Die globale Wirtschaft steht vor einer dramatischen Neuordnung, während der Handelskrieg zwischen den USA und China bedrohliche Ausmaße annimmt. US-Präsident Donald Trump hat mit massiven Zöllen von 145% einen beispiellosen Kurs eingeschlagen, der weltweite Schockwellen aussendet. China konterte mit eigenen Strafzöllen von 125% und zeigt sich gleichzeitig verhandlungsbereit – allerdings nur unter Bedingungen. "Was wir erleben, ist die Neugestaltung der Weltwirtschaft – nicht mehr als ein integriertes System, sondern als gespaltenes Ökosystem um die USA und China herum", warnte Singapurs Premierminister Lawrence Wong am Mittwoch.
Fed unter Druck: Inflation oder Arbeitsplätze?
Die US-Notenbank Federal Reserve befindet sich in einer prekären Lage. Ihre Entscheidungsträger sehen sich möglicherweise gezwungen, zwischen zwei Kernzielen zu wählen: Inflation unter Kontrolle halten oder Arbeitsplätze schützen. Fed-Gouverneur Christopher Waller bezeichnete die neue Zollpolitik als "einen der größten Schocks für die US-Wirtschaft seit Jahrzehnten." Er deutete an, dass bei einer signifikanten Wirtschaftsabkühlung oder drohenden Rezession Zinssenkungen früher und stärker erfolgen könnten als bisher geplant.
Wenn Fed-Chef Jerome Powell am 16. April seine Wirtschaftsprognose aktualisiert, wird er dies in einem Umfeld tun, in dem die Notenbanker immer weniger Klarheit über die Richtung der US- und Weltwirtschaft haben. Die internen Debatten in der Fed haben sich verschärft, wobei einige Entscheidungsträger schnelle Zinssenkungen zur Wirtschaftsstützung befürworten, während andere vor allem die Inflationsbekämpfung priorisieren, um das öffentliche Vertrauen nicht zu verlieren.
Chinas Wirtschaft überrascht – vorerst
Entgegen der angespannten Handelssituation überraschte China mit starken Wirtschaftsdaten für das erste Quartal 2025. Das Bruttoinlandsprodukt wuchs um 5,4% im Vergleich zum Vorjahreszeitraum und übertraf damit die Prognose von 5,2%. "Die positive Überraschung beim BIP und bei den März-Aktivitätsdaten deutet darauf hin, dass sich die chinesische Wirtschaft im ersten Quartal in einem ordentlichen Zustand befand, bevor die Handelsstreitigkeiten im April schnell eskalierten", erklärten Ökonomen der Bank of America.
Die Industrieproduktion stieg im März um beeindruckende 7,7%, während die Einzelhandelsumsätze um 5,9% zulegten – beide Werte übertrafen die Erwartungen deutlich. Allerdings bremst der Immobiliensektor mit einem Rückgang der Investitionen um 10% weiterhin die Gesamtwirtschaft. Trotz der guten Zahlen rechnen Experten mit Gegenwind im zweiten Quartal: "Wir erwarten, dass unmittelbare Abwärtsrisiken bei Exporten und Investitionen im zweiten Quartal 2025 mit dem Einsetzen des Handelskriegs eintreten werden", warnen die BofA-Ökonomen.
Bemerkenswert ist auch, dass das nominale BIP-Wachstum auf 4,6% zurückging, was auf anhaltenden deflationären Druck hindeutet. Der chinesische Arbeitsmarkt zeigte eine leichte Verbesserung, wobei die städtische Arbeitslosenquote im März auf 5,2% sank.
Peking verlangt Respekt und klare Ansprechpartner
China signalisiert grundsätzliche Verhandlungsbereitschaft mit der Trump-Administration – allerdings unter klaren Bedingungen. Laut Bloomberg fordert Peking mehr Respekt und ein Ende herabwürdigender Bemerkungen über chinesische Kabinettsmitglieder. Der jüngste Vorfall, bei dem US-Vizepräsident JD Vance von Handel mit "chinesischen Bauern" sprach, stieß in China auf scharfe Kritik.
Zudem wünscht sich Peking eine konsistentere US-Position zum Handel und die Bereitschaft, chinesische Bedenken zu Sanktionen und Taiwan zu diskutieren. Besonders wichtig ist für die chinesische Führung die Benennung eines US-Chefunterhändlers mit Trumps voller Unterstützung, der einen Vertrag vorbereiten kann, den Präsident Xi Jinping und Trump persönlich unterzeichnen könnten.
Trump selbst hatte China erneut aufgefordert, ihn telefonisch zu kontaktieren, um Verhandlungen zu beginnen. Seine aggressiven Handelszüge werden jedoch als Manöver gesehen, die Xi Spielraum geben, die Forderungen des US-Präsidenten zurückzuweisen.
Globale Auswirkungen: Von Hongkong bis Tokio
Die Folgen des Handelskonflikts werden weltweit spürbar. In Hongkong hat die Post bereits reagiert und den Warenversand in die USA eingestellt. "Die USA sind unvernünftig, schikanierend und erheben missbrauchend Zölle. Die Hongkong Post wird definitiv keine sogenannten Zölle im Namen der USA erheben", erklärte die Behörde in einer Mitteilung. Ab dem 27. April wird auch der Luftpostdienst für Warensendungen in die USA eingestellt.
Auch Japans Zentralbank reagiert auf die Handelsspannungen. Laut Reuters wird die Bank of Japan bei ihrer Sitzung am 30. April und 1. Mai voraussichtlich ihre Wirtschaftswachstumsprognosen senken. Während die Notenbank an ihrem Leitzins von 0,5% festhalten dürfte, signalisierte Gouverneur Kazuo Ueda, dass Anpassungen abhängig von den wirtschaftlichen Auswirkungen der US-Zölle möglich seien.
"Es ist klar, dass US-Zölle Japans Wirtschaft schaden werden. Weniger klar ist, ob der Schlag stark genug ist, um den bisher stetigen Aufwärtstrend der Inflation zu stoppen", zitierte Reuters Quellen aus der Zentralbank.
Singapur: "Der Schmerz wird überall zu spüren sein"
Singapurs Premierminister Lawrence Wong fand deutliche Worte für die Lage: "Der Schmerz wird überall zu spüren sein." Die Verschiebung der "gegenseitigen" Zölle durch die USA bis Juli biete wenig Trost, da bereits ein Basiszoll von 10% bestehe. "Kein Unternehmen kann langfristige Investitionen planen, wenn die Zollsätze jederzeit geändert werden können", warnte Wong.
Für die exportabhängige Wirtschaft Singapurs sind die Aussichten besonders düster. Am Montag lockerte die Zentralbank ihre Geldpolitik zum zweiten Mal in diesem Jahr, während das Handelsministerium seine Wachstumsprognose für 2025 senkte. Am 3. Mai stehen in Singapur Wahlen an – der erste Stimmungstest für Premier Wong, der im Mai 2024 die Führung der People’s Action Party übernommen hatte.
Hausmärkte trotzen der Unsicherheit
Während die Handelskonflikte die globalen Märkte verunsichern, zeigt der britische Immobilienmarkt überraschende Resilienz. Die Hauspreise in Großbritannien stiegen im Februar um 5,4% im Jahresvergleich auf durchschnittlich 268.000 Pfund (etwa 355.556 Dollar) – das stärkste Wachstum seit Dezember 2022 und eine Beschleunigung gegenüber dem Anstieg von 4,8% im Januar.
Das Office for National Statistics führt diesen Anstieg teilweise auf das Auslaufen temporärer Steueranreize Ende März zurück, was potenzielle Käufer dazu veranlasste, ihre Pläne zu beschleunigen. Allerdings zeigten vorausschauende Marktindikatoren eine Abschwächung der Nachfrage im März, als Käufern die Zeit ausging, um noch von den Vergünstigungen zu profitieren.
Bei den Mieten stiegen die Preise im britischen Privatsektor im März um 7,7% auf durchschnittlich 1.332 Pfund pro Monat, etwas langsamer als der Anstieg von 8,1% im Februar.
Ausblick: System im Umbruch
Die kommenden Wochen werden entscheidend sein. In Kanada steht am 28. April eine Parlamentswahl an, während die Bank of Japan am 30. April ihre nächste geldpolitische Entscheidung trifft. Die US-Fed wird ihre Zinspolitik angesichts der Zoll-Turbulenzen neu justieren müssen.
Die Märkte befinden sich in einer Phase extremer Unsicherheit. Donald Trumps Handelspolitik beschleunigt die wirtschaftliche Entkopplung zwischen den USA und China, während Zentralbanken weltweit unter Druck stehen, auf die neuen Risiken zu reagieren. Der Handelskonflikt könnte nicht nur zu einer tieferen Rezession führen, sondern auch zu einer fundamentalen Neuordnung der globalen Lieferketten und Handelsbeziehungen.
Was als bilaterale Auseinandersetzung begann, droht nun die Architektur der Weltwirtschaft zu verändern – mit Konsequenzen, die von den Immobilienmärkten über die Geldpolitik bis hin zu den geopolitischen Machtverhältnissen reichen. Die nächsten Schritte der Hauptakteure werden maßgeblich darüber entscheiden, ob die Weltwirtschaft noch einen Kompromissweg finden kann oder in getrennte Einflusssphären zerfällt.