Die Unabhängigkeit der US-Notenbank gerät zunehmend unter Beschuss. Während Präsident Trump seine Kritik an Fed-Chef Jerome Powell verschärft und dessen Rücktritt fordert, zeigen sich die Auswirkungen seiner Handelspolitik bereits in den Inflationsdaten – ein Dilemma, das die Märkte in Aufruhr versetzt.
Der anhaltende Konflikt zwischen dem Weißen Haus und der Federal Reserve erreicht eine neue Eskalationsstufe. Trump hat seine Angriffe auf Powell intensiviert und dessen Rücktritt als "großartige Sache" bezeichnet. Gleichzeitig prüft die Regierung Kostenüberschreitungen bei der Renovierung des historischen Fed-Hauptquartiers in Washington – ein Schritt, der als Versuch interpretiert wird, einen Grund für Powells Entlassung zu finden.
Inflationsdaten bestätigen Fed-Befürchtungen
Die jüngsten Verbraucherpreisdaten für Juni liefern Trump paradoxerweise neue Munition gegen die Notenbank, erschweren aber gleichzeitig deren Handlungsspielraum. Die Inflation stieg um 0,3 Prozent und erreichte damit eine Jahresrate von 3,5 Prozent – der stärkste Anstieg seit fünf Monaten. Besonders betroffen waren importierte Güter wie Audio-Video-Ausrüstung, deren Preise um 1,1 Prozent stiegen und auf Jahressicht um 11,1 Prozent zulegten.
"Der heutige Bericht zeigt, dass die Zölle zu beißen beginnen", erklärt Omair Sharif von Inflation Insights. Die Preissteigerungen konzentrierten sich auf stark importierte Produkte wie Bekleidung, Haushaltswaren und Freizeitartikel. Diese Entwicklung bestätigt die Befürchtungen der Fed-Funktionäre, die vor den inflationären Auswirkungen der Handelspolitik gewarnt hatten.
Märkte reagieren mit Vorsicht
Die Unsicherheit über die Fed-Unabhängigkeit führt zu defensivem Verhalten an den Märkten. Anleger positionieren sich zunehmend gegen das Risiko höherer Inflation, wie die auf 2,476 Prozent gestiegenen Breakeven-Inflationsraten bei fünfjährigen Treasury-Papieren zeigen – ein Drei-Monats-Hoch. Die Renditen 30-jähriger US-Staatsanleihen überschritten erstmals seit Ende Mai die 5-Prozent-Marke.
"Falls die Märkte glauben, dass eine politisch gefangene Fed die Zinsen senken wird, um das Wachstum zu stimulieren, unabhängig von den wirtschaftlichen Konsequenzen, werden die langfristigen Inflationserwartungen steigen", warnt Guy LeBas von Janney Capital Management. Die Auswirkungen könnten erheblich sein – "möglicherweise gemessen in Prozentpunkten bei 30-jährigen Treasury-Renditen, nicht in Basispunkten".
Banken profitieren von Marktvolatilität
Während die politischen Spannungen die Märkte belasten, profitieren die großen US-Banken von der gestiegenen Volatilität. JPMorgan Chase, Citigroup und Wells Fargo übertrafen die Gewinnerwartungen, unterstützt durch höhere Handelseinnahmen. Citigroups Markterlöse sprangen um 16 Prozent auf 5,9 Milliarden Dollar – die beste Performance seit dem zweiten Quartal 2020.
"Die Kapitalmärkte atmen endlich auf", kommentiert Laurent Birade von Moody’s. Die Investmentbanking-Gebühren stiegen deutlich, da sich das Geschäft mit Fusionen und Übernahmen nach der tariffbedingten Pause im April wieder belebte. JPMorgan verzeichnete einen Anstieg der Investmentbanking-Gebühren um 7 Prozent auf 2,5 Milliarden Dollar.
Internationale Auswirkungen
Die Handelspolitik zeigt auch internationale Konsequenzen. Der Dollar erreichte ein 15-Wochen-Hoch gegen den Yen, während sich Handelspartner auf neue Zollrunden vorbereiten. Brasilien arbeitet intensiv daran, die für den 1. August angedrohten 50-Prozent-Zölle abzuwenden, während Mexiko bereits mit Strafzahlungen für Finanzinstitute reagiert, die von US-Sanktionen betroffen sind.
Die kanadische Zentralbank sieht sich ebenfalls unter Druck gesetzt. Nach überraschend robusten Inflationsdaten reduzierten Investoren ihre Erwartungen für Zinssenkungen. Die Wahrscheinlichkeit einer Zinssenkung am 30. Juli fiel auf nur noch 5 Prozent.
Ausblick bleibt ungewiss
Fed-Chef Powell, dessen Amtszeit bis Mai 2026 läuft, hat wiederholt betont, dass er nicht zurücktreten werde. Doch Finanzminister Scott Bessent kündigte bereits an, dass die Regierung im Herbst mit der Suche nach einem Nachfolger beginnen werde. Diese Ankündigung verstärkt die Spekulationen über einen möglichen "Schatten-Fed-Chef", der bereits vor Powells Amtsende Einfluss auf die Geldpolitik ausüben könnte.
JPMorgan-Chef Jamie Dimon warnte eindringlich vor den Konsequenzen: "Die Unabhängigkeit der Fed ist absolut kritisch. Das Herumspielen mit der Fed kann oft negative Konsequenzen haben – absolut das Gegenteil von dem, was man sich erhofft."
Die kommenden Monate werden entscheidend sein für die Zukunft der amerikanischen Geldpolitik und deren globale Auswirkungen. Während Trump den Druck auf Powell erhöht, zeigen die Inflationsdaten, dass die Fed in einem schwierigen Umfeld navigieren muss – zwischen politischem Druck von oben und wirtschaftlichen Realitäten von unten.