aufzuklären, nahm sich die Wissenschaft den konkreten und möglichen Schadensszenarien an.
Zweistelliger Milliarden-Schaden für die öffentlichen Haushalte
Peter Nippel, Professor für Finanzwirtschaft an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel, beziffert die zwischen 2009 und 2016 entstandenen Gesamtkosten für die Stützung der HSH auf rund 10,5 Milliarden Euro.
Peter Nippel mit Analyse zu den Kosten
Darin sind aber noch nicht enthalten rund
– 5 Milliarden Euro,
die die Länder den Vorgängerinstituten der HSH als Eigenkapital zur Verfügung stellten
– 2,4 Milliarden Euro,
mit denen die Länder der HSH ein Paket von notleidenden Schiffskrediten abgekauft haben und die jetzt in einer eigens gegründeten Anstalt öffentlichen Rechts, der hsh portfoliomanagent AöR, abgewickelt werden.
Diese 7,4 Milliarden kämen höchst wahrscheinlich als unwiederbringliche Verluste noch obendrauf, zuzüglich fortlaufender Zinskosten. Die maximalen Gesamtkosten schätzt Prof. Peter Nippel auf 17,9 Milliarden Euro.
Eine andere, sehr detaillierte Studie von Studenten der Hochschule Hannover unter der Obhut von Prof. Dirk Heithecker beziffert den Gesamtverlust für die öffentlichen Haushalte der Länder zum 31. Dezember 2016 auf 14,5 Milliarden Euro.
PDF von Prof.Heithecker, Uni Hannover
Zum Verkaufsstichtag der HSH – so es einen gibt im Februar dieses Jahres – sähe die Summe aber schon wieder anders aus. Denn auf die 14,5 Milliarden müsste mindestens noch der Kaufpreis für die notleidenden Schiffskredite von 2,4 Milliarden Euro addiert werden, abzüglich erfolgter Wertabschreibungen.
Und es kommt noch mehr …
Und auch das ist nicht alles. In der HSH liegen weiter notleidende Kredite von rund 15 Milliarden Euro. Wird die ein neuer Eigentümer wirklich mitkaufen? Außerdem fallen jährlich Finanzierungs- und Verwaltungskosten in Millionenhöhe für die beiden Anstalten öffentlichen Rechts an, die die Länder für die Stützung der HSH Nordbank aufsetzten – die HSH Portfoliomanagement AöR (Schiffskredite) und die hsh finanzfonds AöR (10-Mrd.-Garantie). Dazu kommen Zinsen ebenfalls in Millionenhöhe. Denn die Länder müssen sich das Geld für die Stützung der HSH Nordbank selbst am Kapitalmarkt leihen.
Diese Milliardenschäden werden Hamburg und Schleswig-Holstein über Jahrzehnte belasten. Allein die Kredite, mit denen die Länder die Vorgängerinstitute der HSH mit Eigenkapital ausgestattet hatten, schieben sie größtenteils noch heute als Schulden vor sich her, inklusive Millionen an jährlichen Zinszahlungen. Tilgung? Unbekannt.
Handelskammer will mehr Transparenz und Öffentlichkeit
Am Wochenende jetzt hat sich erstmals ein Teil der Hamburger Wirtschaft zum anstehenden Verkauf der HSH zu Wort gemeldet und den Umgang der Politik damit kritisiert. Das Hamburger Abendblatt berichtet über ein Positionspapier der Handelskammer, in dem es heißt, dass ein Verkauf nicht alternativlos sei und dass zu wenig öffentlich über eine Abwicklung diskutiert würde. Die Handelskammer möchte wissen, zu welchen Bedingungen die HSH verkauft wird und fordert einen transparenten und öffentlich diskutierten Verkaufsprozess.
Das letzte Wort hat ohnehin die EU-Kommission. Kommt sie zu dem Schluss, „dass das aus der Veräußerung hervorgehende Unternehmen nicht rentabel wäre, darf die Veräußerung nicht vollzogen werden.“ In diesem Fall muss die HSH ihr Neugeschäft einstellen und sich selbst abwickeln. Dann wird sie vollends zur „Bad Bank“.
von Dani Parthum, 15. Januar 2018
Kommentar hinterlassen