Globale Märkte im Ausnahmezustand: Trumps Zölle lösen Finanzturbulenzen aus

Drastische Handelszölle zwischen Weltmächten erschüttern Börsen und Anleihemärkte weltweit. Analysten befürchten Rezessionsrisiko für Europa und massive Exporteinbußen.

Globale Märkte im Ausnahmezustand: Trumps Zölle lösen Finanzturbulenzen aus
Kurz & knapp:
  • Massive Kursverluste an internationalen Börsen
  • Chinesische Vergeltungszölle verschärfen die Krise
  • Europäische Wirtschaft vor Rezessionsgefahr
  • Deutsche Konjunkturaussichten drastisch verschlechtert

Die Weltwirtschaft steht am Rand einer Krise. Seit US-Präsident Donald Trump drastische Zölle von 104% auf chinesische Waren und weitere Strafzölle gegen zahlreiche andere Länder verhängt hat, befinden sich die globalen Finanzmärkte im freien Fall. Die am 9. April 2025 in Kraft getretenen Maßnahmen haben eine beispiellose Marktvolatilität ausgelöst und Billionen an Marktwert vernichtet. Besonders besorgniserregend ist die heftige Reaktion am US-Anleihemarkt, die Erinnerungen an frühere Finanzkrisen weckt.

Eskalierender Handelskonflikt zwischen den Großmächten

China hat unmittelbar reagiert und seinerseits die Zölle auf US-Waren von zunächst angekündigten 34% auf 84% erhöht. Diese Maßnahmen traten am 10. April in Kraft. US-Finanzminister Scott Bessent bezeichnete Chinas Vorgehen als "bedauerlich" und betonte in einem Interview mit Fox Business Network, dass die Chinesen "nicht verhandeln wollen", obwohl sie "die schlimmsten Übeltäter im internationalen Handelssystem" seien. Gleichzeitig warnte er, dass diese Maßnahmen für China selbst zum Verlustgeschäft werden dürften.

Peking zeigte sich unbeeindruckt. In einer Erklärung vor der Welthandelsorganisation (WTO) äußerte China "große Besorgnis und entschiedenen Widerstand gegen diesen leichtsinnigen Schritt" der USA. "Die Lage hat sich gefährlich zugespitzt", hieß es weiter. Die chinesische Regierung betonte: "Während China Handelskriege ablehnt, wird es seine legitimen Interessen entschlossen verteidigen." Zudem forderte China das WTO-Sekretariat auf, die Auswirkungen der Zölle auf den Welthandel zu untersuchen.

Panik an den Finanzmärkten

Die Reaktion der Märkte fiel dramatisch aus. Der S&P 500 verzeichnete einen der größten Tagesrückgänge seiner Geschichte und verlor innerhalb weniger Handelstage etwa 5,8 Billionen Dollar an Marktwert – der stärkste Vier-Tages-Verlust seit seiner Gründung in den 1950er Jahren. Der Volatilitätsindex VIX schoss auf über 60 Punkte, ein Niveau, das zuletzt während der Pandemie erreicht wurde.

In Europa sank der STOXX 600 um fast 3,5%, was einem Marktwertverlustes von rund 1,4 Billionen Dollar seit der Ankündigung der Zölle am 1. April entspricht. Auch die Rohstoffmärkte gerieten unter Druck, Öl verbilligte sich um fast 5% auf knapp 60 Dollar pro Barrel Brent-Rohöl.

"Die letzte Woche war eine Aktien-Story, aber wie üblich hat sich daraus die wichtigere Anleihen-Story entwickelt", erklärt Chris Beauchamp, Chefstratege bei IG. "Dies ist das finanzielle Fundament, und offensichtlich hat es begonnen, zusammenzubrechen."

US-Anleihemarkt als Epizentrum der Krise

Besonders beunruhigend ist die Entwicklung am US-Anleihemarkt. Die Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen stieg innerhalb von drei Handelstagen um fast 40 Basispunkte auf 4,38% – einer der aggressivsten Anstiege in einem so kurzen Zeitraum der letzten 25 Jahre. Der Ausverkauf amerikanischer Staatsanleihen weckt Befürchtungen, dass ausländische Investoren, insbesondere China, ihre US-Vermögenswerte abstoßen könnten.

"Momentan geht es nicht mehr um Fundamentaldaten", warnt Jack Chambers, Senior Rates Strategist bei ANZ. "Es geht um Liquidität. Das ist relativ esoterisch… aber wie bei der Klempnerarbeit, wird sie nur wichtig, wenn sie das Einzige ist, was zählt."

Hedgefonds stehen im Zentrum dieser Verkaufswelle, da Kreditgeber den sogenannten "Basis-Trade" – große Positionen, die auf kleine Preisdifferenzen zwischen Kassaanleihen und Futures setzen – angesichts der zunehmenden Marktvolatilität nicht mehr tolerieren können. Klaas Knot, Leiter der niederländischen Zentralbank und Vorsitzender des Financial Stability Board, bemerkte jedoch: "Der Hedgefonds-Sektor hatte bereits Schulden abgebaut, sie haben das kommen sehen. Und so konnten sie die Margin Calls erfüllen, was in früheren Episoden nicht der Fall war."

Europa am Rande der Rezession

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat ihre Bereitschaft signalisiert, die Finanzstabilität im Falle weiterer Marktturbulenzen zu sichern. François Villeroy de Galhau, Chef der französischen Zentralbank, betonte: "Die Banque de France und die Europäische Zentralbank sind voll mobilisiert, um sicherzustellen, dass die Wirtschaft der Eurozone gut finanziert ist und die finanzielle Stabilität gewahrt bleibt."

Die Auswirkungen der US-Zölle auf die europäische Wirtschaft könnten jedoch gravierender sein als zunächst angenommen. Analysten der Citigroup haben ihre BIP-Wachstumsprognosen für die Eurozone deutlich nach unten korrigiert – für 2025 auf 0,8% (von zuvor 1%) und für 2026 auf nur noch 0,6% (von 1,3%).

Rund 310 Milliarden Euro an Exporten – ohne Energie, Pharmazeutika und Autos – unterliegen nun einem Zoll von 20%. Zusätzlich sind 42 Milliarden Euro an Autos und Autoteilen mit einem Zoll von 25% belegt. Citi schätzt, dass die Exporte der Eurozone in die USA um bis zu 50% zurückgehen könnten, was zu einem Rückgang der Gesamtexporte um 4,5 Prozentpunkte führen und das BIP um 0,6 Prozentpunkte senken würde.

"Die Wirtschaft hatte nach dem Energieschock begonnen, sich langsam zu normalisieren, aber jetzt steht sie vor der Aussicht, wieder in eine Rezession zu fallen", warnte die Citigroup. Die EZB wird voraussichtlich mit weiteren Zinssenkungen reagieren, wobei die Zinsen letztendlich auf einen Tiefstand von 1,5% fallen könnten.

Deutschland in der Krise

In Deutschland hat Friedrich Merz nach wochenlangen Verhandlungen eine Koalitionsvereinbarung mit den Sozialdemokraten (SPD) erzielt – zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Der designierte Bundeskanzler, der Trump als unzuverlässigen Verbündeten bezeichnet hat, steht vor enormen wirtschaftlichen Herausforderungen.

Deutsche Wirtschaftsinstitute haben ihre Wachstumsprognose für dieses Jahr auf 0,1% gesenkt, von zuvor erwarteten 0,8%. Nach zwei Jahren Kontraktion ist die stark exportorientierte deutsche Wirtschaft durch die Zölle besonders gefährdet. "Ein möglicher Handelskonflikt erhöht das Rezessionsrisiko, daran besteht kein Zweifel", sagte der scheidende Finanzminister Joerg Kukies dem Deutschlandfunk.

Reale Auswirkungen auf Unternehmen und Verbraucher

Die Folgen des Handelskonflikts sind bereits in der Realwirtschaft spürbar. Chinesische Hersteller von Weihnachtsdekorationen, die stark vom US-Markt abhängig sind, berichten, dass amerikanische Kunden keine Bestellungen aufgeben. Die USA beziehen 87% ihrer Weihnachtsdekorationen – im Wert von rund 4 Milliarden Dollar – aus China.

"Bisher hat keiner meiner amerikanischen Kunden Bestellungen aufgegeben", berichtet Qun Ying, der eine Fabrik für künstliche Weihnachtsbäume in der ostchinesischen Stadt Jinhua betreibt. "Natürlich geht es um die Zölle. Mitte April sind normalerweise alle Bestellungen abgeschlossen, aber im Moment… ist es schwer zu wissen, ob überhaupt Bestellungen kommen."

Jessica Guo, die ebenfalls eine Weihnachtsbaumfabrik in Jinhua leitet, wurde kürzlich von einem wichtigen US-Kunden informiert, dass er eine Bestellung im Wert von 3 Millionen Yuan (408.191 Dollar) pausiert, für die sie bereits 400.000 Yuan für Materialien ausgegeben hatte. "Meine Kollegen und ich sind auf US-Aufträge angewiesen, um zu überleben", sagte Guo. "Das wird unweigerlich viele Menschen betreffen. Niemand kann entkommen."

Ausblick und mögliche Entwicklungen

Während Trump die Marktverwerfungen bisher ignoriert hat, wächst die Sorge, dass die USA ihre eigene "Liz-Truss-Moment" erleben könnten, wenn die Finanzstabilität gefährdet wird. JPMorgan-Analysten glauben, dass die schnelle Eskalation der US-Zölle gegenüber China ausreichen könnte, um die Weltwirtschaft in eine Rezession zu stürzen.

"Angesichts der Importrechnung aus China entspricht allein der China-Zoll einer gewaltigen Steuererhöhung von 400 Milliarden Dollar für US-Haushalte und Unternehmen", schrieben sie in einer Mitteilung an Kunden. "Die Währung wird wahrscheinlich ein Ventil für die chinesischen politischen Entscheidungsträger sein."

Die Zentralbanken stehen bereit, bei Bedarf einzugreifen. Die EZB erwägt bereits weitere Zinssenkungen, und auch die Federal Reserve könnte angesichts der drohenden Rezessionsgefahr zu Maßnahmen gezwungen sein. "Wenn es ein Risiko für die Finanzstabilität in den USA durch die Währungspolitik gibt, dann muss die Regierung mehr Aufmerksamkeit schenken", warnt ein Stratege von J.P. Morgan Asset Management.

Die Welt steht vor einem "beispiellosen und teuren Spiel des Feiglings", wie es der Nomura-Ökonom Ting Lu ausdrückt, "und es scheint, dass keine Seite bereit ist, nachzugeben." Die Konsequenzen dieses Handelskriegs könnten die globale Wirtschaft für Jahre prägen.

Über Felix Baarz 66 Artikel
Mit über fünfzehn Jahren Erfahrung als Wirtschaftsjournalist hat sich Felix Baarz als Experte für internationale Finanzmärkte etabliert. Seine Leidenschaft gilt den Mechanismen globaler Finanzmärkte und komplexen wirtschaftspolitischen Zusammenhängen, die er für seine Leserschaft verständlich aufbereitet.In Köln geboren und aufgewachsen, entdeckte er früh sein Interesse für Wirtschaftsthemen und internationale Entwicklungen. Nach seinem Studium startete er als Wirtschaftsredakteur bei einer renommierten deutschen Fachpublikation, bevor ihn sein Weg ins Ausland führte.Ein prägendes Kapitel seiner Karriere waren die sechs Jahre in New York, wo er direkten Einblick in die globale Finanzwelt erhielt. Die Berichterstattung von der Wall Street und über weltweite wirtschaftspolitische Entscheidungen schärfte seinen Blick für globale Zusammenhänge.Heute ist Felix Baarz als freier Journalist für führende Wirtschafts- und Finanzmedien im deutschsprachigen Raum tätig. Seine Arbeit zeichnet sich durch fundierte Recherchen und präzise Analysen aus. Er möchte nicht nur Fakten präsentieren, sondern auch deren Bedeutung erklären und seinen Lesern Orientierung bieten – sei es zu wirtschaftlichen Trends, politischen Entscheidungen oder langfristigen Veränderungen in der Finanzwelt.Zusätzlich moderiert er Diskussionen und nimmt an Expertenrunden teil, um sein Wissen einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Dabei liegt sein Fokus darauf, komplexe Themen informativ und inspirierend zu vermitteln. Felix Baarz versteht seine journalistische Aufgabe darin, in einer sich schnell wandelnden Welt einen klaren Blick auf wirtschaftliche Zusammenhänge zu ermöglichen und seine Leser bei fundierten Entscheidungen zu unterstützen – beruflich wie privat.