Bitcoin-Schock, Oracle-Coup & Rheinmetall: Warum der Markt heute Nerven zeigt
Liebe Leserinnen und Leser,
110.000 Dollar – diese magische Marke hat Bitcoin heute erstmals seit Ende September unterschritten, während zeitgleich ein neuer Handelskrieg zwischen Washington und Peking die Märkte erschüttert. Was gestern noch nach einer harmlosen Korrektur aussah, entpuppt sich als handfeste Verkaufswelle: China blockiert Seltene Erden für westliche Militärprojekte, die USA schlagen mit Hafengebühren zurück, und mittendrin kämpfen Tech-Giganten wie Oracle und AMD um die Vorherrschaft im KI-Wettrüsten. Doch während Rüstungsaktien abstürzen und der DAX unter die 24.000er-Marke taucht, gibt es auch überraschende Gewinner dieser Gemengelage.
Der Bitcoin-Rutsch: Wenn 16.000 Dollar in 24 Stunden verpuffen
Stellen Sie sich vor, Sie hätten gestern Morgen bei 115.000 Dollar Bitcoin gekauft. Heute wären Sie bereits 5.000 Dollar im Minus – pro Bitcoin. Die Kryptowährung durchbrach am Vormittag die psychologisch wichtige 110.000-Dollar-Marke und fiel zeitweise auf 109.971 Dollar. Das ist der tiefste Stand seit Ende September, als die Rally nach dem US-Wahlsieg von Donald Trump gerade erst Fahrt aufnahm.
Was treibt diese Panik? Es ist die toxische Mischung aus eskalierendem Handelskonflikt und der Angst vor einer „disorderly correction“, wie der Internationale Währungsfonds es nennt. Die Märkte seien zu selbstgefällig geworden, warnt der IWF – und Bitcoin als volatilster aller Assets bekommt das zuerst zu spüren. Noch vor einer Woche feierte die Krypto-Gemeinde neue Rekorde bei 126.000 Dollar. Jetzt herrscht Katerstimmung.
Besonders bitter: Die Altcoins trifft es noch härter. Das „Altcoin-Casino“, wie Kritiker den Markt für alternative Kryptowährungen nennen, hat praktisch geschlossen. Milliarden an Marktkapitalisierung lösen sich in Luft auf, während Trader verzweifelt ihre Positionen glattstellen.
Oracle macht Ernst: 50.000 AMD-Chips und ein Schlag gegen Nvidia
Während der Kryptomarkt blutet, liefern sich die Tech-Giganten einen spektakulären Schlagabtausch. Oracle verkündete auf seiner „AI World“ in Las Vegas einen Mega-Deal mit AMD: Ab dem dritten Quartal 2026 wird das Unternehmen 50.000 MI450-GPUs in seinen Rechenzentren einsetzen – der erste öffentlich verfügbare KI-Supercluster dieser Art.
Das ist mehr als nur eine Produktbestellung. Es ist eine Kampfansage an Nvidia, das bisher den Markt für KI-Chips dominiert. AMD-Chef Lisa Su dürfte jubeln, während Jensen Huang von Nvidia kontert: Seine Spectrum-X-Technologie verbindet jetzt die Rechenzentren von Meta und Oracle – quasi das „Nervensystem der KI-Fabrik“, wie er es nennt.
Die Börse honorierte zunächst beide Seiten: Oracle-Aktien sprangen gestern um über 5 Prozent, Nvidia legte fast 3 Prozent zu. Doch heute folgt der Kater: Beide Titel rutschen ins Minus, gefangen im Strudel der Handelssorgen. Für deutsche Anleger zeigt sich einmal mehr: Selbst die stärksten Wachstumsstorys sind nicht immun gegen geopolitische Schocks.
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Apropos Chip-Wettrüsten: Wenn Sie tiefer verstehen wollen, welche Unternehmen im globalen Halbleiterkrieg zwischen USA, China und Europa die wahren Profiteure sind, lohnt sich ein Blick in eine aktuelle Analyse zu einem europäischen Chip-Spezialisten, den Experten bereits als „neue Nvidia“ bezeichnen. Eine fundierte Einschätzung mit allen Hintergründen finden Sie hier.
Rheinmetall im Kreuzfeuer: Wenn Erfolg nicht reicht
Eigentlich sollte es ein Triumphzug werden: Rheinmetall verkündete heute gleich zwei Großprojekte – ein Joint Venture mit Polen für gepanzerte Fahrzeuge und einen 300-Millionen-Euro-Auftrag der Bundeswehr für mobile Sanitätseinrichtungen. „Schwerstverletzte können so in Frontnähe versorgt werden“, heißt es aus Düsseldorf. Die erste Lieferung soll 2029 an die deutsche Brigade in Litauen gehen.
Doch die Börse quittiert diese Nachrichten mit einem dicken Minus: Rheinmetall verliert über 2,5 Prozent, RENK stürzt um 4,3 Prozent ab, Hensoldt büßt 3,5 Prozent ein. Der Grund? Chinas neue Exportkontrollen für Seltene Erden treffen die Rüstungsbranche ins Mark. Ohne diese kritischen Rohstoffe keine F-35-Jets, keine modernen Drohnen, keine Hightech-Waffen.
„Ein Schock für die Rüstungsbranche“, kommentieren Analysten. Der Stoxx Europe Aerospace and Defense Index fällt um 2,5 Prozent – der stärkste Tagesverlust seit Monaten. Die Ironie: Während Europa aufrüstet, könnte ausgerechnet China den Stecker ziehen. Für Anleger in Rüstungsaktien eine bittere Pille.
Die deutsche Perspektive: DAX kämpft, Gold glänzt
Der DAX zeigt sich heute wie ein Boxer in den späten Runden: angeschlagen, aber nicht k.o. Nach einem Tagestief bei unter 24.000 Punkten kämpfte sich der Index zurück auf 24.237 Punkte – immer noch ein Minus von 0,6 Prozent, aber deutlich über den Tiefstständen. „Wie erwartet ist das Aufflammen des Handelskonflikts nicht nach einem Tag erledigt“, analysiert Christine Romar von CMC Markets trocken.
Die ZEW-Konjunkturerwartungen, eigentlich leicht gestiegen, verpuffen wirkungslos. Stattdessen suchen Anleger Schutz in sicheren Häfen: Gold kratzt bei 4.180 Dollar je Feinunze an neuen Rekorden – auch wenn es vom Tageshoch bereits wieder etwas nachgegeben hat. Am Anleihemarkt fallen die Renditen, der Ölpreis rutscht auf ein Fünf-Monats-Tief. Die Botschaft ist klar: Risk-off ist das Gebot der Stunde.
Überraschend stark: Volkswagen. Die Wolfsburger legten 1,2 Prozent zu, nachdem der gestrige Analystencall „beruhigend“ ausgefallen sei. Die Kernmarke laufe robust genug, um die Schwäche bei Audi und Porsche auszugleichen, heißt es. Apropos Audi: Die Ingolstädter trennten sich just heute von ihrer einzigen Vorstandsfrau, Beschaffungschefin Renate Vachenauer. „In bestem gegenseitigen Einvernehmen“, wie es offiziell heißt. Die Realität dürfte prosaischer sein.
Was diese Woche noch wichtig wird
Die Märkte stehen vor einer Zerreißprobe. Morgen legt ASML seine Quartalszahlen vor – die niederländische Chip-Equipment-Schmiede gilt als Gradmesser für die gesamte Halbleiterbranche. Nach dem heutigen Minus von über 3 Prozent bei Nvidia und AMD wird jedes Wort auf die Goldwaage gelegt.
Am Donnerstag richtet sich der Blick dann auf die Europäische Zentralbank. Zwar steht die nächste Zinsentscheidung erst am 30. Oktober an, doch die Märkte spekulieren bereits auf weitere Lockerungen angesichts der schwächelnden Konjunktur. Und dann ist da noch TKMS: Die Thyssenkrupp-Marine-Tochter geht am kommenden Montag an die Börse. Ob das der Mutter-Aktie endlich Auftrieb gibt? Die Skepsis überwiegt.
Was bleibt, ist ein Markt im Spannungsfeld zwischen KI-Euphorie und Handelskriegs-Angst, zwischen Rekord-Gold und Bitcoin-Crash. Die alte Börsenweisheit „Politische Börsen haben kurze Beine“ mag stimmen. Doch wenn China den Rohstoffhahn zudreht und die USA mit Zöllen kontern, könnten diese Beine länger werden als manchem lieb ist.
Bleiben Sie wachsam und lassen Sie sich nicht von der Volatilität aus der Ruhe bringen,
Ihr Andreas Sommer