Der BREXIT ist geschehen. Im März starten die Verhandlungen zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU. Bis dahin wird man sehr viel Säbelrasseln hören und es sind schon recht Dumme Überlegungen herausposaunt worden. Es wird komplex und wie es sich ausgehen wird ist ungewiss. Um vielleicht eine bessere Einschätzung vornehmen zu können schauen wir uns als erstes einige Beobachtungen an, die man in den zurückliegenden Jahren anstellen konnte.
Die wichtigen Termine der kommenden BREXIT Verhandlung
Doch bevor wir zu den Beobachtungen kommen, will ich hier noch die wichtigen Termine für den weiteren Verlauf des BREXITs festhalten.
- 25.02.2020 EU Minister Treffen, bei dem die Verhandlungslinie der EU festgelegt wird
- 03.03.2020 Beginn der Verhandlungen
- 31.12.2020 Ende der Übergangsphase
Kommen wir nun zu verschiedenen Beobachtungen welche man in den vergangenen Jahren machen konnte.
Verschiedene Beobachtungen seit dem BREXIT Referendum
Beobachtungen zum Verhalten der EU während der BREXIT Verhandlungen:
- Keine Einsicht und verhärtete Ideologisch geprägte Position, während aus dem Maschinenraum der Demokratien die Meldung oben nicht ankommt / nicht verstanden wird. Die Meldung lautet: Weniger Zentralisierung! Die Antwort der EU lautet jedoch, wir benötigen einen höheren Grad an Zentralisierung.
- Drohungen plus das bisheriges Verhalten gegenüber den verschiedenen Mitgliedsstaaten führte zu ungewollten Rückkopplungen.
- Bisherige Position zum Single Market und Customs Union sind von Seiten der EU unverändert, nur in anderer Form wieder und wieder vorgelegt. Sie will, dass das Vereinigte Königreich ein Assoziationsabkommen abschließt.
- Immer wieder wird die mögliche Abspaltung Schottlands vom Vereinigten Königreich erwähnt (Drohung), zuletzt von Donald Tusk.
- Auch Gibraltar soll als Druckmittel genutzt werden (Drohung), vgl. dazu The Guardian „EU backs Spain over Gibraltar Claims“.
- Vermutliches Ziel: Entweder GB akzeptiert das Assoziationsabkommen und die EU behält die Regulatorische Oberhoheit über den Markt des Vereinigten Königreichs. Oder beim scheitern das Land zu bestrafen, um so Nachahmer abzuschrecken.
- Rückfallposition: Keine
Das Verhalten des Vereinigten Königreichs im Verlauf des BREXIT:
- UK stimmte in 2016 ab. Das BREXIT Lager gewann mit knapper Mehrheit.
- Darauf folgte Konfusion und Uneinigkeit in den verschiedenen politischen Lagern des Vereinigten Königreichs.
- Infolge der Verwirrung wurden die Verhandlungen hinausgezögert und hingehalten.
- Boris Johnson setzt sich nach langem Ringen durch.
- In der im Dezember 2019 durchgeführten General Election kam es zu einem Erdrutschsieg des BREXIT Lagers.
- Die Zentrale Forderung Großbritanniens war & ist, 100%ige Souveränität. Kontrolle der Zuwanderung, Kontrolle der Regulierungen, etc..
- Ziel Großbritanniens: Ein Free Trade Agreement mit der EU, nach dem Vorbild des EU/Kanada FTA.
- Rückfall Position WTO GATT, GATS & Co. = Most Favoured Nation Prinzip, daneben gutes Verhältnis zum Commonwealth of Nations (54 Mitgliedstaaten, mit stellenweise hohen Wachstumsraten & positiver Demographischer Entwicklung).
Verhalten der Wirtschaft während der BREXIT Ungewissheit:
- Zuerst sah es so aus, als ob die Finanzindustrie aus England abziehen wollte. So suggerierte es jedenfalls die überwiegende Mehrheit der Berichte.
- Die Pläne änderten sich mit der Zeit und erst zuletzt kündigten fast 1500 Europäische Finanzdienstleister neue Dependancen in Großbritannien an.
- Währenddessen die Autoindustrie andeutet, dass sie ihre Produktion nach England verlagern wird. (vgl. dazu Gerüchte um Nissan)
Allgemeine Beobachtungen:
- Im Gegensatz zur EU erscheint die Demographische Entwicklung Großbritanniens positiv.
- In den vergangenen Jahren hat GB die EU in Fragen des Wirtschaftswachstums outperformed.
- GB ist bei der AI Entwicklung der EU mindestens 10 Jahre voraus.
- Viele wirtschaftliche Interessante junge Unternehmungen sind dort aktiv, z.B. H Robotics https://hrobotics.eu/ .
Aktuelle Positionierung hinsichtlich der kommenden Verhandlungen
Die Vermischung von Handelsabkommen mit der Infragestellung der Integrität des Vereinigten Königreichs ist für die EU von großem Nachteil und eine Rückkopplungsschleife ist zu erwarten. Die Drohungen sind leer, denn zwei Punkte wurden anscheinend von der EU nicht bedacht:
- a) Wie soll Schottland finanziert werden? Das Land hat ein Budgetdefizit und ist in einer Position die eher mit der Griechenlands zu vergleichen ist, sollte es sich vom Vereinigten Königreich trennen.
- b) Die Drohung ist nicht vereinbar mit Positionen Spaniens, Frankreichs und Italiens. Es würde bedeuten dass sich Katalonien, das Baskenland, Korsika und Südtirol abspalten könnten. Das bedeutet, dass Schottland niemals aufgenommen werden kann, hier gilt das Einstimmigkeitsprinzip.
- Damit sind es leere Drohungen, welche die schwache Position der EU offenbaren
Drohung mit Handelsbarrieren und Unterbrechungen des Handels führen auch zu keinem Ziel, denn:
- Die Regeln der WTO sind im GATT, GATS & Co. geregelt. Es gilt dann das Most Favoured Nation Prinzip. Natürlich kann es die EU auf einem Konflikt ankommen lassen, doch eine Niederlage vor der WTO wäre absehbar.
- Ein Großteil der EU Fischereigründe liegen innerhalb der britischen Hoheitsgewässer.
- Neben New York ist London das Finanzzentrum der Welt. Die London City ist inoffiziell sogar das größte und am besten vernetzte Finanzzentrum
- Es ist eine weitere leere Drohung
Für was werden sich die Unternehmen entscheiden? Der Markt des Vereinigten Königreichs ist für die EU Unternehmen nicht unbedeutend.
- Die Wahrscheinlichkeit ist groß, sollte die EU an ihrer Ideologisch geprägten Idee festhalten, dass die Unternehmungen zumindest die Produktion für den Britannischen Markt aus den europäischen Ländern auf die Insel verlagern werden. Die komplexen Lieferketten innerhalb der EU lohnen sich nicht, wenn nach WTO Grund Regeln Handel betrieben wird.
- Die Exporte Deutschlands Richtung GB machen ca. 6,3% der gesamten Exporte aus. Ungefähr 20% der Exporte der deutschen Automobilindustrie gehen in den Markt des Vereinigten Königreichs.
- Die Bedenken / Sorgen der deutschen Unternehmungen diesbezüglich wurden in den vergangenen Jahren von der Deutschen Regierung ignoriert.
Die Wahrscheinlichkeit ist leider hoch, dass die EU in ihrer Uneinsichtigkeit auf ihre bisherigen Positionen besteht und weiter Drohungen aussprechen wird. Dafür spricht auch, dass das bisherige Personal, welches die Verhandlungen für die EU geführt hat, nicht ausgetauscht wurde. Die bisherige Lernkurve der EU ist gering. Die Unternehmungen werden mittel- bis langfristig mit ihren Füßen abstimmen und dort hin gehen, wo sie die besten Bedingungen vorfinden werden.
Die EU durch Uneinsichtigkeit in in schwacher Position
Die Forderung nach weniger Zentralisierung manifestiert sich im Wahlerfolg der Nationalistischen Parteien in vielen Mitgliedsstaaten. Die Antwort der EU ist bisher, wir benötigen mehr Zentralisierung und Trennung der Entscheidungsebene von den Wählern, denen man aus Sicht der EU anscheinend nicht vertrauen kann.
Insgesamt sitzt die EU nicht am längeren Hebel und damit wächst das Risiko, dass das Vereinigte Königreich aufgrund der Bedrohung seiner Integrität ohne Vertrag gehen wird.
Dieser Streit würde dann mit Absicht sehr laut ausgetragen werden, um so die öffentliche Wahrnehmung der EU in den Mitgliedsstaaten zu beeinflussen.
Wir können uns hier sicher sein, dass die Verhandlungen und dabei insbesondere das Verhalten der EU in einigen MS sehr genau von der jeweiligen Bevölkerung beobachtet werden wird.
- Dadurch besteht die Gefahr, dass das Ansehen der EU innerhalb der Bevölkerung der verschiedenen MS weiter abnimmt.
- Die Spaltung der EU zwischen Ost-/Zentraleuropa und den westlichen Mitgliedsstaaten, damit die Kluft zwischen den Großen und Kleinen MS, anwächst und der Zerfall beschleunigt wird.
- Die ständige Ungleichbehandlung der Mitglieder, der Umgang mit der Eurokrise, die drakonischen Maßnahmen der Austerität, all das wurde nicht vergessen.
Damit hat Großbritannien einen großen Hebel gegenüber der EU und kann damit deren Zukunft negativ beeinflussen, sollte es denn von Nöten sein.
In einem Streit bei dem die EU die Integrität des Vereinigten Königreichs bedroht, wird es sehr schnell sehr hässlich. Damit wären dann von Seiten 10 Downingstreet alle Mittel zulässig und die oberste Priorität wäre dann die EU zu schwächen.
Mögliche Gegenmaßnahmen bei der weiteren Infragestellung der Integrität des Vereinigten Königreichs durch die EU sind zum Beispiel:
- Eröffnung von Diplomatischen Vertretungen in Katalonien, im Baskenland, Korsika, Südtirol, etc. mit dem Ziel die Rechte und demokratische Selbstbestimmung der dortigen Bevölkerung zu fördern.
- Verweigerung von Fischereirechten für EU MS innerhalb des britischen Hoheitsgebiets.
- usw.
Fazit
Insgesamt ist das Risiko für die EU weitaus höher, als für Großbritannien. Dementsprechend sollte von Seiten der EU gehandelt werden.
Anstatt leere Drohungen auszusprechen, wird es sicherlich sinnvoller sein gemeinsame Interessen hervorzuheben. Es fehlt auf Seiten der EU eine schlüssige in sich geschlossene Verhandlungsposition auf Basis gemeinsamer Interessen, zusätzlich fehlt ihr eine glaubwürdige Rückfallposition.
Sie ist damit in einer wesentlich schwächeren Verhandlungsposition als das Vereinigte Königreich.
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