Thyssenkrupp ist endlich am Ziel. Nach zwei Jahren intensiver Verhandlungen mit der indischen Tata Steel und immer wieder aufkommenden Unsicherheiten über das Gelingen des Projektes konnten beide Konzerne vor wenigen Tagen endlich den Vollzug melden.
Zukünftig läuft das Stahlgeschäft von Thyssenkrupp zusammen mit den Europa-Werken des bisherigen Konkurrenten in einem Gemeinschaftsunternehmen. Dieses kommt auf einen Jahresumsatz von rund 17 Milliarden Euro, die mit fast 50.000 Beschäftigten erwirtschaftet werden.
Umsatzanteil des Stahlgeschäftes schrumpft dramatisch
Dadurch entlastet sich Thyssenkrupp von einem jahrelangen Verlustbringer und einem immer wieder konjunkturanfälligen Geschäft. Wie Thyssenkrupp-Chef Heinrich Hiesinger dazu erklärte, wird die bisherige Abhängigkeit vom Stahlgeschäft, das bisher 40 % des Umsatzes ausmachte, signifikant gesenkt. Zukünftig sollen es nur noch 5 % Umsatzanteil sein.
Damit hat Thyssenkrupp die größte Veränderung in seiner 200-jährigen Geschichte zu einem vorerst glücklichen Ende gebracht, aber sich auch von seinen traditionellen Wurzeln getrennt.
Wie nachhaltig ist die neue Firmenstruktur?
In Zukunft will man der inzwischen geläufigen Bezeichnung „Industriekonzern“ voll und ganz gerecht werden und sich auf das Geschäft mit Aufzügen, U-Booten, Großanlagen und Automotive konzentrieren. Doch dürfte schon jetzt klar sein, dass es bei dieser Struktur kaum bleiben wird, auch wenn Hiesinger nicht müde wird, die jetzt erreichte Struktur zu loben und ihr die besten Perspektiven zu bescheinigen. Das Problem:
Thyssenkrupp muss mit zwei wesentlichen Gegenkräften umgehen. Das betrifft zum einen das operative Umfeld. Hier geht es insbesondere um das Werft-Geschäft inklusive U-Boot Bau. Wir hatten in unserer Branchenanalyse zum deutschen Marinebau bereits aufgezeigt, dass die deutschen Werften durch neue europäische Allianzen deutlich ins Hintertreffen geraten könnten.
Die jüngsten Entwicklungen, wie beispielsweise das Außenvorlassen von Thyssenkrupp beim neuen geplanten Mehrzweckkampfschiff für die Bundesmarine, zeigen deutlich, dass die deutschen Werften nicht, wie in anderen Ländern üblich, auf politische Schützenhilfe hoffen können. Entsprechend hatte Thyssenkrupp schon einmal den Verkauf seiner Werften thematisiert, was letztlich auch den U-Boot-Bau betreffen würde.
Investoren machen Thyssenkrupp das Leben schwer
Deutlich publikumswirksamer sind allerdings die immer wieder erneuerten Attacken von aktivistischen Investoren. Bekanntlich drängt schon seit langem der schwedische Großaktionär Cevian auf eine Abspaltung weiterer Unternehmensteile. Dabei hatte man sich kürzlich dem US-Hedgefonds Elliott mit an die Seite geholt. Deren fortwährende Forderungen nach einer Aufspaltung des Industriekonzerns erteilte bislang Firmenchef Hiesinger zwar eine Absage. Doch sie hinterlassen Spuren.
So könnte nicht nur das Werftgeschäft zum Verkauf stehen, sondern auch das Geschäft mit dem Werkstoffhandel. Im Gegenzug könnten die Erlöse in Zukäufe für die tatsächlichen Technologie-Sparten genutzt werden. Was inzwischen auch bei den Analysten zu einem Umdenken führt.
Neue Ansätze der Analysten
So hat sich ganz aktuell die Schweizer Investmentbank UBS zu Wort gemeldet. Deren verantwortlicher Analyst hat Thyssenkrupp neu auf Kaufen hochgestuft und das mit einem Kursziel von stattlichen 30 Euro. Dies entspräche einem aktuellen Potenzial von rund 42 %.
Dass die UBS zu solch einer hohen Bewertung kommt, liegt letztlich daran, dass nun die möglichen Umstrukturierungen mit eingerechnet werden. Wie der Analyst mitteilte, habe er deshalb seinen Bewertungsansatz dermaßen verändert, dass er nun die einzelnen Teile bewertet, was am Ende halt zu dem höheren Ziel und der Kaufempfehlung führte.
Kurz- und Langfrist-Potenzial von Thyssenkrupp
Nun wird es spannend! Denn Thyssenkrupp ist von seiner bisherigen schlechten Kursentwicklung in den letzten zwölf Monaten eine Turnaround-Story. Allerdings eine mit einer durchaus komplizierten Charttechnik. Denn aktuell hängt die Aktie noch klar in einem Abwärtstrend. Insofern könnte die erste Stufe einer neuen Spekulation nur dahin gehen, dass vorerst der obere Rand dieses Kanals erreicht werden könnte. Das wären immerhin schon einmal und 14 % Kurschance.