Wer über professionelles Trading nachdenkt, kommt früher oder später auch mit dem Thema Saisonalität in Berührung. Selbst unter Hobby-Aktionären ist der Begriff Jahresendrally bereits im Wortschatz verankert. Aus diesem Grund stelle ich Ihnen in diesem Artikel meine Gedanken zur Saisonalität an der Börse dar. Beginnen wir mit der Definition.
Definition Saisonalität
Als Saisonalität bezeichnet man im Trading wiederkehrende Muster von Kursveränderungen, die jedes Jahr, jeden Monat oder auch jeden Tag (Stichwort: Tag der Woche) auftreten können. Je häufiger diese Muster über die Jahre hinweg auftreten, desto mehr Gültigkeit und Verlässlichkeit sollen diese haben.
In diesem Artikel sehen wir uns einige dieser Muster an. Ich zeige einen Indikator, der diese Muster verlässlich herausfiltert.
Verschiedene Arten von Saisonalität an der Börse
Ich unterscheide im Folgenden und auch in weiteren Artikeln dieser Reihe zwischen Intraday-Saisonalität und Tages-Saisonalität, auch als End-Of-Day (EOD)-Saisonalität bezeichnet. Im Intraday-Bereich sucht man über eine gewisse Zeitspanne nach Kursveränderungen im Stunden oder Minutenbereich. Als Beispiel im DAX würde man sich also die Kursveränderungen von 9 – 10 Uhr ansehen und das über die letzten X Tage. Nun kann eine mittlere Kursveränderung über den Zeitraum X berechnet werden.
Im End-Of-Day -Bereich bestimmt man die Kursveränderung am Ende jeden Tages und vergleicht die Tage im Jahr, bspw. über einen Zeitraum von 10 Jahren. Dies kann pro Kalendertag oder pro Jahrestag passieren. Alle kumulierten Werte der einzelnen Tage, werden dann durch die Anzahl der Jahre geteilt, um eine mittlere Kursveränderung an diesem Tag zu bestimmen. Nimmt man diese Berechnung für jeden Tag des Jahres vor, kann man eine Kurve erzeugen und im Chart einzeichnen.
Tages-Saisonalität im FDAX über die letzten 5 Jahre:
Saisonalität – Berechnungsmethoden und Techniken
Die Berechnungsmethode kann sich je nach Vorliebe und Markt unterscheiden. Die Tagesveränderung kann lediglich Intraday berechnet werden, also vom Open zum Close oder man kann noch das Übernacht-Gap (die Kurslücke zwischen Open und Close des Vortages) mit einbeziehen. Beide Methoden haben ihre Daseinsberechtigung.
Intraday-Berechnungen sind für Trades im Laufe des Tages interessanter, da man bspw. den FDAX nachts nicht handeln kann. Insofern kann die Übernacht-Berechnung hierbei irreführend sein. Um den Tagesverlauf über mehrere Tage für das Swing-Trading zu analysieren, kann es sinnvoll sein, das Gap mit einzubeziehen, hier nähert sich die Kurve dann dem realen Kurs weiter an. Die Berechnung im oberen Bild wurde vom Close zum Open vorgenommen, also Intraday, hier nun die Alternative unter Einbeziehung des Übernacht-Verhaltens.
Tages-Saisonalität im FDAX mit Übernacht-Verhalten:
Saisonalitäten können sich ändern
In den bisherigen Auswertungen haben wir die Saisonalitäten über den Durchschnitt von 10 Jahren berechnet. Sie können diesen Wert natürlich anpassen. So kann ebenfalls die Historie auf 20, 30 oder auch nur 5 oder 3 Jahre angepasst werden.
Diese Anpassungen sind notwendig, um auch den Verlauf der Historie über die letzten Jahre zu erkennen, denn Saisonalitäten können sich ändern. Gerade diese Änderung macht es für automatische Handelssysteme schwierig hier langfristig Erfolg zu haben und eine stetige Performance vorzuweisen. Um dies dennoch möglich zu machen, werde ich auf Basis des hier vorgestellten Indikators einige Beispiele zeigen, die dann auch in ein Handelssystem übernommen werden können.
Die Veränderung der Tages-Saisonalität kann man an diesem Beispiel, wiederum vom FDAX erkennen. Hier habe ich den 10-, 5- und 2-Jahres-Rythmus übereinander gelegt, um diese Unterschiede herauszuarbeiten und auch visuell einfach erkennen zu können.
FDAX Chart mit Saisonalität in verschiedenen Zeiträumen
Der 2-Jahreszyklus in Rot, der 5-Jahreszyklus in Blau und der 10-Jährige in Gelb zeigen teils gravierende Unterschiede auf, gerade in den Monaten Februar und November. Allerdings sind auch viele Gemeinsamkeiten zu erkennen, wie bspw. die allseits bekannte Jahresendrally (steigende Kurse zum Jahresende hin). Ebenso ist hier auch das »Sell in May« Phänomen zu sehen, da die Kurse ab Mai nicht mehr ganz so stark ansteigen (2-Jähriger-Zyklus) oder gar fallen. Dies bestätigt auch das Ursprungsphänomen.
Fazit zur Saisonalität im Trading
Saisonalitäten im Trading sind ein wichtiges Thema, denn hiermit können die Trade-Befindlichkeiten sowohl manuell als auch bei automatischen Handelsstrategien genau analysiert werden. Sie können daraus sogar eine Art Filter ableiten, ob ein Handelssystem überhaupt zum Einsatz kommen- oder ob an verschiedenen Tagen überhaupt getradet werden sollte. Wenn bspw. die Tages-Saisonalität einen starken Long-Tag anzeigt, auf Basis der letzten 10, 5 und 2 Jahre, dann könnte es sinnvoller sein, die Short-Seite des Marktes zu ignorieren und keine Trades in diese Richtung auszuführen.
In weiteren Artikeln dieser Reihen, stelle ich interessante Saisonalitäten und auch den Indikator noch genauer vor. Hierbei wird der Ansatz kritisch hinterfragt, aber auch interessante Trading-Gelegenheiten angesprochen.
Erfolgreiche Trading Tage
Sehr schön ausgeführt, lege ich mir auf „Wiedervorlage“ für Ende April 😉
Martin Kronberg