Die globalen Finanzmärkte erleben gerade einen fundamentalen Wandel. Während der Dollar gegenüber dem Euro auf ein Vier-Jahres-Tief fällt und die Federal Reserve zur Zinswende ansetzt, zeichnen sich neue Machtverhältnisse ab. Gleichzeitig bringt Trumps billionenschwere Steuerpolitik die internationalen Kapitalmärkte in Bewegung.
Fed-Wende rückt näher
Goldman Sachs hat seine Prognose für die erste Zinssenkung der Federal Reserve dramatisch nach vorne verschoben – von Dezember auf September 2025. Der Grund: Zölle scheinen weniger inflationär zu wirken als befürchtet. "Sehr frühe Belege deuten darauf hin, dass die Zolleffekte etwas geringer ausfallen als erwartet", so die Analysten des Investmenthauses. Die Bank erwartet nun eine aggressivere Zinssenkungsserie mit Schritten im September, Oktober und Dezember 2025 sowie März und Juni 2026.
Diese Entwicklung könnte eine Zeitenwende markieren. Während andere deflationäre Kräfte wie moderates Lohnwachstum und schwächere Mietinflation an Dynamik gewinnen, zeigt sich der Arbeitsmarkt robust, aber mit ersten Rissen. Goldman warnt: "Es ist schwer geworden, einen Job zu finden."
Dollar unter Druck – Europa profitiert
Der Dollarschwäche liegt mehr zugrunde als nur die Zinsspekulation. Trumps "big, beautiful bill" – das 3,3 Billionen Dollar schwere Steuer- und Ausgabenpaket – sorgt für massive Defizitsorgen. "Es gibt viel Fokus auf die große Gesetzesvorlage und ob sie genehmigt wird", erklärt Amo Sahota von Klarity FX.
Der Euro erreichte bei 1,1780 Dollar den höchsten Stand seit September 2021 und gewann dieses Jahr bereits 14 Prozent gegen den Greenback. Besonders dramatisch: Der Dollar-Index steuert auf sein schlechtestes Halbjahr seit den 1970er Jahren zu.
Für internationale Investoren wächst der Anreiz, sich von US-Staatsanleihen abzuwenden. "Definitiv bin ich besorgt über die Expansion des Haushaltsdefizits", sagt Toshinobu Chiba von Simplex Asset Management. Er setzt bereits auf europäische Anleihen, insbesondere deutsche Bunds und französische Bonds.
Handelspolitik schafft neue Realitäten
Trumps Handelspolitik zeigt erste Erfolge – zumindest aus amerikanischer Sicht. Kanada lenkte ein und strich seine geplante Digitalsteuer auf US-Technologieunternehmen. Premierminister Mark Carney kapitulierte nach einem Telefonat mit Trump am Sonntagabend. "Ganz einfach: Premierminister Carney in Kanada gab vor Präsident Trump und den Vereinigten Staaten nach", triumphierte das Weiße Haus.
Diese Kehrtwende ermöglicht die Wiederaufnahme der Handelsgespräche zwischen beiden Ländern. Finanzminister Scott Bessent zeigt sich optimistisch über eine "Flut von Handelsabkommen" vor dem 9. Juli – dem Stichtag, nach dem 10-prozentige Zölle auf 11 bis 50 Prozent ansteigen könnten.
Globale Märkte in Bewegung
Während sich an den Finanzmärkten neue Muster etablieren, zeigen sich auch positive Entwicklungen in anderen Regionen. Argentiniens Wirtschaft wächst unter Präsident Javier Milei überraschend stark – im April um 7,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr, der höchste Anstieg seit drei Jahren. Besonders der Finanzsektor mit plus 28,4 Prozent und das Baugewerbe mit plus 17,1 Prozent treiben die Erholung an.
Die Europäische Zentralbank bereitet sich unterdessen auf eine volatilere Zukunft vor. EZB-Präsidentin Christine Lagarde warnt: "Die Welt wird ungewisser sein – und diese Ungewissheit wird die Inflation wahrscheinlich volatiler machen." Die Notenbank kündigt "angemessen kraftvolle oder anhaltende" Maßnahmen an, um die Inflation bei zwei Prozent zu halten.
Ausblick: Epochenwechsel im Gange?
Die Kapitalmärkte stehen vor einem möglichen Epochenwechsel. Während die USA mit Rekorddefiziten und Handelskonflikten kämpfen, etabliert sich Europa als sicherer Hafen. Die deutsche Wirtschaft bleibt das einzige G7-Mitglied mit einer Schuldenquote unter 100 Prozent des BIP.
Für Anleger bedeutet das: Diversifikation wird wichtiger denn je. "Es ist eine Geschichte der Diversifikation, nicht der Veräußerung", fasst Masahiko Loo von State Street zusammen. Die Zeiten amerikanischer Dominanz an den Finanzmärkten könnten sich ihrem Ende nähern – eine Entwicklung mit weitreichenden Folgen für Investoren weltweit.