Ein zartes Aufatmen geht durch Europas Fabrikhallen. Die neuesten Konjunkturdaten für April deuten vielerorts auf eine leichte Besserung der Stimmung im produzierenden Gewerbe hin, doch die Freude wird durch erhebliche globale Unsicherheiten getrübt. Insbesondere die aggressive US-Handelspolitik wirft lange Schatten auf die wirtschaftliche Entwicklung diesseits des Atlantiks. Ist der beobachtete Hoffnungsschimmer in der europäischen Industrie also nachhaltig oder nur ein kurzes Zwischenhoch?
Leichte Entspannung an der PMI-Front
Die vielbeachteten Einkaufsmanagerindizes (PMIs) für das verarbeitende Gewerbe zeichnen für April ein differenziertes, aber tendenziell freundlicheres Bild als noch im Vormonat. Besonders in Italien gab es einen deutlichen Sprung: Der HCOB PMI stieg von 46,6 auf 49,3 Punkte. Obwohl der Index damit den 13. Monat in Folge unter der Wachstumsschwelle von 50 Punkten verharrt, wurde die Kontraktion deutlich verlangsamt und die Analystenerwartungen (Prognose: 47,0) klar übertroffen. Laut Cyrus de la Rubia, Chefökonom der Hamburg Commercial Bank (HCOB), deutet dies auf eine mögliche Stabilisierung hin und lässt Wachstum wieder "in den Bereich des Möglichen" rücken.
Auch in Deutschland setzte sich die leichte Verbesserung fort. Der PMI kletterte auf 48,4 Punkte, den höchsten Wert seit August 2022. Die Produktion stieg sogar den zweiten Monat in Folge und erreichte das stärkste Wachstum seit März 2022. Ähnliche Signale kamen aus Frankreich: Mit 48,7 Punkten erreichte der dortige PMI den höchsten Stand seit Januar 2023 und signalisierte den ersten Anstieg der Produktion seit fast drei Jahren. Selbst in der Tschechischen Republik, wo der Sektor seit fast drei Jahren schrumpft, verlangsamte sich der Abschwung merklich (PMI bei 48,9).
Positiv entwickelten sich auch Länder, die bereits im Wachstumsbereich lagen. In Schweden stieg der PMI leicht auf 54,2 Punkte und übertraf damit die Erwartungen. Polen meldete mit 50,2 Punkten den dritten Wachstumsmonat in Folge, verfehlte jedoch die Prognosen leicht.
US-Handelspolitik dämpft den Optimismus
Trotz der teilweise ermutigenden Zahlen bleibt die Grundstimmung gedämpft. Fast alle großen Volkswirtschaften der Eurozone operieren im verarbeitenden Gewerbe weiterhin im kontraktiven Bereich (unter 50 Punkten). Die zentrale Sorge, die wie ein Damoklesschwert über der Erholung schwebt, ist die US-Handelspolitik unter Präsident Donald Trump und die Drohung neuer oder erhöhter Zölle.
Cyrus de la Rubia warnt explizit davor, die Produktionssteigerung in Deutschland überzubewerten. Es könne sich um Vorzieheffekte handeln, da Unternehmen Bestellungen vorziehen, um drohenden US-Zöllen zuvorzukommen. Ein „Backlash in den kommenden Monaten“ sei daher möglich. Deutschland als exportorientierte Nation wäre von US-Zöllen besonders betroffen, immerhin waren die USA 2024 der größte Handelspartner mit einem Volumen von 253 Milliarden Euro. Passend dazu sank die Zukunftserwartung deutscher Hersteller auf den niedrigsten Stand seit vier Monaten.
Auch in Frankreich blickt man mit Sorge über den Atlantik. Jonas Feldhusen von der HCOB sieht zwar potenzielle Verbesserungen bei den Auftragseingängen, erwartet aber negative Auswirkungen der US-Zölle und erhöhte Unsicherheit. Ähnliche Bedenken äußerten sich in Italien und Polen, wo die Aussichten trotz der aktuellen PMI-Verbesserung als geschwächt gelten.
Globale Signale und die Suche nach Orientierung
Die Nervosität spiegelt sich auch an den globalen Märkten wider. Zwar sorgten jüngste Signale aus Peking für leichte Hoffnung auf eine mögliche Wiederaufnahme von Handelsgesprächen zwischen China und den USA. China erklärte, eine entsprechende Offerte Washingtons zu prüfen, betonte aber, dass die USA „Aufrichtigkeit zeigen“ und die unilateralen Zölle aufheben müssten. Dies stützte kurzfristig risikofreudigere Anlagen wie den Australischen Dollar und ließ auch die US-Aktienfutures am Freitag zulegen.
Doch die Realität bleibt komplex. Erst kürzlich beendete die Trump-Regierung den zollfreien Zugang für geringwertige Sendungen aus China und Hongkong und reaktivierte damit eine entsprechende Anordnung Trumps vom Februar. Zudem belasten die bereits bestehenden Zölle die Bilanzen großer US-Konzerne. Apple beispielsweise rechnet laut CEO Tim Cook allein im laufenden Quartal mit rund 900 Millionen Dollar an zusätzlichen Kosten durch Zölle und drosselte sein Aktienrückkaufprogramm. Amazon enttäuschte ebenfalls mit seinem Ausblick, insbesondere beim Wachstum der Cloud-Sparte AWS, das hinter dem des Konkurrenten Microsoft zurückblieb.
Weitere Unsicherheit bringt der erwartete Haushaltsentwurf von Präsident Trump für 2026, der massive Kürzungen bei nicht-militärischen Ausgaben vorsehen soll, während Mittel für Grenzsicherheit und Verteidigung aufgestockt werden. Dieses Vorhaben, orchestriert vom neu geschaffenen „Department of Government Efficiency“ unter Elon Musk, dürfte im Kongress auf erheblichen Widerstand stoßen.
Im Fokus der Märkte steht zudem der am heutigen Freitag erscheinende US-Arbeitsmarktbericht. Ökonomen erwarten einen Rückgang bei den neu geschaffenen Stellen, was die wirtschaftliche Unsicherheit widerspiegeln würde, auch wenn der Arbeitsmarkt bisher robust blieb. Die Daten sind ein wichtiger Indikator dafür, wie die US-Notenbank Federal Reserve ihre Zinspolitik angesichts der Inflation und der Auswirkungen der Handelspolitik gestalten wird.
Ausblick: Zwischen Hoffen und Bangen
Die europäische Industrie sendet zaghafte Lebenszeichen, doch die Abhängigkeit von globalen Entwicklungen, allen voran der unberechenbaren US-Handelspolitik, bleibt immens. Während mögliche positive Impulse wie Zinssenkungen durch die EZB oder erhöhte EU-Verteidigungsausgaben (wie in Frankreich als möglicher Treiber genannt) Hoffnung machen, überwiegen derzeit die Risiken. Die kommenden Monate werden zeigen, ob die leichte Verbesserung der PMI-Daten der Auftakt zu einer nachhaltigen Erholung war oder ob die Zoll-Drohungen aus Washington die zarten Konjunkturpflänzchen wieder zertreten. Die Unsicherheit bleibt vorerst der bestimmende Faktor.