Die Spannungen zwischen der Trump-Administration und der Federal Reserve erreichen einen neuen Höhepunkt. Während sich die Märkte auf eine entscheidende Zinswoche vorbereiten, eskaliert der politische Druck auf Fed-Chef Jerome Powell – mit weitreichenden Folgen für die globale Finanzstabilität.
Trumps unerwarteter Fed-Besuch sorgt für Aufsehen
Der seltene Präsidentenbesuch bei der Fed am Donnerstag markiert eine dramatische Zuspitzung der Beziehungen zwischen der Regierung und der unabhängigen Notenbank. Trump, der Powell erst diese Woche als "Trottel" bezeichnet hatte, machte bei seinem Besuch der Baustelle des Fed-Hauptquartiers deutlich: Eine Zinssenkung bleibt seine oberste Priorität.
"Ich würde es lieben, wenn er die Zinsen senkt", erklärte Trump vor Reportern, während Powell mit ausdrucksloser Miene daneben stand. Die ungewöhnliche Szene verdeutlicht den enormen Druck, unter dem die Fed weniger als eine Woche vor ihrer nächsten Zinsentscheidung steht. Die Märkte erwarten, dass die Notenbank ihren Leitzins in der Spanne von 4,25 bis 4,50 Prozent belässt.
Der Besuch gewann zusätzliche Brisanz durch Trumps scharfe Kritik an den Renovierungskosten der Fed-Gebäude. Die geschätzten Kosten von ursprünglich 2,5 Milliarden Dollar sind laut Trump auf 3,1 Milliarden Dollar angestiegen. "Das ist außer Kontrolle geraten", urteilte der Präsident über das Bauprojekt, das die erste Vollsanierung der beiden historischen Gebäude seit ihrer Errichtung vor fast einem Jahrhundert darstellt.
Politisierung der Geldpolitik belastet Märkte
Die aggressive Rhetorik der Trump-Administration gegenüber der Fed offenbart einen fundamentalen Angriff auf die Unabhängigkeit der Zentralbank. Finanzminister Scott Bessent forderte bereits eine umfassende Überprüfung aller nicht-geldpolitischen Aktivitäten der Fed, während Budgetdirektor Russell Vought die Kostenüberschreitung der Renovierung auf "700 Millionen Dollar und mehr" bezifferte.
Diese Kritik erfolgt vor dem Hintergrund erheblicher Verluste der Fed, die sich aus der Mechanik der Inflationsbekämpfung ergeben. 2023 meldete die Notenbank einen Nettoverlust von 114,6 Milliarden Dollar, 2024 waren es 77,5 Milliarden Dollar – eine Umkehrung der jahrelangen Gewinne, die sie an das Finanzministerium abführte, als die Zinsen niedrig waren.
Die Märkte zeigten sich zunächst wenig beeindruckt von Trumps Fed-Besuch. Allerdings steigen die Renditen zehnjähriger US-Staatsanleihen, nachdem neue Daten einen stabilen Arbeitsmarkt signalisierten, der keine Unterstützung durch Zinssenkungen benötigt.
Globale Zentralbankpolitik im Wandel
Während Washington Druck auf die Fed ausübt, navigieren andere Zentralbanken durch ihre eigenen Herausforderungen. Die Europäische Zentralbank hielt ihre Zinsen am Donnerstag wie erwartet bei 2,0 Prozent und signalisierte eine vorsichtigere Haltung gegenüber weiteren Lockerungen.
EZB-Präsidentin Christine Lagarde betonte, die Notenbank befinde sich in einer "guten Position" bezüglich ihrer Politik. Händler reduzierten daraufhin ihre Erwartungen für eine Zinssenkung im September auf unter 30 Prozent – zuvor lag die Wahrscheinlichkeit bei etwa 50 Prozent. Deutsche Bundesanleihen mit zweijähriger Laufzeit stiegen um mehr als 10 Basispunkte auf 1,90 Prozent.
Die zurückhaltende Haltung der EZB wird durch Fortschritte bei den Handelsverhandlungen zwischen der EU und den USA gestützt. Diplomaten berichten von einem nahenden Abkommen, das einen pauschalen Zoll von 15 Prozent auf EU-Waren vorsieht – deutlich weniger als die ursprünglich angedrohten 30 Prozent.
Marktdynamik zwischen Politik und Wirtschaftsdaten
Der Dollar zeigte sich in einer engen Handelsspanne gefangen, während Investoren sich auf eine ereignisreiche Woche vorbereiten. Neben der Fed-Entscheidung stehen wichtige US-Arbeitsmarktdaten an, die die ZinserwarÂtungen für September beeinflussen könnten. Derzeit preisen Händler eine 60-prozentige Wahrscheinlichkeit für eine Zinssenkung um 25 Basispunkte ein.
Die Immobilienmärkte senden gemischte Signale. Verkäufe neuer Einfamilienhäuser stiegen im Juni nur leicht um 0,6 Prozent auf 627.000 Einheiten – weniger als die erwarteten 650.000. Gleichzeitig stieg der Bestand unverkaufter Häuser auf den höchsten Stand seit Oktober 2007, was den Preisdruck erhöht.
Ausblick: Unabhängigkeit unter Beschuss
Trumps direkter Angriff auf die Fed-Unabhängigkeit stellt eine beispiellose Herausforderung für das globale Finanzsystem dar. Während er versicherte, Powell nicht zu entlassen, bleibt der politische Druck bestehen. Senator Mike Rounds betonte die kritische Bedeutung von Powells Unabhängigkeit: "Das ist entscheidend für die Märkte."
Die kommenden Wochen werden zeigen, ob die Fed ihre Geldpolitik von politischen Einflüssen abschotten kann. Mit einer Fülle von Wirtschaftsdaten und der nächsten Fed-Sitzung im September steht nicht nur die amerikanische Geldpolitik, sondern die Glaubwürdigkeit des gesamten Zentralbanksystems auf dem Spiel.