Adidas, Coca-Cola & Warner Bros: Wenn Rekorde auf Realitäten treffen
Liebe Leserinnen und Leser,
während Adidas mit Rekordquartalszahlen überrascht und die Prognose anhebt, zeigt sich bei genauerer Betrachtung ein gemischtes Bild an den Märkten. Die Gewerkschaften wollen den Sportartikler zurück in die Tarifbindung zwingen, Coca-Cola demonstriert Stärke trotz Gegenwind, und Warner Bros. Discovery erlebt einen Kurssprung durch Übernahmespekulationen. Dazu gesellen sich neue Herausforderungen für deutsche Autobauer und wegweisende Entwicklungen im Bereich der Unternehmens-Software.
Adidas sprintet voraus – doch der Arbeitskampf droht
Das dritte Quartal 2025 könnte als Wendepunkt in die Adidas-Geschichte eingehen. Der Sportartikelhersteller aus Herzogenaurach überraschte gestern Abend mit vorläufigen Zahlen, die selbst optimistische Analysten verblüfft haben dürften.
Das operative Ergebnis sprang auf 736 Millionen Euro – ein Plus von 23 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Noch beeindruckender: Die operative Marge erreichte mit 11,1 Prozent ein Niveau, das viele dem Unternehmen nach dem Yeezy-Debakel nicht mehr zugetraut hätten. CEO Björn Gulden hat offenbar die richtigen Hebel in Bewegung gesetzt. Die Marke Adidas wächst währungsbereinigt zweistellig, und das ohne den Beitrag der einst so lukrativen Yeezy-Linie.
Doch während die Zahlen glänzen, braut sich am Horizont ein Sturm zusammen. Die IG BCE kündigte gestern einen Arbeitskampf an, nachdem Adidas im Sommer aus der Tarifbindung ausgestiegen war. „Reinster Populismus“, kontert Finanzvorstand Harm Ohlmeyer und verweist darauf, dass Adidas freiwillig höhere Gehälter zahle als tariflich vorgesehen.
Der Zeitpunkt könnte kaum brisanter sein: Adidas hebt die Jahresprognose auf ein operatives Ergebnis von rund 2 Milliarden Euro an. Das wäre fast das Dreifache des Tiefpunkts von 2023. Kann das Unternehmen diesen Erfolg fortsetzen, während gleichzeitig ein Arbeitskampf droht?
Coca-Cola: Die süße Kunst der Anpassung
„Das Umfeld bleibt herausfordernd“, räumt Coca-Cola-CEO James Quincey ein. Trotzdem lieferte der Getränkekonzern Zahlen ab, die beweisen: Anpassungsfähigkeit zahlt sich aus.
Der Umsatz kletterte organisch um 6 Prozent auf 12,5 Milliarden Dollar – stärker als von Analysten erwartet. Besonders aufschlussreich ist dabei die Strategie hinter den Zahlen. Während Verbraucher unter Inflationsdruck ächzen, greift Coca-Cola zu einem cleveren Mix: Zuckerfreie Varianten boomen, kleinere Flaschen und Dosen treffen den Nerv preisbewusster Konsumenten.
Das bereinigte Ergebnis je Aktie stieg um 6 Prozent auf 0,82 Dollar, trotz erheblichen Währungsgegenwinds. Die Aktie honorierte diese Leistung mit einem Plus von über 3 Prozent. Für 2025 bleibt der Konzern bei seiner Prognose eines organischen Wachstums von 5 bis 6 Prozent – ein Signal der Zuversicht in unsicheren Zeiten.
Warner Bros: Wenn Spekulationen Kurse beflügeln
Über 11 Prozent Kursplus an einem Tag – bei Warner Bros. Discovery überschlugen sich gestern die Ereignisse. Der Auslöser? Das Unternehmen bestätigte, Interesse von potenziellen Käufern sowohl für den Gesamtkonzern als auch für einzelne Geschäftsbereiche zu haben.
Besonders pikant: David Ellison, frisch gebackener Eigentümer von Paramount, soll Interesse bekundet haben. Sein Vater Larry, Oracle-Mitgründer und Trump-Unterstützer, würde die Finanzierung stemmen. Das wirft Fragen auf über die Zukunft von CNN, das Trump kritisch gegenübersteht.
Die mögliche Aufspaltung – Hollywood-Studio hier, TV-Sender dort – zeigt, wie radikal sich die Medienlandschaft neu ordnet. Für Anleger ist es ein Lehrstück über die Macht der Spekulation: Noch ist nichts entschieden, doch allein die Möglichkeit eines Deals treibt die Kurse.
Deutsche Autobauer: Die nächste Krise kommt aus den Niederlanden
Als hätten Volkswagen, BMW und Porsche nicht schon genug Probleme. Nun droht ausgerechnet von einem niederländischen Chiphersteller neues Ungemach. Nexperia, bisher in chinesischer Hand und nun unter niederländischer Regierungskontrolle, kann die Automobilindustrie nicht mehr vollständig beliefern.
„Die Situation könnte schon in naher Zukunft zu Produktionsstopps führen“, warnt VDA-Präsidentin Hildegard Müller. Nexperia-Chips stecken in zahllosen elektronischen Steuergeräten – ohne sie läuft in modernen Autos wenig. Die Ironie: Während alle über KI und autonomes Fahren reden, könnten simple Lieferengpässe die Bänder zum Stillstand bringen.
Die Porsche-Aktie, die sich im Jahresverlauf ohnehin schwertut, könnte weitere Belastungen kaum gebrauchen. Hier zeigt sich einmal mehr die Achillesferse der globalisierten Autoindustrie.
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Apropos Chip-Engpass – wer verstehen möchte, wie Halbleiter zur strategischen Ressource der Weltwirtschaft wurden, sollte sich einmal näher mit dem globalen „Chip-Krieg“ befassen. In einem aktuellen Spezial-Report erfahren Sie, welche europäischen Tech-Unternehmen von dieser Entwicklung profitieren könnten – und warum Analysten von einem möglichen „Megatrend 2025“ sprechen. Mehr dazu lesen Sie hier im Hintergrundbericht.
Fintech trifft Finanzgiganten: FINOS startet Fluxnova
Während etablierte Unternehmen mit ihren Herausforderungen kämpfen, formiert sich im Fintech-Bereich eine bemerkenswerte Allianz. Fidelity Investments, NatWest Group, Deutsche Bank und Capital One lancieren gemeinsam Fluxnova – eine Open-Source-Plattform für Prozessautomatisierung.
Das Besondere daran? Zum ersten Mal in der Geschichte nutzen Finanzinstitute ihr „Recht zu forken“, um gemeinsam ihre digitale Zukunft zu gestalten. „Ein Meilenstein“, schwärmt FINOS-Direktor Gabriele Columbro. Die Plattform verspricht, was die Branche dringend braucht: Unabhängigkeit von Technologie-Anbietern, vollständige Transparenz und die Fähigkeit, Workflows in Echtzeit zu überwachen.
Für die Deutsche Bank, die sich mit CEO Stefan Schaffer prominent positioniert, ist es ein strategischer Schachzug. Man will nicht länger nur Kunde der Tech-Giganten sein, sondern die digitale Transformation selbst in die Hand nehmen.
Tech-Ausblick: Google Skills und die Demokratisierung der KI
Fast beiläufig kündigt Google eine kleine Revolution an: Google Skills, eine Lernplattform mit 3.000 Kursen zu KI und technischen Fähigkeiten. 26 Millionen Kurse wurden im vergangenen Jahr bereits abgeschlossen – ein Hinweis darauf, wie groß der Hunger nach digitaler Bildung ist.
Für Unternehmen bietet die Plattform maßgeschneiderte Trainingspfade. Jack Henry und über 150 weitere Firmen nutzen bereits Googles „skills-based hiring“-Initiative. Die Botschaft ist klar: In der KI-Ära zählen Fähigkeiten mehr als Abschlüsse.
Diese Entwicklung passt ins größere Bild: Während traditionelle Industrien mit Lieferketten und Arbeitskämpfen ringen, beschleunigt die Tech-Welt ihre Transformation. Die Kluft zwischen Old und New Economy wird nicht kleiner – sie wird anders.
Blick nach vorn: Wenn morgen zur Bewährungsprobe wird
Die Märkte stehen vor entscheidenden Tagen. Morgen präsentiert SAP seine Quartalszahlen – für den DAX könnte das richtungsweisend sein. In München beginnen die Medientage, bei denen BR-Intendantin Katja Wildermuth härtere Regulierung für Tech-Konzerne fordert. „Desinformation ist so gefährlich wie Drohnen“, warnt sie und trifft damit einen Nerv.
Was bleibt von diesem turbulenten Dienstag? Die Erkenntnis, dass Erfolg heute vielschichtiger ist als je zuvor. Adidas zeigt Rekordzahlen, muss aber den sozialen Frieden wahren. Coca-Cola navigiert geschickt durch schwieriges Fahrwasser. Warner Bros. könnte vor einer Zerschlagung stehen, die Anleger jubeln lässt.
Die wahre Herausforderung für Anleger liegt darin, zwischen kurzfristiger Euphorie und langfristigen Trends zu unterscheiden. In einer Welt, in der ein niederländischer Chiphersteller deutsche Autowerke lahmlegen kann und Finanzgiganten gemeinsam Open Source entwickeln, sind alte Gewissheiten obsolet.
Bleiben Sie wachsam und beweglich.
Ihr Andreas Sommer