Microsoft, Nestlé & Bitcoin: Techriesen rüsten auf, während Krypto-Millionäre explodieren
Liebe Leserinnen und Leser,
während Microsoft in der Schweiz zur innovativsten Firma gekürt wird und massiv in KI-Infrastruktur investiert, überrascht der Kryptomarkt mit einem Rekord der besonderen Art: Trotz September-Schwäche wächst die Zahl der Bitcoin-Millionäre um satte 40 Prozent. Gleichzeitig zeigt sich bei etablierten Konzernen wie Nestlé und SAP, dass selbst Branchenführer vor turbulenten Zeiten stehen. Was diese scheinbar unzusammenhängenden Entwicklungen verbindet? Ein tiefgreifender Wandel, der gerade erst begonnen hat.
Die stille Revolution der Tech-Giganten
Microsoft macht Ernst mit der digitalen Transformation – und das nicht nur in den USA. In der Schweiz wurde der Konzern gerade als innovativstes Unternehmen ausgezeichnet, nachdem er 400 Millionen Dollar in lokale Cloud- und KI-Infrastruktur gepumpt hat. Das Bemerkenswerte: Während alle Welt über ChatGPT spricht, baut Microsoft im Hintergrund die kritische Infrastruktur für die nächste Wirtschaftsepoche.
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Über 50.000 Schweizer Kunden, 4.600 Partner und die ambitionierte Mission, bis 2027 eine Million Menschen in KI-Kompetenzen zu schulen. Doch Microsoft ist nicht allein auf diesem Kriegspfad. HashiCorp, frisch von IBM übernommen, präsentiert mit „Project infragraph“ eine Technologie, die Infrastructure-as-Code auf ein völlig neues Level heben könnte. Die Vision? Eine KI, die nicht nur Infrastruktur überwacht, sondern eigenständig optimiert und Probleme löst, bevor sie entstehen.
Besonders brisant: Microsofts Entscheidung, Cloud-Dienste für eine israelische Verteidigungseinheit nach internen Untersuchungen zu deaktivieren. Brad Smith betonte: „Wir stellen keine Technologie für Massenüberwachung zur Verfügung.“ Ein Balanceakt zwischen Geschäftsinteressen und ethischen Prinzipien, der zeigt, wie komplex die neue Tech-Welt geworden ist.
Krypto-Boom trotz Korrektur: Die neue Vermögensklasse etabliert sich
162 Milliarden Dollar Marktwert vernichtet – so lautet die September-Bilanz des Kryptomarktes. Doch hinter dieser Schreckenszahl verbirgt sich eine erstaunliche Entwicklung: Die Anzahl der Krypto-Millionäre ist laut Henley & Partners um 40 Prozent auf 241.700 Personen gestiegen. Noch spektakulärer: 36 Menschen weltweit besitzen mittlerweile Krypto-Vermögen von über einer Milliarde Dollar.
Was treibt diesen scheinbaren Widerspruch? PayPal liefert einen Teil der Antwort. Der Zahlungsdienstleister hat sich mit der DeFi-Plattform Spark zusammengetan, um seinem Stablecoin PYUSD binnen Wochen eine Milliarde Dollar Liquidität zu verschaffen. „Predictable access to deep liquidity is what allows stablecoins to scale quickly“, erklärt Sam MacPherson von Spark – und genau das scheint zu funktionieren. Mit über 8 Milliarden Dollar verfügbarem Kapital schafft Spark eine Brücke zwischen traditionellem Finanzwesen und DeFi.
Die Staking-Revolution geht unterdessen weiter: iTrustCapital ermöglicht nun Ethereum-Staking direkt in steueroptimieren Crypto-IRAs. Ein cleverer Schachzug, der Krypto endgültig im Mainstream-Investment-Universum verankert. Analysten wie Tom Lee von Fundstrat werden noch optimistischer: 12.000 bis 15.000 Dollar für Ethereum bis Jahresende – eine potenzielle Verdreifachung vom aktuellen Niveau.
Traditionelle Konzerne im Umbruch
Während Tech und Krypto boomen, kämpfen etablierte Konzerne mit eigenen Herausforderungen. SAP gerät ins Visier der EU-Kartellwächter – Vorwurf: möglicher Machtmissbrauch im lukrativen Wartungsgeschäft. Die Aktie reagierte prompt mit einem Minus von über 2 Prozent. Der Zeitpunkt könnte kaum ungünstiger sein, steht doch die gesamte Enterprise-Software-Branche vor dem größten Umbruch seit Jahrzehnten durch generative KI.
Bei Nestlé zeigt sich derweil, wie global verflochten moderne Konzerne agieren. Die Ernennung von Alfonso Gonzalez Loeschen zum neuen Nespresso-CEO mag wie eine normale Personalentscheidung wirken. Doch dahinter steckt mehr: Der Mann, der Nespresso in Nordamerika zu zweistelligem Wachstum führte, soll nun global die Premium-Kaffeemarke gegen aggressive Newcomer verteidigen. Ein Kampf, der sich längst nicht mehr nur um Kapseln dreht, sondern um digitale Ökosysteme und Kundenbindung.
ThyssenKrupp liefert unterdessen ein düsteres Bild der deutschen Industrie: 270 Jobs in Sachsen fallen dem schwachen E-Auto-Markt zum Opfer. Die Batteriemontage-Anlagen finden keine Abnehmer mehr – ein Menetekel für die gesamte Zulieferindustrie. Gleichzeitig expandiert Rheinmetall munter weiter und plant eine neue Munitionsfabrik in Lettland. Die Rüstungsindustrie als einer der wenigen verbliebenen Wachstumsmärkte Europas? Eine bittere Ironie der Geschichte.
Die unterschätzte Revolution bei Intel
Besonders spannend entwickelt sich die Situation bei Intel. Während alle Welt auf Nvidia starrt, bahnt sich beim ehemaligen Chip-König möglicherweise eine spektakuläre Wende an. Apple führt Gespräche über ein mögliches Investment – ausgerechnet Apple, das Intel vor Jahren als Lieferanten fallen ließ. Zusammen mit Nvidias angekündigten 5 Milliarden Dollar könnte Intel plötzlich zum bestfinanzierten Turnaround-Kandidaten der Tech-Geschichte werden.
Die Aktie erreichte bereits ein 52-Wochen-Hoch bei 32,38 Dollar. Analysten bleiben gespalten: Kursziele reichen von 14 bis 43 Dollar. Doch die strategische Bedeutung geht weit über Kursziele hinaus. Mit neuen API-Produktionsstätten in Virginia und Texas positioniert sich Intel als amerikanische Antwort auf die asiatische Chip-Dominanz. Ein Spiel mit geopolitischen Dimensionen.
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Apropos Chip-Sektor: Wer sich fragt, welche Unternehmen jenseits von Nvidia, Intel oder TSMC zu den Hidden Champions gehören könnten, sollte genauer hinschauen. Im Rahmen einer aktuellen Analyse habe ich interessante Einblicke in ein europäisches Halbleiter-Unternehmen erhalten, das von Insidern bereits als „neue Nvidia“ gehandelt wird – mit entsprechender Hebelwirkung auf die kommenden Investitionswellen. Wer die Details kennen will, findet sie hier: Zur Analyse des möglichen Nachfolgers von Nvidia.
Blick nach vorn: Das Q4-Momentum baut sich auf
Die Märkte stehen vor entscheidenden Wochen. Der September-Fluch scheint gebrochen, doch die wahre Bewährungsprobe kommt erst. Die US-Notenbank navigiert zwischen Inflationssorgen und Arbeitsmarktdaten, während die Earnings-Season unmittelbar bevorsteht.
Drei Termine sollten Sie im Auge behalten: Nestlés Q3-Zahlen am 16. Oktober könnten zeigen, ob die Konsumgüterriesen die Inflation verdaut haben. Ende Oktober wissen wir, wer das milliardenschwere FAA-Projekt zur Modernisierung der US-Flugsicherung managen wird – IBM und Parsons sind im Rennen. Und spätestens wenn Orforglipron von Eli Lilly auf den Markt kommt, wird sich zeigen, ob die GLP-1-Revolution eine zweite Welle erlebt.
Was bleibt, ist die Erkenntnis: Die Grenzen zwischen Old und New Economy verschwimmen zusehends. Microsoft wird zum Infrastruktur-Giganten, PayPal zum DeFi-Player, und selbst Nestlé muss sich neu erfinden. In dieser Gemengelage entstehen die Gewinner von morgen – aber auch spektakuläre Verlierer. Die Kunst liegt darin, die Signale richtig zu deuten.
Mit analytischen Grüßen
Andreas Sommer