Handelskrieg eskaliert: Machtwechsel in Peking

Peking reagiert mit Personalwechsel auf Handelsstreit, während Japan und Europa mit den USA verhandeln. Die globalen Wirtschaftsfolgen werden spürbar.

Handelskrieg eskaliert: Machtwechsel in Peking
Kurz & knapp:
  • Überraschender Wechsel in Chinas Verhandlungsteam
  • Japan und Europa suchen Lösungen mit den USA
  • Weltweite Wirtschaftsauswirkungen durch Zölle
  • Hongkong stoppt Postdienst in die USA

China hat überraschend seinen Chefunterhändler für die US-Handelsgespräche ausgetauscht, während weltweit die Auswirkungen von Donald Trumps Zollpolitik zu spüren sind. Li Chenggang, bisher Chinas WTO-Botschafter, übernimmt die Schlüsselposition von Wang Shouwen, wie das chinesische Ministerium für Personal und soziale Sicherheit am Mittwoch mitteilte. Der unerwartete Wechsel erfolgt mitten in der Eskalation des Handelskonflikts mit den USA und während Präsident Xi Jinpings Südostasien-Tour.

Strategischer Personalwechsel in kritischer Phase

Die Ablösung des als "Bulldogge" bekannten Wang kommt zu einem heiklen Zeitpunkt. Der 59-jährige galt als harter Verhandlungspartner, der bei früheren Treffen mit US-Vertretern aneinandergeraten war. Sein Nachfolger Li bringt juristische Expertise mit – ein Vorteil angesichts der komplexen rechtlichen Fragen in den bevorstehenden Verhandlungen. Der 58-jährige Li hat eine akademische Ausbildung an der Eliteuniversität Peking und der Hamburger Universität absolviert und war zuvor in verschiedenen Schlüsselpositionen im Handelsministerium tätig.

Henry Gao, Rechtsprofessor an der Singapore Management University, sieht in dem Wechsel einen strategischen Zug: "Li ist von Haus aus Jurist, was ihn besser als Wang Shouwen positioniert, um die komplexen rechtlichen Fragen zu bewältigen, die in den aktuellen Verhandlungen aufkommen."

Alfredo Montufar-Helu, leitender Berater des China Center der Conference Board, bezeichnet den Wechsel als "sehr abrupt und potentiell störend", besonders angesichts Wangs Erfahrung in Verhandlungen mit den USA seit der ersten Trump-Administration.

Japan und Europa suchen Lösungen im Zollkonflikt

Parallel dazu beginnen heute in Washington die Zollverhandlungen zwischen Japan und den USA. Tokios Chefunterhändler Ryosei Akazawa trifft US-Finanzminister Scott Bessent und Handelsbeauftragten Jamieson Greer. Japan wurde mit Zöllen von 24% auf US-Exporte belegt, die wie die meisten von Trumps Tarifen für 90 Tage ausgesetzt wurden. Ein universeller Satz von 10% und ein Zoll von 25% auf Autos bleiben jedoch bestehen.

Die japanische Seite hofft, mit Investitionszusagen in den USA zu überzeugen. Premierminister Shigeru Ishiba hat allerdings klargestellt, dass Japan nicht übereilt verhandeln und keine größeren Zugeständnisse machen werde.

"Die Schwierigkeit für das japanische Team besteht darin, dass sich die Vereinigten Staaten einseitig einen enormen Hebel verschafft haben", erklärte Kurt Tong, Managing Partner bei The Asia Group.

Auch Europa spürt die Auswirkungen: Die italienische Premierministerin Giorgia Meloni wird morgen im Weißen Haus mit Trump über die der EU auferlegten Zölle sprechen. Südkoreas Finanzminister wurde ebenfalls zu Gesprächen nach Washington eingeladen.

Globale Wirtschaftseffekte und Währungsturbulenzen

Die Zollpolitik hat bereits jetzt spürbare Auswirkungen auf die Weltwirtschaft. In Mitteleuropa, das stark mit Deutschland verbunden ist, bremsen die US-Zölle das Wachstum. Laut S&P Global könnten sie das Wirtschaftswachstum in Polen um 0,4 Prozentpunkte und in der Tschechischen Republik und Ungarn um 0,5 bis 0,6 Prozentpunkte dämpfen.

Der Dollar steht unter Druck, während Franc, Euro und Yen an Stärke gewinnen. Das Pfund Sterling erreichte ein Sechsmonatshoch, da Großbritannien von den härtesten US-Zöllen verschont blieb. Der Euro hat sich nach einem Dreijahreshoch von 1,1474 Dollar leicht abgeschwächt, fand aber am Mittwoch wieder Halt und stieg um 0,6% auf 1,1346 Dollar – was den Dollarindex wieder unter 100 drückte.

Die heutigen Gespräche zwischen Japans Wirtschaftsminister Akazawa und US-Finanzminister Bessent könnten den Devisenmarkt erheblich beeinflussen, insbesondere falls die Länder Einigung über einen stärkeren Yen erzielen.

China reagiert mit Gegenzöllen und Postblockade

Peking hat im Gegenzug zu Trumps Strafzöllen eigene Abgaben auf US-Waren erhöht und sucht keine Gespräche. Washington erklärte am Dienstag, Trump sei zwar offen für ein Handelsabkommen, aber China müsse den ersten Schritt machen.

Die Handelsbeziehungen verschlechtern sich weiter: Die Hongkong Post hat am Mittwoch ihren Seepostsendungsdienst für Güter in die USA eingestellt und wird ab dem 27. April auch den Luftpostdienst für Waren aussetzen. Die Post begründet dies mit den "schikanösen" US-Zöllen und erklärt: "Die USA sind unvernünftig, schikanös und erheben missbräuchlich Zölle. Die Hongkong Post wird definitiv keine sogenannten Zölle im Namen der USA erheben."

Gleichzeitig reichte China vergangene Woche eine neue Beschwerde bei der WTO ein, in der es "große Besorgnis" über US-Zölle äußerte und Washington beschuldigte, gegen WTO-Regeln zu verstoßen. Bei einem WTO-Treffen in Genf im Februar kritisierte der neue Handelsunterhändler Li die USA scharf für die willkürliche Verhängung von Zöllen gegen ihre Handelspartner.

Wirtschaftliche Aussichten bleiben unsicher

Angesichts der Handelsspannungen versuchen Länder weltweit, ihre Binnenwirtschaft zu stärken. In China stabilisierten sich die Immobilienpreise im März nach einem leichten Rückgang im Februar, was etwas Erleichterung im krisengeschüttelten Immobiliensektor bringt, der einst etwa ein Viertel der Wirtschaftstätigkeit ausmachte.

"Mit Blick auf die Zukunft sehen sich die Exporte zunehmenden US-Zöllen gegenüber. Die Handelsspannungen zwischen China und den USA eskalierten im April erheblich, wobei die Wirtschaftsmächte in einen gegenseitigen Zollkrieg verwickelt sind", sagte Sarah Tan, Ökonomin bei Moody’s Analytics.

In Europa rechnet Morgan Stanley damit, dass die EZB an ihrer quantitativen Straffung festhalten wird, während die britische Inflation im März auf 2,6% zurückging – besser als die erwarteten 2,7%. Die Bank of England hält jedoch an ihrer Prognose fest, dass die Inflation im dritten Quartal 2025 auf 3,7% steigen könnte – fast das Doppelte ihres Ziels von 2%.

Ausblick: Verhandlungen unter Druck

Die kommenden Wochen dürften entscheidend für die weitere Entwicklung des globalen Handelskonflikts werden. Mit Japan, Südkorea und Italien stehen wichtige Verhandlungspartner bereits in den Startlöchern. Der Wechsel in Chinas Verhandlungsteam könnte entweder eine Verhärtung oder eine neue Dynamik in den festgefahrenen Beziehungen bedeuten.

Experten sind gespalten: Während einige den Personalwechsel als Zeichen für einen kompromissloseren Kurs Pekings deuten, sehen andere darin die Chance für einen Neuanfang. "Möglicherweise müssen sie aus Sicht der chinesischen Führung jemand anderen einsetzen, um die Pattsituation zu durchbrechen und endlich mit Verhandlungen zu beginnen", spekuliert Montufar-Helu.

Für Verbraucher und Unternehmen weltweit bedeutet die Unsicherheit höhere Kosten und eine vorsichtigere Investitionspolitik. Die Finanzmärkte werden die kommenden Verhandlungsrunden genau beobachten, um Hinweise auf eine mögliche Entspannung oder weitere Eskalation zu erhalten.

Über Felix Baarz 69 Artikel
Mit über fünfzehn Jahren Erfahrung als Wirtschaftsjournalist hat sich Felix Baarz als Experte für internationale Finanzmärkte etabliert. Seine Leidenschaft gilt den Mechanismen globaler Finanzmärkte und komplexen wirtschaftspolitischen Zusammenhängen, die er für seine Leserschaft verständlich aufbereitet.In Köln geboren und aufgewachsen, entdeckte er früh sein Interesse für Wirtschaftsthemen und internationale Entwicklungen. Nach seinem Studium startete er als Wirtschaftsredakteur bei einer renommierten deutschen Fachpublikation, bevor ihn sein Weg ins Ausland führte.Ein prägendes Kapitel seiner Karriere waren die sechs Jahre in New York, wo er direkten Einblick in die globale Finanzwelt erhielt. Die Berichterstattung von der Wall Street und über weltweite wirtschaftspolitische Entscheidungen schärfte seinen Blick für globale Zusammenhänge.Heute ist Felix Baarz als freier Journalist für führende Wirtschafts- und Finanzmedien im deutschsprachigen Raum tätig. Seine Arbeit zeichnet sich durch fundierte Recherchen und präzise Analysen aus. Er möchte nicht nur Fakten präsentieren, sondern auch deren Bedeutung erklären und seinen Lesern Orientierung bieten – sei es zu wirtschaftlichen Trends, politischen Entscheidungen oder langfristigen Veränderungen in der Finanzwelt.Zusätzlich moderiert er Diskussionen und nimmt an Expertenrunden teil, um sein Wissen einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Dabei liegt sein Fokus darauf, komplexe Themen informativ und inspirierend zu vermitteln. Felix Baarz versteht seine journalistische Aufgabe darin, in einer sich schnell wandelnden Welt einen klaren Blick auf wirtschaftliche Zusammenhänge zu ermöglichen und seine Leser bei fundierten Entscheidungen zu unterstützen – beruflich wie privat.