Die internationalen Finanzmärkte navigieren durch ein komplexes Geflecht aus Handelsspannungen und geldpolitischen Weichenstellungen. Während die USA ihre Zollpolitik verschärfen und gleichzeitig über Zinssenkungen diskutieren, reagieren die globalen Märkte mit einer Mischung aus Vorsicht und vorsichtigem Optimismus.
Handelskrieg mit ungewissen Folgen
Die jüngste Verlängerung des US-chinesischen Handelswaffenstillstands bis zum 10. November bringt den Märkten kurzfristig Erleichterung. Kanadas TSX-Futures stiegen um 0,24 Prozent, während Rohstoffpreise von der entspannteren Lage profitierten. Doch die Ruhe könnte trügerisch sein.
Chinas Exporte in die USA brachen im vergangenen Monat um mehr als 21 Prozent ein, obwohl die Gesamtexporte überraschend stark ausfielen. Analysten der Bank of America warnen vor zusätzlichen Volatilitäten, da Unsicherheiten über die tatsächlichen Auswirkungen der Zölle auf Unternehmensgewinne bestehen bleiben.
Besonders beunruhigend: Präsident Trump verhängte bereits zusätzliche 25-Prozent-Zölle auf Indien und brachte die Abgaben auf indische Waren auf 50 Prozent – zu den höchsten unter allen US-Handelspartnern. Etwa 55 Prozent der indischen Warenexporte in die USA sind nun von den Zöllen betroffen.
Deutsche Wirtschaftssorgen belasten Anleihenmärkte
In Europa zeigt sich ein anderes Bild. Deutsche 10-jährige Bundesanleihen erreichten ein 12-Tage-Hoch von 2,711 Prozent, da Anleger vor den US-Inflationsdaten vorsichtig agierten. Das deutsche Wirtschaftsvertrauen sank im August um 18,0 Punkte auf 34,7 – deutlich unter den Erwartungen von 38,0.
Die Enttäuschung über das EU-US-Handelsabkommen und Deutschlands schwache Wirtschaftsleistung im zweiten Quartal drücken auf die Stimmung. Nach monatelangem Optimismus scheint die Ernüchterung Einzug zu halten.
Asiatische Märkte zwischen Hoffnung und Realität
Singapur überrascht mit einer Anhebung der BIP-Prognose für 2025 auf 1,5 bis 2,5 Prozent, nachdem das zweite Quartal ein Wachstum von 4,4 Prozent verzeichnete. Doch auch hier warnt das Handelsministerium vor einer Verlangsamung in der zweiten Jahreshälfte.
In China sorgt steigende Liquidität für positive Stimmung am A-Aktien-Markt, obwohl sich Investoren über die langfristigen Wachstumsaussichten Sorgen machen. Die anhaltende Immobilienkrise wird voraussichtlich mindestens bis Ende 2025 andauern, während weitere Stimulusmaßnahmen unwahrscheinlich erscheinen.
Inflationsdaten als Wendepunkt
Alle Augen richten sich auf die US-Inflationsdaten, die heute um 14:30 Uhr MEZ veröffentlicht werden. Die Zahlen könnten zeigen, ob die amerikanischen Zölle bereits zu höheren Preisen beitragen und damit die Zinssenkungspläne der Federal Reserve gefährden.
Aktuell preisen die Märkte eine 88-prozentige Wahrscheinlichkeit für eine Zinssenkung um 25 Basispunkte im September ein. Fed-Governeurin Michelle Bowman, eine Trump-Nominierte, sieht in den schwächelnden Arbeitsmarktdaten bereits Grund für sofortige Zinssenkungen.
Paradoxerweise könnte Trump durch seine Kritik an den Arbeitsmarktdaten – er entließ den Chef des Statistikamts wegen "manipulierter" Zahlen – genau die Zinssenkungen bekommen, die er sich wünscht.
Indien als überraschender Stabilitätsfaktor
Während andere Volkswirtschaften kämpfen, verzeichnet Indien eine bemerkenswerte Entwicklung: Die Verbraucherinflation fiel im Juli auf 1,55 Prozent – den niedrigsten Stand seit acht Jahren. Fallende Lebensmittelpreise, insbesondere bei Gemüse (-20,69 Prozent) und Hülsenfrüchten (-13,76 Prozent), treiben diese Entwicklung.
Doch die niedrige Inflation hat auch Schattenseiten: Landwirte leiden unter den sinkenden Preisen, während ihre Produktionskosten steigen. Ökonomen erwarten dennoch weitere Zinssenkungen, zumal die US-Zölle das Wachstum um 30 bis 40 Basispunkte dämpfen könnten.
Ausblick: Unsicherheit als Konstante
Die globalen Märkte stehen vor einem schwierigen Spagat. Einerseits könnte die lockere Geldpolitik Auftrieb geben, andererseits drohen Handelskonflikte die Erholung zu ersticken. Die Verlängerung des US-chinesischen Waffenstillstands verschafft zwar Luft zum Atmen, löst aber die grundlegenden Probleme nicht.
Besonders brisant: Die Qualität der Wirtschaftsdaten steht zunehmend in Frage. Trumps Entlassung des Statistik-Chefs und die Ernennung des konservativen Ökonomen E.J. Antoni als Nachfolger werfen Schatten auf die Datenintegrität. Fed-Vertreter betonen bereits, dass sie auf alternative Datenquellen zurückgreifen können – ein beunruhigendes Signal für die Märkte.