Geopolitische Schockwellen erschüttern Weltwirtschaft

Handelskonflikte und Zollmaßnahmen führen zu hoher Volatilität und Unsicherheit an den Märkten. Wie reagieren Unternehmen und Zentralbanken?

Geopolitische Schockwellen erschüttern Weltwirtschaft
Kurz & knapp:
  • S&P 500 deutlich unter Höchststand
  • EZB senkt Zinsen erneut
  • China mit Kreditwürdigkeits-Herabstufung
  • Tesla-Aktie unter starkem Druck

Die globalen Märkte befinden sich in Aufruhr, während Donald Trumps radikale Handelspolitik die Weltwirtschaft in ein neues Zeitalter der Unsicherheit stürzt. Die am 2. April verkündeten umfassenden Zölle haben eine Marktvolatilität ausgelöst, wie sie zuletzt während der COVID-19-Pandemie zu beobachten war. Der S&P 500 liegt mittlerweile 14% unter seinem Februar-Höchststand, während Investoren nervös auf die bevorstehende US-Berichtssaison blicken, bei der Tech-Giganten wie Tesla und Alphabet besondere Aufmerksamkeit genießen werden.

Globale Handelsspannungen verschärfen sich

Japans Regierung warnte in ihrem jüngsten Monatsbericht explizit vor den Unsicherheiten der US-Handelspolitik und betonte, dass die "Abwärtsrisiken für die wirtschaftliche Prognose aufgrund der Zölle von Präsident Trump zunehmen". Obwohl Trump "große Fortschritte" in den Zollgesprächen mit Japan verkündete, plant Tokio eine weitere Verhandlungsrunde noch in diesem Monat – ein Zeichen für die angespannte Lage.

Die Europäische Zentralbank (EZB) reagierte bereits mit ihrer siebten Zinssenkung in diesem Zyklus auf die drohenden wirtschaftlichen Folgen. EZB-Präsidentin Christine Lagarde sprach von "außergewöhnlicher Unsicherheit" durch die Handelsspannungen und strich den Hinweis auf "restriktive" Zinsen aus der Erklärung – ein deutliches Signal für weitere Lockerungen. Die Märkte preisen nun mit 75-prozentiger Wahrscheinlichkeit eine Zinssenkung im Juni ein, während bis Jahresende mit Senkungen um insgesamt 65 Basispunkte gerechnet wird.

Unterdessen gerät China zunehmend in den Fokus der US-Handelspolitik. Der enorm wichtige Handelspartner kämpft bereits mit einer schwächelnden Wirtschaft – im ersten Quartal 2025 sanken die Steuereinnahmen um 3,5%, während die Staatsausgaben um 4,2% anstiegen. Die Rating-Agentur Fitch reagierte mit einer Herabstufung der chinesischen Kreditwürdigkeit und verwies auf die rapide steigende Staatsverschuldung und Risiken für die öffentlichen Finanzen.

Die Mar-a-Lago-Doktrin und der Kampf um den Dollar

Im Hintergrund gewinnt die sogenannte "Mar-a-Lago-Doktrin" an Bedeutung – ein Konzept, das laut UBS-Strategen die globale Dominanz des US-Dollars bewahren, aber gleichzeitig seinen Wert absichtlich schwächen soll. Die Maßnahmen zielen darauf ab, die Renditen von US-Staatsanleihen zu senken und die Kosten für den amerikanischen Schuldendienst zu reduzieren, teilweise durch gezieltes Vorgehen gegen ausländische Inhaber von US-Staatsanleihen.

"Das Einbehalten von einem Prozent der Zinsen von allen ausländischen Anleiheinhabern würde die Ausgaben um 34 Milliarden Dollar reduzieren", so die UBS-Strategen. Diese Schritte fallen unter das, was Ökonomen als "finanzielle Repression" bezeichnen – ein Zustand, in dem Regierungen regulatorische Befugnisse nutzen, um die Kreditkosten zu senken.

Die UBS warnt, dass solche Ideen, falls umgesetzt, den Status von US-Staatsanleihen als sicherer Hafen gefährden und zu sprunghaften Anstiegen der langfristigen Renditen führen könnten. Für Anleger könnte dies eine Neuausrichtung hin zu anderen hochwertigen Staatsanleihen, sicheren Währungen und Gold bedeuten. "Wir haben bereits gesehen, dass Anleger verstärkt in Gold investieren, um ihr Dollar-Engagement zu reduzieren und von den potenziellen Diversifikationsvorteilen zu profitieren", schreiben die Strategen.

Die extrem hohe Bewertung des Dollars, gepaart mit anhaltenden Zwillingsdefiziten (Haushalts- und Leistungsbilanzdefizit), macht eine drastische Abwärtskorrektur immer wahrscheinlicher, sollten solche Politiken Fuß fassen.

Unternehmen im Sturm der Handelskonflikte

Die anstehende US-Berichtssaison wird zeigen, wie Unternehmen mit der neuen Realität umgehen. Ein wegweisendes Beispiel lieferte bereits United Airlines, das zwei Szenarien für das laufende Jahr skizzierte – einschließlich einer Warnung vor erheblichen Einbußen bei Umsatz und Gewinn im Falle einer Rezession. Diese Art von "dualer Prognose" bietet einen "Fahrplan", indem sie Risiken anerkennt und quantifiziert, so Julian Emanuel, Leiter der Aktien- und Derivatestrategie bei Evercore ISI.

Besonders im Rampenlicht steht Tesla, das seine Ergebnisse am 22. April vorlegen wird – nicht zuletzt wegen der engen Verbindungen von CEO Elon Musk zu Präsident Trump. Die Aktie des Elektroautobauers ist in diesem Jahr bereits um 40% gefallen, was die Nervosität der Anleger widerspiegelt.

Auch der italienische Luxusmodekonzern Valentino spürt die globalen Auswirkungen. Der Betriebsgewinn des Unternehmens sank im Jahr 2024 um 22% auf 246 Millionen Euro, während der Umsatz bei konstanten Wechselkursen um 2% auf 1,31 Millionen Euro zurückging. Die europäischen Luxusgruppen hatten auf wohlhabende Amerikaner als Wachstumsmotor gesetzt, während die Aussichten für China trüb blieben. Doch nach Trumps Zollpolitik stellt sich die Branche auf die möglicherweise längste Flaute seit Jahren ein.

China-Taiwan-Spannungen verschärfen Risikobild

Die wirtschaftlichen Turbulenzen werden durch geopolitische Risiken weiter verstärkt. BCA Research hat die Wahrscheinlichkeit einer militärischen Eskalation zwischen China und Taiwan auf 35% für die nächsten 12 Monate angehoben, wobei 10% auf einen umfassenden Konflikt und 25% auf einen begrenzten oder Stellvertreterkrieg entfallen.

Die Analysten sehen ein "Abrechnung"-Szenario, in dem die USA versuchen, Chinas Wirtschaftswachstum dauerhaft zu beeinträchtigen und die Umgehung von Zöllen zu blockieren. "Präsident Trump hat gerade die Zölle auf ein Niveau angehoben, das, wenn es aufrechterhalten wird, den US-chinesischen Handel zum Erliegen bringen wird", so die BCA-Strategen. Dies könnte Peking dazu veranlassen, seine "strategische Geduld" aufzugeben und zu direkteren Maßnahmen zu greifen.

Zentralbanker unter politischem Druck

Inmitten dieser Turbulenzen geraten Zentralbanker zunehmend unter politischen Druck. Trump hat Fed-Chef Jerome Powell scharf kritisiert und erklärt, dessen "Entlassung kann nicht schnell genug kommen". Powell hatte die Wahrscheinlichkeit baldiger Zinssenkungen heruntergespielt und darauf hingewiesen, dass die Zollpläne der Trump-Administration sowohl die Inflation als auch die Arbeitslosigkeit erhöhen dürften.

EZB-Mitglied François Villeroy de Galhau verteidigte seinen amerikanischen Kollegen ungewöhnlich deutlich: "In allem, was er tut, zeigt er bewundernswert, was ein Zentralbanker tun muss. Ein Zentralbanker muss unabhängig die Wahrheit sagen, und das hat er getan… Ich zolle seinem Professionalismus und seinem Mut Respekt."

Ausblick auf wirtschaftliche Turbulenzen

Wirtschaftsexperten sehen die Risiken einer Rezession deutlich steigen. In einer Reuters-Umfrage schätzten Ökonomen die Wahrscheinlichkeit einer Rezession in den nächsten zwölf Monaten auf 45%, gegenüber 25% im Vormonat. Die Folgen der Zollpolitik sind bereits in den Marktdaten sichtbar: Der Euro ist seit März um über 9% auf etwa 1,135 Dollar gestiegen und notiert auf einem Allzeithoch auf handelsbewerteter Basis, was die Importkosten dämpfen wird. Gleichzeitig ist der Ölpreis in diesem Monat um fast 10% gefallen.

Ein weitreichenderer Indikator für die herrschende Nervosität ist der CBOE Volatility Index, der nach Trumps Zoll-Ankündigung auf etwa 60 hochschnellte und sich seitdem auf etwa 30 eingependelt hat – immer noch weit über seinem langfristigen Median von 17,6. Anlegern bleibt vorerst nur die Hoffnung, dass die anstehende Berichtssaison etwas Ruhe in die Märkte bringen kann, während sie gleichzeitig versuchen, die multiplen geopolitischen und wirtschaftlichen Risiken einzupreisen.

Über Felix Baarz 70 Artikel
Mit über fünfzehn Jahren Erfahrung als Wirtschaftsjournalist hat sich Felix Baarz als Experte für internationale Finanzmärkte etabliert. Seine Leidenschaft gilt den Mechanismen globaler Finanzmärkte und komplexen wirtschaftspolitischen Zusammenhängen, die er für seine Leserschaft verständlich aufbereitet.In Köln geboren und aufgewachsen, entdeckte er früh sein Interesse für Wirtschaftsthemen und internationale Entwicklungen. Nach seinem Studium startete er als Wirtschaftsredakteur bei einer renommierten deutschen Fachpublikation, bevor ihn sein Weg ins Ausland führte.Ein prägendes Kapitel seiner Karriere waren die sechs Jahre in New York, wo er direkten Einblick in die globale Finanzwelt erhielt. Die Berichterstattung von der Wall Street und über weltweite wirtschaftspolitische Entscheidungen schärfte seinen Blick für globale Zusammenhänge.Heute ist Felix Baarz als freier Journalist für führende Wirtschafts- und Finanzmedien im deutschsprachigen Raum tätig. Seine Arbeit zeichnet sich durch fundierte Recherchen und präzise Analysen aus. Er möchte nicht nur Fakten präsentieren, sondern auch deren Bedeutung erklären und seinen Lesern Orientierung bieten – sei es zu wirtschaftlichen Trends, politischen Entscheidungen oder langfristigen Veränderungen in der Finanzwelt.Zusätzlich moderiert er Diskussionen und nimmt an Expertenrunden teil, um sein Wissen einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Dabei liegt sein Fokus darauf, komplexe Themen informativ und inspirierend zu vermitteln. Felix Baarz versteht seine journalistische Aufgabe darin, in einer sich schnell wandelnden Welt einen klaren Blick auf wirtschaftliche Zusammenhänge zu ermöglichen und seine Leser bei fundierten Entscheidungen zu unterstützen – beruflich wie privat.