Kommt der Zinsschock? | Renditen in Europa zu niedrig

Sicherlich klingt es wie eine Wiederholung, wenn ich erneut auf das unangemessene europäische Zinsniveau eingehe. Die meisten unserer Leser haben meine Meinung zu diesem Thema schon verinnerlicht. Doch mit jedem Tag dieses Zustandes kommt ein großes Problem dichter. Daher erlauben Sie mir die offene Frage: Kommt der Zinsschock?

 

Mittlerweile ist es den Märkten und ihren Teilnehmern meines Erachtens nicht mehr klar, wo ein „normales Zinsniveau“ liegen könnte. Schon zulange hängen die Bond-Märkte am Tropf der EZB. Und schon viel zu lange wird die Liquidität und Normalität dadurch torpediert. So wichtig ein schnelles Eingreifen im Zuge der tiefsten Depression des Marktes auch in meinen Augen gewesen sein mag, so klar sind wir längst über den Punkt hinaus, an dem das Ankaufprogramm mehr als akzeptable Nebenwirkungen mit sich bringt. Doch warum fällt es dem EZB-Chef Mario Draghi so schwer, den Ausstieg proaktiv anzugehen? Würde er einen Zinsschock erzeugen?

 

Quantitätstheorie des Geldes – eine gefährliche Sackgasse

 

Schon zu Beginn des Ankaufsprogramms seitens der EZB habe ich auf die unberechtigten Angstzustände einzelner Anleger reagiert und auf die Sackgasse der Quantitätstheorie hingewiesen. Diese Theorie nimmt an, dass mit einer Erhöhung der Geldmenge auch das Preisniveau in den Läden erhöht werden sollte. Dazu bedienen sich die Volkswirte folgender Überlegung:

M * V = P * Y

Was diese Formel mit den Ankäufen der EZB zu tun hat, wollen Sie nun wissen?

Dazu schauen wir auf die Variablen der Formel:

M = Geldmenge

V = Umlaufgeschwindigkeit des Geldes

P = Preisniveau

Y = Handelsvolumen

Um diese Formel mit 4 Variablen nutzbar zu machen, unterstellen die Volkswirte, dass die Umlaufgeschwindigkeit und das Handelsvolumen größtenteils stabil sind. Unter dieser Annahme kann man V und Y in der Formel ignorieren und so annehmen, dass M und P direkt verbunden sind. Damit sollten sich M und P proportional zueinander verhalten. Steigt die Geldmenge, steigt auch der Preis. So simpel und zugegeben logisch diese Herleitung erscheinen mag, so sehr ignoriert sie, dass das Vermögen (die Geldmenge) nicht gleichmäßig verteilt ist.

Wenn die von der EZB erschaffende Geldmenge tatsächlich gut verteilt auch bei Ihnen und mir angekommen wäre, dann würde diese Theorie greifen. Das tut sie aber nicht. Die einzigen spürbaren Effekte für Privatpersonen, und diese sind es, die durch ihr Kaufverhalten Einfluss auf Konsumentenpreise haben, ist die gestiegene Beleihbarkeit Ihrer Vermögensgüter. Darunter fallen selbstgenutzte Immobilien oder Ihr Aktienportfolio. Dieser Effekt reicht allerdings nicht aus, um die Inflationsrate auf Trab zu bringen. Und genau an dieser Stelle krankt meines Erachtens die Annahme der EZB. Aus diesem Grund wird es nun gefährlich für die Stabilität in Europas Rentenmärkten.

 

Brennender Euro: Kommt der Zinsschock?
Euro bedroht: Kommt der Zinsschock?

 

Erst bei Vollbeschäftigung wäre dieser Zusammenhang unter gewissen Annahmen, wie der nicht mehr erweiterbaren Güterproduktion, herzuleiten. Dieser Zustand ist schon in Deutschland allein betrachtet schwer erreichbar, in Europa bleibt er allerdings eine Illusion.

 

Was ist, wenn nach der Krise vor der Krise ist?

 

Die wohl wichtigste Frage aus heutiger Sicht ist: Wie die Europäische Zentralbank mit der nächsten Krise, die mit Sicherheit schon in Sichtweite ist, umgehen wird. Die Macht der Notenbanken, Einfluss zunehmen, ist mit Sicherheit deutlich höher, als die meisten Anleger es glauben. Immerhin kann diese nicht in die Insolvenz rutschen. Denn im Gegensatz zu Geschäftsbanken, kann eine Notenbank niemals illiquide werden. Sie kann ihr eigenes Geld drucken. Daher sind die Target-2-Salden, die oftmals als Schreckensgespenst durch die Medien wandern auch absolut kein Problem. Jedenfalls nicht solange die EZB als Institution weiterhin existiert und die Eurozone Bestand hat.

Aus diesem Grund wird der Ausstieg für die EZB immer schwieriger. Das „faire Zinsniveau“ dürfte sich mittlerweile im Bereich um 1,5 % – 2 % bewegen und würde nach Einstellung der Ankäufe wohl auch real erreicht werden. Doch dieses Zinsniveau wäre für viele Marktteilnehmer sehr schwierig zu ertragen. Dabei geht es nicht nur um die „Krisenländer“. Auch die Immobilienkäufer der letzten Stunde würden eine schwierige Lektion erhalten, die sie dann 20 oder 30 Jahre verfolgt.

 

Ausstieg aus der Nullzinspolitik würde Zinsschock erzeugen

 

Alle Rahmendaten deuten heute darauf hin, dass Fehlannahmen in der Wirtschaftstheorie und ein langes Fernhalten der Märkte von ökonomischen Realitäten immer schwieriger beherrschbar sind.

So sinnvoll der Ausstieg auch sein mag, so schwierig wird Mario Draghi diesen beginnen können. Die Renditen würden vermutlich explosionsartig ansteigen, da eine „normale Nachfrage“ auf diesem Niveau sehr unwahrscheinlich ist.

Da die Notenbanken zumindest in Sachen Geldpolitik und Gelderschaffung quasi frei agieren können, wird es immer einen Weg zur Lösung der Probleme geben. Einen möglichen Weg stellte ich damals bereits dar. Unter einem US-Präsidenten Donald Trump wäre ein solcher Weg sogar denkbar, denn die Schuldenblase würde sich so reduzieren und man würde Feuer erstmals mit Wasser und nicht mit noch mehr Feuer bekämpfen.

 

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