
In diesem Artikel berichtet Marcus Weyerer, Direktor der ETF-Anlagestrategie EMEA bei Franklin Templeton, über die Zusammensetzung des MSCI World kritisch. Was bekommen Anleger tatsächlich?
Der MSCI World Index, der oft als Eckpfeiler der globalen Diversifizierung angesehen wird, ist möglicherweise nicht so ausgewogen, wie manche Anleger denken. Trotz seines breiten Spektrums ist der Index stark konzentriert. Die 10 größten Positionen machen einen erheblichen Teil seines Wertes aus. Dieses übermäßige Engagement in großkapitalisierten US-Aktien ist ein Fakt, dem man sich vor Augen halten muss. Der Index enthält zudem auch keine Schwellenländer, wodurch er auf potenzielle Diversifizierung und Rendite verzichtet.
Neue Konzentrationen der Aktien
Die Indizes MSCI World und MSCI All Country World (ACWI) sind zunehmend konzentrierter geworden, was die Diversifizierung beeinträchtigen kann. Der MSCI World umfasst zwar etwa 1.400 Aktien, doch die effektive Anzahl liegt bei nur etwa 100, wobei die zehn größten Positionen 20-22 % des Index ausmachen. Die effektive Anzahl der Aktien im MSCI World ist von rund 400 im Jahr 2015 auf derzeit 100 gesunken. Diese Konzentration bedeutet, dass die Wertentwicklung dieser Indizes stark von einer kleinen Anzahl von Large-Cap-Aktien, vor allem aus den USA, beeinflusst wird. Um dem entgegenzuwirken, streben wir einen diversifizierteren Ansatz an, der eine Mischung aus Industrie- und Schwellenländern umfasst und der sich bequem durch kosteneffiziente ETFs umsetzen lässt.
In der Vergangenheit wurde die Allokation in den Schwellenländern weitgehend von den Kapitalzuflüssen nach China bestimmt. In Folge von Covid und angesichts der geopolitischen Fragmentierung, des harten Vorgehens gegen Technologieunternehmen und der immobilienbezogenen Herausforderungen in China haben viele Anleger, insbesondere in den USA, ihr Engagement in China überdacht. Die Europäer haben einen pragmatischeren Ansatz gewählt, aber dennoch ihr Engagement reduziert. Die Abflüsse aus chinesischen Aktien wurden teilweise durch Indien und einige andere Länder ausgeglichen, aber nicht vollständig. So lag Ende 2020 die Gewichtung Chinas im MSCI ACWI-Index bei fast 5 %, die Indiens bei etwa 1,2 %. Ende letzten Jahres lag China bei 2,5 %, während Indien auf 1,9 % kletterte. Die höhere Gewichtung Indiens ist auch auf die hervorragende Leistung des Landes zurückzuführen, denn die Strukturreformen der Regierung beginnen Früchte zu tragen, und das Land wird zu einem immer wichtigeren Akteur auf der globalen Bühne – sowohl politisch als auch wirtschaftlich.
Die schwache Leistung breiter Indizes für Schwellenländer hat das Interesse der Anleger geschmälert, und viele Anleger sind in diesen Regionen nach wie vor unterinvestiert. Die Wachstumsraten und die jüngste Aktienmarktperformance in bestimmten Schwellenländern deuten jedoch auf ein erhebliches Potenzial für langfristige Anleger hin. Ein granularer Ansatz ist unerlässlich, um Risiken effektiv zu managen. Verschiedene Regionen bieten unterschiedliche Risiko- und Renditeprofile.
In jüngster Zeit haben wir ein erneutes Interesse der Investoren an China festgestellt. Umfangreiche und gezielte Konjunkturpakete in der zweiten Jahreshälfte haben das Vertrauen der Anleger gestärkt, und die jüngste Veröffentlichung von DeepSeek hat China im globalen KI-Rennen fest etabliert. Wir haben festgestellt, dass Anleger nach wie vor strategisch in Aktien aus Schwellenländern investiert sind, aber es hat in den letzten Jahren erhebliche Verschiebungen innerhalb dieses Sektors gegeben. Es gibt ein wachsendes Bewusstsein dafür, dass diese Märkte einen differenzierten Ansatz erfordern, so dass Disaggregation – die Betrachtung einzelner Länder statt der Schwellenländer als Ganzes – viel wichtiger geworden ist, ebenso wie Strategien außerhalb Chinas, beispielsweise in Form von ETFs. Dies spiegelt nicht unbedingt eine negative Sicht auf China wider, sondern vielmehr die Erkenntnis, dass China als Wirtschaftsmacht wichtig genug ist, um eine separate Allokation zu rechtfertigen. Dies kann den Anlegern auch helfen, das unterschiedliche Profil des Landes besser zu managen.
In folgendem Bild sehen Sie die Ländergewichtungen in breiten EM-Engagements im Zeitverlauf in Prozent:

Blau ist China, Grün ist Indien und Rot Brasilien.
Quelle: Bloomberg, Franklin Templeton, basierend auf dem MSCI Emerging Markets Index, 2025.
Chancen innerhalb der vielfältigen EM-Gruppe
Strategisch gesehen sind wir weiterhin von Indien überzeugt. Die Märkte haben sich kürzlich korrigiert und die Bewertungen sind deutlich zurückgegangen. Sie liegen jetzt in etwa auf dem langfristigen Durchschnitt oder leicht darunter. Das starke demografische Profil des Landes, die Regierungsreformen und die technologische Innovation sind an anderen Orten schwer zu finden, insbesondere nicht in dieser Kombination. Bevorzugte Sektoren sind Konsumgüter und Finanzwerte. Letztere werden benötigt, um das schnelle Wachstum zu unterstützen, und werden davon profitieren. Der indische Investmentmarkt ist jedoch nicht so groß. Von den Tausenden börsennotierten Unternehmen sind nur einige Hundert relevant. Anleger sollten daher auch nicht zu eng gefasst vorgehen, um diversifiziert zu bleiben und wirklich alle Aspekte der vielschichtigen Möglichkeiten des Marktes abzudecken.
China ist aus Bewertungssicht interessant, und wir sind konstruktiv. Investoren müssen jedoch in der Lage sein, Volatilität zu ertragen. Die staatlichen Anreize sind ermutigend, aber wir müssen die Situation beobachten, um sicherzustellen, dass die Wirtschaft tatsächlich wieder ganz oben auf der Tagesordnung der Regierung steht. Der Markt wird mehr Unterstützung sehen wollen. Und wir rechnen weiterhin mit einem Aufflammen der Volatilität sowohl im Immobiliensektor als auch aufgrund geopolitischer Spannungen mit dem Westen. Die technologischen Möglichkeiten sind beträchtlich, jedoch birgt der Sektor auch einzigartige Risiken, da er empfindlich auf die nationale Sicherheit und US-Sanktionen reagiert. Auch hier gilt: Anleger mit einem breiten Ansatz können ihre Risiken diversifizieren und an der potenziellen Trendwende der Wirtschaft insgesamt teilhaben, ohne einem einzelnen Sektor übermäßig ausgesetzt zu sein.
Schließlich sind wir sowohl Taiwan als auch Korea gegenüber konstruktiv eingestellt, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Taiwan ist bereits ein großer Nutznießer des Themas KI. TSMC ist derzeit eines der einzigen Unternehmen, das KI-fähige Chips herstellen kann, die von den großen US-Halbleiterherstellern wie Nvidia in Auftrag gegeben werden. Wir gehen davon aus, dass dieser Trend die Märkte von weltweit weiter vorantreiben und Taiwan davon profitieren wird. Korea hat in diesem Bereich an Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt und recht schlecht abgeschnitten. Wir sehen hier ein Potenzial für eine Trendwende. Wenn das Land technologisch aufholen kann oder sein Markt für Unterhaltungselektronik wieder anzieht, ist es gut positioniert. Da sowohl Taiwan als auch Korea Schlüsselelemente der globalen technologischen Versorgungskette darstellen, gehen wir davon aus, dass sie trotz ihrer starken Abhängigkeit von Exporten relativ wenig von der US-Handelspolitik betroffen sein werden.
Hier sehen Sie die Abhängigkeit von Ausfuhren in die USA im Jahr 2023 nach Ländern (in % des BIP)

Quelle: CIA the World Factbook, 2024; Trading Economics, 2024; IMF World Economic Outlook, 2024, Statista, 2024
Die Auswirkungen möglicher Zölle
Jeder Markt kann in gewissem Maße betroffen sein, aber die wichtigsten Kriterien sind die Höhe des Handelsüberschusses mit den USA, der Anteil der Ausfuhren am BIP und die Position des Marktes in Bezug auf die Produkte. Mexiko ist eindeutig verwundbar. Etwa 40 % seines BIP beruhen auf Exporten, und zwar hauptsächlich auf Rohstoffen, Bauteilen und Komponenten. Diese sind für die USA von geringerer strategischer Bedeutung, so dass der Einfluss Mexikos minimal ist. Kanada ist ebenfalls sehr verwundbar, aber weniger als Mexiko. Seine riesigen Ölreserven verschaffen ihm einen Vorteil in allen Verhandlungen. An nächster Stelle steht die EU und insbesondere Deutschland, das einen großen Handelsüberschuss aufweist. Trotz ihres schwachen Wachstums ist die EU aufgrund ihrer Größe und ihrer wohlhabenden Bevölkerung ein beachtlicher Markt, so dass sie erheblichen Widerstand leisten kann. China wird ebenfalls betroffen sein, nicht nur weil es einen großen Handelsüberschuss mit den USA hat, sondern auch weil es als strategischer Konkurrent angesehen wird. Es ist also ein vielschichtiges Problem. Aber wir haben während Trumps erster Präsidentschaft gesehen, dass die Länder eine Arbeitsbeziehung gefunden hatten, bevor Covid die Bande völlig zerrissen hat. Indien schließlich befindet sich unserer Meinung nach in einer vergleichsweise starken Position. Es besteht ein persönliches Verhältnis zwischen Modi und Trump, Indien hat bereits Zölle gesenkt, um den Entwicklungen voraus zu sein, und ein Großteil des indischen Wachstums wird durch den Inlandsmarkt angetrieben – über 60 % des BIP stammen aus dem privaten Konsum. Die Exporte wachsen und sind wichtig, aber nicht der entscheidende Faktor für die Wirtschaft.
Schlussfolgerung
Das Potenzial für eine regionale Rotation ist ebenfalls ein wichtiger Gesichtspunkt. Einige europäische und asiatische Märkte zeigen 2025 eine frühe Stärke, während der US-Markt schwächelt. Dies unterstreicht die Notwendigkeit, dass Anleger flexibel bleiben und ihre Investitionen auf verschiedene Regionen verteilen sollten. Diversifizierung war selten wichtiger.
Da die meisten Anleger in Schwellenländer unterinvestiert sind, entgehen ihnen möglicherweise bestimmte Vorteile. Durch die Beimischung von ETFs auf Schwellenländer oder sogar einzelne Länder kann die gesamte Bandbreite des Marktes erfasst und das Portfolio auf die gewünschten Risiko-Rendite-Profile ausgerichtet werden, was zu einer überdurchschnittlichen langfristigen Performance beiträgt.
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