Frankfurts Friedens-Wette: Wenn der DAX die Null-Linie ignoriert

Deutschlands Wirtschaft stagniert offiziell bei 0,0 Prozent, doch der DAX steigt dank Friedenserwartungen in der Ukraine und Zinssenkungshoffnungen aus den USA.

Frankfurts Friedens-Wette: Wenn der DAX die Null-Linie ignoriert
Kurz & knapp:
  • Amtliche Bestätigung der Wirtschaftsstagnation
  • Heidelberg Materials erreicht Allzeithoch durch Friedenshoffnung
  • Nvidia verliert durch möglichen Kundenwechsel von Meta
  • Bitcoin kämpft mit deutlichem Kursrückgang

Liebe Leserinnen und Leser,

es gibt Momente an der Börse, in denen sich die Finanzmärkte von der ökonomischen Schwerkraft abzukoppeln scheinen. Heute war ein solcher Tag der maximalen Dissonanz. Während die Statistiker in Wiesbaden amtlich besiegelten, was jeder Unternehmer im Land längst spürt – nämlich den vollständigen Stillstand der deutschen Wirtschaft –, feierten die Händler in Frankfurt eine Party.

Der DAX kletterte um fast ein Prozent auf 23.465 Punkte und ging damit auf Tuchfühlung zu neuen Rekorden. Wie passt das zusammen? Wie kann der Leitindex einer stagnierenden Volkswirtschaft florieren? Die Antwort liegt in einer Wette auf die Zukunft, die heute zwei Namen trug: Frieden und Zinssenkungen. Die Hoffnung, dass der Krieg in der Ukraine endet und das Geld aus den USA billiger wird, wiegt für das Kapital derzeit schwerer als die graue Gegenwart der deutschen Industrie.

Doch Vorsicht ist geboten. Wer die fundamentale Basis ignoriert, wandelt auf dünnem Eis.

Hier ist, was Sie heute wissen müssen.

Die amtliche Null: Stagnation als Dauerzustand

Beginnen wir mit der harten Realität, die sich nicht wegdiskutieren lässt. Das Statistische Bundesamt hat heute bestätigt: Das deutsche Bruttoinlandsprodukt stagnierte im dritten Quartal 2025 bei exakt 0,0 Prozent.

Der Blick unter die Motorhaube der Konjunktur offenbart, wo es klemmt. Der private Konsum ist um 0,3 Prozent geschrumpft. Es ist eine Entwicklung, die wir tendenziell seit Ende 2023 beobachten: Die Bürger halten ihr Geld zusammen, verunsichert durch die politische Großwetterlage und den schleichenden Kaufkraftverlust. Auch der Außenhandel, jahrzehntelang unser verlässlicher Wachstumsmotor, stottert. Die Exporte gingen um 0,7 Prozent zurück – eine direkte Folge der Angst vor US-Zöllen und der anhaltenden Schwäche Chinas.

Einen kleinen Lichtblick gab es indes: Die Investitionen zogen gegen den Trend um 1,1 Prozent an. Doch ob dies eine Trendwende markiert, darf bezweifelt werden. Der ifo-Geschäftsklimaindex, der im November auf frostige 88,1 Punkte fiel, spricht eine andere Sprache. Die Analysten der LBBW nennen es in ihrem heute veröffentlichten Ausblick für 2026 treffend einen „Aufbruch mit Unsicherheiten“. Bis dieser Aufbruch real wird, bleibt uns wohl oder übel die Stagnation erhalten.

Die Wette auf den Wiederaufbau

Warum also der Optimismus in Frankfurt? Der Markt handelt nicht den Status quo, sondern die Antizipation. Und diese wurde heute durch Berichte befeuert, wonach eine diplomatische Lösung in der Ukraine greifbarer scheint.

Diese Hoffnung materialisierte sich nirgendwo deutlicher als bei Heidelberg Materials. Der Baustoffkonzern schoss um über 6 Prozent nach oben und markierte ein Allzeithoch von rund 221 Euro. Die Logik der Anleger ist von bestechender Schlichtheit: Frieden bedeutet Wiederaufbau, und Wiederaufbau benötigt Zement. Interessanterweise blieb auch Rheinmetall (+2,8 %) gefragt. Der Markt betreibt hier ein fast schon zynisches Hedging: Man verdient am Krieg, positioniert sich aber gleichzeitig für den Frieden.

Flankiert wird diese Stimmung von der festen Überzeugung, dass die US-Notenbank Fed im Dezember an der Zinsschraube drehen wird. Die Märkte preisen eine Senkung nun mit einer Wahrscheinlichkeit von über 80 Prozent ein. Das stützte heute auch den Euro, der sich auf 1,156 US-Dollar erholte. Es ist das Szenario der „sanften Landung“, auf das hier gewettet wird. Ob die geopolitische Realität – während weiterhin russische Drohnenangriffe gemeldet werden – diesen Optimismus rechtfertigt, steht auf einem anderen Blatt.

Palastrevolution im Silicon Valley

Während Frankfurt die „Old Economy“ wiederentdeckte, braute sich an der Wall Street etwas zusammen, das die Machtverhältnisse im Technologiesektor neu ordnen könnte. Gestern berichteten wir an dieser Stelle über die KI-Offensive von Google – heute sehen wir die ersten Risse im Bollwerk des Platzhirschen Nvidia.

Die Aktie des Chip-Giganten verlor zeitweise über 4 Prozent. Der Auslöser ist ein Bericht, der es in sich hat: Meta erwägt offenbar, für seine gigantische KI-Infrastruktur künftig verstärkt auf Chips von Google (Alphabet) zu setzen, statt exklusiv bei Nvidia zu kaufen. Für Alphabet war dies der Treibstoff für eine Rallye (+1,4 % bis +4 % je nach Handelsplatz), für Nvidia hingegen ein Warnschuss vor den Bug.

Die Episode zeigt: Der „Burggraben“ von Nvidia ist vielleicht nicht so unüberwindbar, wie viele Investoren dachten. Wenn die Hyperscaler – also die größten Kunden – beginnen, ihre Hardware-Allianzen zu diversifizieren, geraten die Margen des Marktführers unter Druck. Der KI-Kuchen bleibt riesig, aber er wird neu verteilt.

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Die jüngsten Entwicklungen in der Halbleiterbranche zeigen deutlich: Der Chip-Markt wird neu gemischt, und das eröffnet erhebliche Chancen für Anleger. Börsenexperte Bernd Wünsche analysiert in seinem kostenlosen Webinar, welche 4 Chip-Aktien vom Billionen-Dollar-Boom profitieren könnten – jenseits der bekannten Namen wie Nvidia. Er zeigt konkret, wie Regierungen hunderte Milliarden in Chip-Allianzen investieren und welche Unternehmen davon profitieren werden. Details zur Chip-Aktien-Analyse ansehen

Krypto-Ernüchterung

Ein gänzlich anderes Bild bot sich heute bei den digitalen Assets. Von der Euphorie der letzten Wochen ist wenig geblieben. Bitcoin kämpft mit der Marke von 87.000 US-Dollar und liegt damit deutlich unter seinem Oktober-Hoch von 126.000 Dollar.

Die Gründe für diese Abkühlung sind vielfältig: Gewinnmitnahmen treffen auf eine Stimmung, die von „Extreme Fear“ geprägt ist, flankiert von massiven Abflüssen aus den ETFs – allein im November zogen Investoren 3,5 Milliarden Dollar ab. Bemerkenswert ist jedoch die Divergenz zu XRP, das sich gegen den Trend auf 2,20 Dollar erholte. Institutionelle Anleger scheinen selektiver zu werden. Die Deutsche Bank vermutet in einer aktuellen Analyse, dass die restriktive Geldpolitik und Liquiditätsengpässe eine breite Rallye vorerst deckeln. Der große Krypto-Crash ist das noch nicht, aber der Rausch ist definitiv verflogen.

Was sonst noch wichtig war

  • Alibaba opfert Marge für Zukunft: Der chinesische E-Commerce-Riese meldete zwar Umsatzwachstum, schockte aber mit einem Gewinneinbruch von 71 Prozent. Der Grund sind massive Investitionen in Künstliche Intelligenz. Dass die Aktie dennoch stieg, zeigt Reife: Der Markt honoriert, dass Alibaba das langfristige Wachstum über kurzfristige Profite stellt.
  • Nuceras Realitätscheck: Nachdem gestern bereits der Ausblick enttäuschte, folgte heute die Bestrafung für die konkreten Zahlen. Die Wasserstoff-Tochter Thyssenkrupp Nucera meldete einen Umsatz von 845 Millionen Euro und wurde mit einem Minus von über 9 Prozent abgestraft. Die Energiewende mag ein Jahrhundertprojekt sein, doch für Nucera ist sie aktuell vor allem eine Durststrecke.
  • US-Shopper bleiben wählerisch: Trotz des gestern gemeldeten Einbruchs beim Verbrauchervertrauen explodierte die Aktie des Einzelhändlers Kohl’s um über 30 Prozent nach starken Zahlen. Die Lektion: Auch in schlechter Stimmung wird konsumiert – solange der Preis stimmt.

Das Fazit

Wir erleben aktuell eine Phase, in der Narrative die Kurse stärker bewegen als fundamentale Daten. Die Stagnation in Deutschland ist ein Faktum, die Friedenshoffnung in der Ukraine noch Spekulation. Solange die Liquidität fließt, kann diese Divergenz bestehen bleiben. Doch für den DAX wird die Luft dünner, wenn die Konjunktur nicht bald ein Lebenszeichen von sich gibt. Hoffnung ist ein potenter Treibstoff für Rallyes, aber Gewinne sind das Fundament, auf dem sie dauerhaft stehen müssen.

Ich wünsche Ihnen einen erkenntnisreichen Abend.

Herzlichst,

Ihr Felix Baarz

Über Andreas Sommer 1122 Artikel

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