Die Bank of Canada (BoC) hat am Mittwoch ihre Zinssenkungsserie unterbrochen und den Leitzins bei 2,75% belassen. Nach sieben aufeinanderfolgenden Senkungen seit Juni letzten Jahres markiert diese Entscheidung einen vorsichtigen Strategiewechsel in einem Umfeld globaler Handelsunsicherheit. Die Notenbank warnt vor dramatischen wirtschaftlichen Folgen potentieller US-Zölle und prognostiziert im Extremfall sogar eine tiefe Rezession für die kanadische Wirtschaft.
Zinspause trotz abkühlender Inflation
Die Entscheidung der kanadischen Notenbank fiel in einem Umfeld wachsender wirtschaftlicher Unsicherheit. Obwohl die Inflation im März auf 2,3% zurückging und für April ein weiteres Absinken auf etwa 1,5% erwartet wird, entschied sich der Governing Council für eine Pause im Lockerungszyklus. Diese vorsichtige Haltung spiegelt die Sorgen über die zunehmenden Handelsspannungen wider.
"Offensichtlich war es eine schwierige Entscheidung", kommentierte Doug Porter, Chefvolkswirt bei BMO Capital Markets. "Der Markt war viel unentschlossener – ebenso wie die Ökonomen – als es normalerweise vor einer Entscheidung der Bank of Canada der Fall ist, und das verständlicherweise angesichts der intensiven Unsicherheit."
Der zukünftige Kurs der Geldpolitik bleibt dabei offen. BoC-Gouverneur Tiff Macklem deutete an, dass die Bank bereit sei, "entschlossen zu handeln, wenn eingehende Informationen klar in eine Richtung weisen". Dieser flexible Ansatz unterstreicht die Bereitschaft der Zentralbank, auf sich schnell verändernde wirtschaftliche Bedingungen zu reagieren.
Dramatische Szenarien für Kanadas Wirtschaft
In einer ungewöhnlichen Abkehr von der Praxis veröffentlichte die Notenbank keine regulären Wirtschaftsprognosen. Stattdessen präsentierte sie zwei mögliche Szenarien für die wirtschaftliche Entwicklung Kanadas – ein Zeichen für die beispiellose Unsicherheit.
Im ersten Szenario geht die Bank davon aus, dass die meisten US-Zölle nach Verhandlungen zurückgenommen werden. Dies würde das BIP-Wachstum im zweiten Quartal zwar zum Stillstand bringen, aber eine moderate Expansion danach erlauben, während die Inflation auf 1,5% sinken würde, bevor sie wieder zum 2%-Ziel zurückkehrt.
Das zweite, deutlich düsterere Szenario zeichnet ein Bild eines eskalierenden globalen Handelskriegs. Unter diesen Umständen prognostiziert die BoC eine "signifikante Rezession" für die kanadische Wirtschaft, die ein Jahr andauern würde, während die Inflation bis Mitte 2026 auf 3,5% ansteigen könnte. Macklem betonte, dass in diesem Szenario die US-Zölle "dauerhaft das Produktionspotenzial Kanadas verringern und den Lebensstandard des Landes senken würden."
"Diese sind nur zwei von vielen möglichen Szenarien, und selbst diese decken nicht alle möglichen Ergebnisse ab", warnte Macklem.
Globale wirtschaftliche Verunsicherung nimmt zu
Die Unsicherheit beschränkt sich nicht auf Kanada. Die Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) prognostizierte am Mittwoch, dass das globale Wirtschaftswachstum aufgrund der anhaltenden Handelsspannungen und Unsicherheit auf 2,3% sinken könnte – ein deutlicher Rückgang gegenüber den 2,8% im Jahr 2024.
Während die angespannte Handelspolitik die Aussichten verdüstert, zeigen die Inflationsdaten aus Europa gemischte Signale. In der Eurozone sank die Inflation im März auf 2,2%, leicht unter dem Februar-Wert von 2,3%. Die Inflationsraten variieren jedoch erheblich zwischen den Mitgliedstaaten, mit den niedrigsten Werten in Frankreich (0,9%) und den höchsten in Rumänien (5,1%).
In Italien stieg die jährliche Inflationsrate im März 2025 auf den höchsten Stand seit 18 Monaten und erreichte 1,9%, verglichen mit 1,6% im Vormonat. Diese Entwicklung deutet auf eine anhaltende Stabilisierung des Preiswachstums in wichtigen Sektoren des italienischen Verbraucherkorbs hin.
Verbraucherverhalten trotz Unsicherheit robust
Trotz der wirtschaftlichen Unsicherheit gibt es auch positive Signale. In Großbritannien zeigen Daten von Barclays einen Anstieg der Verbraucherausgaben um 4,4% im Jahresvergleich in den vier Wochen bis zum 4. April. Dieser Anstieg wird vor allem durch diskretionäre Ausgaben getrieben und ist in allen Altersgruppen zu beobachten, wobei Online-Käufe stärker zulegen als Offline-Einkäufe.
Die Barclays-Analyse zeigt, dass Sektoren wie digitale Inhalte, Einzelhandel und Reisen im letzten Monat das stärkste Wachstum verzeichneten. Bemerkenswert ist auch, dass der Bekleidungseinzelhandel zum ersten Mal seit etwa sechs Monaten wieder positive Entwicklungen aufweist.
Marktreaktionen und Experteneinschätzungen
Die Märkte reagierten gemischt auf die Zinsentscheidung der Bank of Canada. Vor der Entscheidung lag die Wahrscheinlichkeit einer Zinspause bei rund 56%, nachdem die überraschend kühleren Inflationsdaten vom Dienstag die Erwartungen einer weiteren Zinssenkung verstärkt hatten.
Stephen Brown, stellvertretender Chefökonom für Nordamerika bei Capital Economics, kommentierte: "Die Entscheidung der Bank of Canada, die Zinssätze heute unverändert bei 2,75% zu belassen, war angesichts der jüngsten über dem Zielwert liegenden Kernpreissteigerungen, der Sorgen über künftige Preiserhöhungen und der Unsicherheit über das Ausmaß, in dem die Wirtschaft zusätzliche politische Unterstützung benötigt, nicht überraschend. Dennoch waren die Kommunikationen der Bank größtenteils taubenhaft."
Nick Rees, Senior FX-Marktanalyst bei Monex Europe Ltd, fügte hinzu: "Während der Konsens vor der heutigen Zinsentscheidung gespalten war, denken wir nicht, dass es überraschen sollte, dass der Governing Council beschlossen hat, seinen Lockerungszyklus in dieser jüngsten Entscheidung zu pausieren."
Ausblick bleibt ungewiss
Die zukünftige Richtung der kanadischen Geldpolitik bleibt angesichts der unvorhersehbaren Handelspolitik und deren wirtschaftlichen Auswirkungen höchst ungewiss. Experten wie Ethan Currie und Warren Lovely von der National Bank of Canada erwarten, dass die aktuelle Pause nicht das Ende des Zinssenkungszyklus bedeutet und prognostizieren eine weitere Senkung auf der Juni-Sitzung.
Andrew Kelvin, Leiter der kanadischen und globalen Zinsstrategie bei TD Securities, prognostiziert: "Ich erwarte, dass sich die Schwäche anhäufen wird und die Bank gezwungen sein wird, die Zinsen erneut zu senken."
Die Bank of Canada betonte in ihrer Erklärung, dass die Geldpolitik zwar "Handelsunsicherheiten nicht lösen oder die Auswirkungen eines Handelskriegs ausgleichen kann", aber sie "muss für Preisstabilität für die Kanadier sorgen."
Während die Weltwirtschaft mit den Folgen zunehmender Handelsspannungen und geopolitischer Unsicherheiten kämpft, werden die nächsten Schritte der Zentralbanken entscheidend sein, um wirtschaftliche Stabilität zu gewährleisten und gleichzeitig die Inflation unter Kontrolle zu halten.