China hat überraschend seinen Chefunterhändler für die US-Handelsgespräche ausgetauscht, während weltweit die Auswirkungen von Donald Trumps Zollpolitik zu spüren sind. Li Chenggang, bisher Chinas WTO-Botschafter, übernimmt die Schlüsselposition von Wang Shouwen, wie das chinesische Ministerium für Personal und soziale Sicherheit am Mittwoch mitteilte. Der unerwartete Wechsel erfolgt mitten in der Eskalation des Handelskonflikts mit den USA und während Präsident Xi Jinpings Südostasien-Tour.
Strategischer Personalwechsel in kritischer Phase
Die Ablösung des als "Bulldogge" bekannten Wang kommt zu einem heiklen Zeitpunkt. Der 59-jährige galt als harter Verhandlungspartner, der bei früheren Treffen mit US-Vertretern aneinandergeraten war. Sein Nachfolger Li bringt juristische Expertise mit – ein Vorteil angesichts der komplexen rechtlichen Fragen in den bevorstehenden Verhandlungen. Der 58-jährige Li hat eine akademische Ausbildung an der Eliteuniversität Peking und der Hamburger Universität absolviert und war zuvor in verschiedenen Schlüsselpositionen im Handelsministerium tätig.
Henry Gao, Rechtsprofessor an der Singapore Management University, sieht in dem Wechsel einen strategischen Zug: "Li ist von Haus aus Jurist, was ihn besser als Wang Shouwen positioniert, um die komplexen rechtlichen Fragen zu bewältigen, die in den aktuellen Verhandlungen aufkommen."
Alfredo Montufar-Helu, leitender Berater des China Center der Conference Board, bezeichnet den Wechsel als "sehr abrupt und potentiell störend", besonders angesichts Wangs Erfahrung in Verhandlungen mit den USA seit der ersten Trump-Administration.
Japan und Europa suchen Lösungen im Zollkonflikt
Parallel dazu beginnen heute in Washington die Zollverhandlungen zwischen Japan und den USA. Tokios Chefunterhändler Ryosei Akazawa trifft US-Finanzminister Scott Bessent und Handelsbeauftragten Jamieson Greer. Japan wurde mit Zöllen von 24% auf US-Exporte belegt, die wie die meisten von Trumps Tarifen für 90 Tage ausgesetzt wurden. Ein universeller Satz von 10% und ein Zoll von 25% auf Autos bleiben jedoch bestehen.
Die japanische Seite hofft, mit Investitionszusagen in den USA zu überzeugen. Premierminister Shigeru Ishiba hat allerdings klargestellt, dass Japan nicht übereilt verhandeln und keine größeren Zugeständnisse machen werde.
"Die Schwierigkeit für das japanische Team besteht darin, dass sich die Vereinigten Staaten einseitig einen enormen Hebel verschafft haben", erklärte Kurt Tong, Managing Partner bei The Asia Group.
Auch Europa spürt die Auswirkungen: Die italienische Premierministerin Giorgia Meloni wird morgen im Weißen Haus mit Trump über die der EU auferlegten Zölle sprechen. Südkoreas Finanzminister wurde ebenfalls zu Gesprächen nach Washington eingeladen.
Globale Wirtschaftseffekte und Währungsturbulenzen
Die Zollpolitik hat bereits jetzt spürbare Auswirkungen auf die Weltwirtschaft. In Mitteleuropa, das stark mit Deutschland verbunden ist, bremsen die US-Zölle das Wachstum. Laut S&P Global könnten sie das Wirtschaftswachstum in Polen um 0,4 Prozentpunkte und in der Tschechischen Republik und Ungarn um 0,5 bis 0,6 Prozentpunkte dämpfen.
Der Dollar steht unter Druck, während Franc, Euro und Yen an Stärke gewinnen. Das Pfund Sterling erreichte ein Sechsmonatshoch, da Großbritannien von den härtesten US-Zöllen verschont blieb. Der Euro hat sich nach einem Dreijahreshoch von 1,1474 Dollar leicht abgeschwächt, fand aber am Mittwoch wieder Halt und stieg um 0,6% auf 1,1346 Dollar – was den Dollarindex wieder unter 100 drückte.
Die heutigen Gespräche zwischen Japans Wirtschaftsminister Akazawa und US-Finanzminister Bessent könnten den Devisenmarkt erheblich beeinflussen, insbesondere falls die Länder Einigung über einen stärkeren Yen erzielen.
China reagiert mit Gegenzöllen und Postblockade
Peking hat im Gegenzug zu Trumps Strafzöllen eigene Abgaben auf US-Waren erhöht und sucht keine Gespräche. Washington erklärte am Dienstag, Trump sei zwar offen für ein Handelsabkommen, aber China müsse den ersten Schritt machen.
Die Handelsbeziehungen verschlechtern sich weiter: Die Hongkong Post hat am Mittwoch ihren Seepostsendungsdienst für Güter in die USA eingestellt und wird ab dem 27. April auch den Luftpostdienst für Waren aussetzen. Die Post begründet dies mit den "schikanösen" US-Zöllen und erklärt: "Die USA sind unvernünftig, schikanös und erheben missbräuchlich Zölle. Die Hongkong Post wird definitiv keine sogenannten Zölle im Namen der USA erheben."
Gleichzeitig reichte China vergangene Woche eine neue Beschwerde bei der WTO ein, in der es "große Besorgnis" über US-Zölle äußerte und Washington beschuldigte, gegen WTO-Regeln zu verstoßen. Bei einem WTO-Treffen in Genf im Februar kritisierte der neue Handelsunterhändler Li die USA scharf für die willkürliche Verhängung von Zöllen gegen ihre Handelspartner.
Wirtschaftliche Aussichten bleiben unsicher
Angesichts der Handelsspannungen versuchen Länder weltweit, ihre Binnenwirtschaft zu stärken. In China stabilisierten sich die Immobilienpreise im März nach einem leichten Rückgang im Februar, was etwas Erleichterung im krisengeschüttelten Immobiliensektor bringt, der einst etwa ein Viertel der Wirtschaftstätigkeit ausmachte.
"Mit Blick auf die Zukunft sehen sich die Exporte zunehmenden US-Zöllen gegenüber. Die Handelsspannungen zwischen China und den USA eskalierten im April erheblich, wobei die Wirtschaftsmächte in einen gegenseitigen Zollkrieg verwickelt sind", sagte Sarah Tan, Ökonomin bei Moody’s Analytics.
In Europa rechnet Morgan Stanley damit, dass die EZB an ihrer quantitativen Straffung festhalten wird, während die britische Inflation im März auf 2,6% zurückging – besser als die erwarteten 2,7%. Die Bank of England hält jedoch an ihrer Prognose fest, dass die Inflation im dritten Quartal 2025 auf 3,7% steigen könnte – fast das Doppelte ihres Ziels von 2%.
Ausblick: Verhandlungen unter Druck
Die kommenden Wochen dürften entscheidend für die weitere Entwicklung des globalen Handelskonflikts werden. Mit Japan, Südkorea und Italien stehen wichtige Verhandlungspartner bereits in den Startlöchern. Der Wechsel in Chinas Verhandlungsteam könnte entweder eine Verhärtung oder eine neue Dynamik in den festgefahrenen Beziehungen bedeuten.
Experten sind gespalten: Während einige den Personalwechsel als Zeichen für einen kompromissloseren Kurs Pekings deuten, sehen andere darin die Chance für einen Neuanfang. "Möglicherweise müssen sie aus Sicht der chinesischen Führung jemand anderen einsetzen, um die Pattsituation zu durchbrechen und endlich mit Verhandlungen zu beginnen", spekuliert Montufar-Helu.
Für Verbraucher und Unternehmen weltweit bedeutet die Unsicherheit höhere Kosten und eine vorsichtigere Investitionspolitik. Die Finanzmärkte werden die kommenden Verhandlungsrunden genau beobachten, um Hinweise auf eine mögliche Entspannung oder weitere Eskalation zu erhalten.