Trump-Tarife: Marktturbulenz nach U-Turn

Die Finanzmärkte erlebten heftige Schwankungen nach der überraschenden Senkung internationaler Strafzölle durch die US-Regierung - Chinas Belastungen bleiben hoch.

Trump-Tarife: Marktturbulenz nach U-Turn
Kurz & knapp:
  • Börsen mit historischen Kurssprüngen
  • Expertenmeinungen zur Handelsstrategie gespalten
  • Inflationssorgen trotz Zolllockerung
  • Globale Investoren passen Strategien an

Die globalen Finanzmärkte erlebten in der vergangenen Woche eine der intensivsten Volatilitätsphasen seit der COVID-Krise 2020. Auslöser war Donald Trumps überraschende Kehrtwende bei seiner jüngst verkündeten Zollpolitik. Der US-Präsident erklärte am Mittwoch, die massiven Strafzölle auf zahlreiche Länder für 90 Tage auszusetzen und auf 10% zu senken – mit Ausnahme von China, das mit 125% belegt wird.

Rekordsprünge nach dem "Trump-Blinzeln"

Der S&P 500 verzeichnete mit einem Plus von 9,5% den stärksten Tagesgewinn seit 2008. Europäische Aktien erlebten den größten Kurssprung seit März 2020, während der Halbleiterindex PHLX den stärksten Tag seiner Geschichte mit einem Anstieg von 18,7% verzeichnete.

"Der Markt hat eine Art Boomerang-Effekt durchlebt", erklärt George Lagarias, Chefökonom bei Forvis Mazars. "Wir sehen Unsicherheits- und Volatilitätsniveaus, die wir seit der globalen Finanzkrise nicht mehr erlebt haben. Diese Volatilitätsgrade sind nicht gut für die Finanzmärkte und bergen Risiken von Marktverzerrungen."

Die Marktschwankungen spielten sich mit nahezu gleicher Intensität ab wie während der COVID-Krise 2020 und beinahe wie während der Finanzkrise 2008 – jedoch in einem Bruchteil der Zeit. Der VIX-Index, der die Marktvolatilität misst, erreichte mit 60 Punkten ein Niveau, das in den vergangenen 35 Jahren nur dreimal übertroffen wurde.

Kalkuliertes Risikospiel oder Panikreaktion?

Die Bewertungen von Trumps überraschendem Schritt fallen höchst unterschiedlich aus. Unterstützer im Trump-Lager bezeichnen den Schritt als brillante Verhandlungsstrategie. Pressesprecherin Karoline Leavitt erklärte: "Viele von Ihnen in den Medien haben eindeutig ‚The Art of the Deal‘ verpasst" – eine Anspielung auf Trumps berühmtes Buch über Verhandlungstaktiken.

Auch Hedgefonds-Manager Bill Ackman lobte die Strategie: "Dies wurde brillant von Präsident Donald Trump umgesetzt. Lehrbuchmäßig, Art of the Deal." Er fügte hinzu: "Der Vorteil von Präsident Trumps Ansatz ist, dass wir jetzt verstehen, wer unsere bevorzugten Handelspartner sind und wo die Probleme liegen. China hat sich als schlechter Akteur erwiesen."

Kritiker hingegen vermuten, dass Trump dem Druck der Märkte, insbesondere des Anleihemarktes, nachgegeben hat. "Als der Anleihemarkt zusammenbrach, brach ihre gesamte Erzählung zusammen", meinte Marko Kolanovic, ehemaliger Chef-Stratege bei J.P. Morgan. Trump selbst räumte ein: "Der Anleihemarkt ist sehr knifflig. Ich habe beobachtet, wie die Leute gestern Abend etwas unruhig wurden."

Wirtschaftliche Folgen der Zollpolitik

Ökonomen und Finanzexperten warnen, dass die Handelsunsicherheit trotz der temporären Entschärfung bestehen bleibt. Lorie Logan, Präsidentin der Dallas Federal Reserve, betonte, dass höhere Zölle "sehr wahrscheinlich" sowohl Arbeitslosigkeit als auch Inflation steigern würden. Sie warnte davor, "dass zollbedingte Preiserhöhungen zu einer nachhaltigeren Inflation führen könnten" – eine besondere Gefahr nach den jüngst erlebten Preisanstiegen.

Die jüngsten US-Inflationsdaten für März zeigten einen Anstieg der Verbraucherpreise um 2,4% im Jahresvergleich – etwas weniger als die erwarteten 2,5%. Diese Daten wurden jedoch vor der Implementierung und späteren Verzögerung von Trumps Zöllen erhoben und spiegeln somit die potentiellen Auswirkungen der neuen Handelspolitik noch nicht wider.

Gleichzeitig versucht die US-Regierung, ein wichtiges Steuerreformpaket durch den Kongress zu bringen. Das republikanisch kontrollierte Repräsentantenhaus wird am heutigen Donnerstag erneut versuchen, die Verlängerung der Trump-Steuersenkungen voranzubringen. Das Paket würde Steuern um etwa 5 Billionen Dollar senken, gleichzeitig aber die Staatsschulden über die nächsten zehn Jahre um schätzungsweise 5,7 Billionen Dollar erhöhen.

Globale Auswirkungen und Reaktionen

Die Volatilität beschränkt sich keineswegs auf die US-Märkte. Weltweit haben Investoren ihre Strategien angepasst. "Die Volatilität ist nicht vorüber, das Umfeld bleibt unsicher und einige Auswirkungen sind irreversibel", sagte Sat Duhra, Portfoliomanager bei Janus Henderson Investors in Singapur. "Wir müssen uns an mehr Hin und Her in dieser Frage gewöhnen."

Ian Lance, Portfoliomanager bei der Investmentfirma Redwheel in London, bemerkt: "Viele Investoren haben einen Großteil des Aktienengagements ihrer Kunden in den USA. Einige Investoren werden nun prüfen, ob sie so stark in den USA engagiert sein sollten, die immer noch hohe Bewertungen aufweisen, während gleichzeitig politische Unsicherheit und ein Verantwortlicher, der seine Politik umkehrt, hinzukommen."

Auch andere Zentralbanken reagieren bereits. Die philippinische Zentralbank (BSP) senkte am Donnerstag ihren Leitzins auf 5,50%, teilweise als Reaktion auf die Handelsunsicherheit. Gouverneur Eli Remolona bestätigte, dass die US-Zölle bei der Entscheidung der BSP eine Rolle spielten, und kündigte weitere Lockerungsmaßnahmen für dieses Jahr an.

Internationale Diplomatie und Wirtschaftsbeziehungen

Inmitten der Handelsspannungen intensiviert die US-Regierung ihre diplomatischen Bemühungen. US-Finanzminister Scott Bessent wird am kommenden Montag nach Argentinien reisen, um mit Präsident Javier Milei und anderen Regierungs- und Wirtschaftsvertretern in Buenos Aires zusammenzutreffen.

Die Reise findet kurz nach der erwarteten Genehmigung eines 20-Milliarden-Dollar-Kreditabkommens des IWF für Argentinien statt. Mileis rechtsgerichtete Politik steht in enger Übereinstimmung mit Trumps Ansichten. Er war einer der ersten ausländischen Besucher in Trumps Anwesen Mar-a-Lago in Florida nach der US-Wahl im November.

Das US-Finanzministerium lobte Mileis Wirtschaftspolitik mit den Worten, er "habe Argentinien aus dem wirtschaftlichen Vergessen zurückgeholt". Argentinien wurde in Trumps jüngster Runde globaler Zölle nur mit dem "Basiszoll" von 10% belegt und blieb von der 90-tägigen Pause unberührt.

Ausblick: Anhaltendes Marktrisiko

Experten sind sich einig, dass trotz der vorläufigen Beruhigung erhöhte Marktrisiken bestehen bleiben. UBS Global Wealth Management CIO Mark Haefele bezeichnete die Markterholung als Gelegenheit, sich auf eine wahrscheinlich volatile Periode zu positionieren, insbesondere angesichts der Eskalation der Handelsspannungen zwischen den USA und China.

Die Unsicherheit wirkt sich auch auf andere Märkte aus. Deutsche Bank-Ökonom Sanjay Raja warnt, dass Großbritannien trotz der vorübergehenden Zollerleichterung in einer schwierigen Position verbleibt. "Die Handelsunsicherheit wird zweifellos hoch bleiben. Die Stimmung wird sich wahrscheinlich verschlechtert haben. Und politische Entscheidungsträger müssen ihre nächsten Schritte sorgfältig kalibrieren, während wir in eine neue wirtschaftliche Welt eintauchen."

Die kommenden Monate werden zeigen, ob Trumps unberechenbarer Verhandlungsstil zu echten wirtschaftlichen Vorteilen oder zu anhaltender Instabilität führt. Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass die globalen Märkte in eine Ära erhöhter Volatilität und Unsicherheit eingetreten sind, in der plötzliche politische Richtungswechsel zur neuen Normalität werden könnten.

Über Felix Baarz 67 Artikel
Mit über fünfzehn Jahren Erfahrung als Wirtschaftsjournalist hat sich Felix Baarz als Experte für internationale Finanzmärkte etabliert. Seine Leidenschaft gilt den Mechanismen globaler Finanzmärkte und komplexen wirtschaftspolitischen Zusammenhängen, die er für seine Leserschaft verständlich aufbereitet.In Köln geboren und aufgewachsen, entdeckte er früh sein Interesse für Wirtschaftsthemen und internationale Entwicklungen. Nach seinem Studium startete er als Wirtschaftsredakteur bei einer renommierten deutschen Fachpublikation, bevor ihn sein Weg ins Ausland führte.Ein prägendes Kapitel seiner Karriere waren die sechs Jahre in New York, wo er direkten Einblick in die globale Finanzwelt erhielt. Die Berichterstattung von der Wall Street und über weltweite wirtschaftspolitische Entscheidungen schärfte seinen Blick für globale Zusammenhänge.Heute ist Felix Baarz als freier Journalist für führende Wirtschafts- und Finanzmedien im deutschsprachigen Raum tätig. Seine Arbeit zeichnet sich durch fundierte Recherchen und präzise Analysen aus. Er möchte nicht nur Fakten präsentieren, sondern auch deren Bedeutung erklären und seinen Lesern Orientierung bieten – sei es zu wirtschaftlichen Trends, politischen Entscheidungen oder langfristigen Veränderungen in der Finanzwelt.Zusätzlich moderiert er Diskussionen und nimmt an Expertenrunden teil, um sein Wissen einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Dabei liegt sein Fokus darauf, komplexe Themen informativ und inspirierend zu vermitteln. Felix Baarz versteht seine journalistische Aufgabe darin, in einer sich schnell wandelnden Welt einen klaren Blick auf wirtschaftliche Zusammenhänge zu ermöglichen und seine Leser bei fundierten Entscheidungen zu unterstützen – beruflich wie privat.