Die Eskalation des Handelskonflikts zwischen den USA und China hat dramatische Ausmaße erreicht. Nachdem US-Präsident Donald Trump drastische Zölle von kumulativ 145% gegen chinesische Waren verhängt hat, schlug Peking mit Vergeltungszöllen von 125% zurück. Experten warnen vor weitreichenden Konsequenzen für die Weltwirtschaft.
Wettlauf vor dem Zollschock
Die jüngsten Handelsdaten aus China offenbaren einen unerwarteten Exportboom im März. Die Ausfuhren stiegen um beeindruckende 12,4% im Vergleich zum Vorjahr – deutlich über den von Analysten prognostizierten 4,4%. Hinter diesem Anstieg steckt eine klare Strategie: Chinesische Hersteller haben ihre US-Lieferungen beschleunigt, um der Zollwelle zuvorzukommen.
"Wir sehen hier ein klassisches Frontloading", erklärt ein Marktbeobachter. "Die Unternehmen haben so viele Waren wie möglich verschifft, bevor die neuen Zölle in Kraft treten." Dieser Effekt war nicht auf China beschränkt. Auch deutsche Exporteure verzeichneten starke Zuwächse bei US-Lieferungen, mit einem Plus von 8,5% im Februar.
Während die Exporte boomten, präsentiert sich die Importseite deutlich schwächer. Die chinesischen Einfuhren sanken im März um 4,3% und damit stärker als die erwarteten 2%. Diese Divergenz führte zu einem Handelsüberschuss von 102,64 Milliarden Dollar – ein Wert, der Donald Trumps Fokus auf Handelsbilanzdefizite weiter befeuern dürfte.
Düstere Wachstumsprognosen
Die wirtschaftlichen Aussichten für China verdunkeln sich angesichts des eskalierenden Handelskrieges zusehends. Goldman Sachs hat seine Wachstumsprognose für Chinas BIP 2025 von 4,5% auf 4% gesenkt. Citigroup folgte mit einer Anpassung von 4,7% auf 4,2%. Beide Schätzungen liegen deutlich unter dem offiziellen Regierungsziel von "rund 5%".
Noch alarmierender ist die Einschätzung der Welthandelsorganisation, wonach der Handelskonflikt den Warenaustausch zwischen den beiden größten Volkswirtschaften um bis zu 80% einbrechen lassen könnte. Barclays-Analysten prognostizieren einen möglichen BIP-Rückgang Chinas zwischen 1,5% und 3%.
Die chinesische Führung bereitet sich auf schwierige Zeiten vor. Peking hat angekündigt, "bis zum Ende gegen US-Zölle zu kämpfen" und die Wirtschaft vor "externen Schocks" zu schützen. Marktbeobachter erwarten verstärkte fiskalische und geldpolitische Stimulusmaßnahmen in den kommenden Monaten, um das Wachstum zu stützen.
Globale Märkte in Aufruhr
Die chaotische Zollpolitik Trumps sorgt an den internationalen Finanzmärkten für Nervosität. Nach der überraschenden Ankündigung, Smartphones und bestimmte Elektronikprodukte vorläufig von den Strafzöllen auszunehmen, kündigte Trump am Sonntag an, separate Zölle auf Halbleiter innerhalb der nächsten Woche zu verhängen.
Diese unberechenbare Politik macht langfristige Investitionsentscheidungen für Unternehmen nahezu unmöglich. "Die Unsicherheit ist das Schlimmste", kommentiert ein Marktanalyst. "Niemand weiß, wo und wann der nächste Zollschlag erfolgt."
Die Aktienmärkte reagierten verhalten positiv auf die teilweise Aussetzung der Elektronikzölle. S&P 500-Futures stiegen um 0,8%, Nasdaq-Futures um 1,2%. Europäische Aktien zeigten sich sogar noch stärker – möglicherweise in der Hoffnung, dass Trump bei weiteren Zöllen zurückrudern könnte.
Währungsmärkte im Umbruch
Der Dollar gerät unter massiven Druck. Die amerikanische Währung fiel unter die Marke von 143 Yen und setzte damit den Abwärtstrend der Vorwoche fort, als sie gegenüber dem Schweizer Franken bereits 5% einbüßte. Der Euro nähert sich der Marke von 1,14 Dollar.
Besonders bemerkenswert: Selbst risikoreichere Währungen wie der australische und neuseeländische Dollar legten zu – ein deutliches Zeichen dafür, dass der Status des US-Dollars als sicherer Hafen ins Wanken gerät.
Japanische Regierungsvertreter bereiten sich laut Berichten auf Handelsgespräche mit den USA vor, die wahrscheinlich auch die Währungspolitik berühren werden. Einige Beamte rechnen intern bereits damit, dass Washington Tokio auffordern könnte, den Yen zu stützen.
Japans Premierminister Shigeru Ishiba warnte am Montag in ungewöhnlich deutlichen Worten: "Ich bin mir vollkommen bewusst, dass die bisherigen Entwicklungen das Potenzial haben, die globale Wirtschaftsordnung zu stören." Auch Bank of Japan-Gouverneur Kazuo Ueda äußerte sich besorgt und erklärte, die US-Zölle würden "wahrscheinlich über verschiedene Kanäle Abwärtsdruck auf die globale und japanische Wirtschaft ausüben".
Chinas Gegenstrategien
Peking wird nicht tatenlos zusehen. Barclays-Analysten erwarten substanzielle fiskalische Stimulusmaßnahmen, darunter ultra-langfristige Staatsanleihen bis zum Sommer. Ein besonderer Schwerpunkt dürfte auf Maßnahmen zur Unterstützung der Haushaltsfinanzen und der Konsumausgaben liegen.
Zusätzlich werden erhöhte Investitionen in Chinas Künstliche-Intelligenz-Sektor erwartet, um das Wachstum anzukurbeln. Gleichzeitig könnten verstärkte Handelsbeziehungen zu anderen wichtigen Partnern die Abhängigkeit vom US-Markt reduzieren.
Bemerkenswert ist auch der Anstieg der chinesischen Exporte von Seltenen Erden im März um 20,31% im Vergleich zum Vorjahr. Ausländische Abnehmer scheinen Vorräte aufzustocken, aus Sorge vor weiteren Preissteigerungen durch Lieferunterbrechungen in Myanmar. Im ersten Quartal 2025 stiegen die Exporte dieser strategisch wichtigen Rohstoffe um 5,1% auf 14.177,6 Tonnen.
Ausblick: Wirtschaft am Scheideweg
Die kommenden Wochen werden entscheidend für die weitere Entwicklung des Handelskonflikts sein. Die Handelsdaten für April dürften ein klareres Bild davon vermitteln, wie stark der chinesische Handel durch den Zollkrieg beeinträchtigt wird.
Trotz aller Gegenmaßnahmen warnen Experten vor deflationären Effekten in China. "Obwohl wir erwarten, dass die Regierung die Konjunkturmaßnahmen verstärken wird, denken wir, dass der eskalierende Handelskrieg zwischen China und den USA eine deflationäre Wirkung haben wird, da der Abwärtsdruck auf die Exporte Chinas Probleme mit Überkapazitäten verschärfen würde", schreiben Barclays-Analysten.
Die Börsen werden besonders aufmerksam die Äußerungen von Fed-Chef Powell verfolgen, der am Mittwoch beim Economic Club of Chicago sprechen wird. Angesichts der massiven Verschiebungen im globalen Handel rechnen Märkte mit einer 20%igen Wahrscheinlichkeit für eine Zinssenkung im Mai und einer fast 80%igen Wahrscheinlichkeit für Juni.
Eine wirtschaftliche Kollision der Supermächte scheint unvermeidlich – mit potenziell verheerenden Folgen für die globale Wirtschaftsordnung.