Globaler Handelskonflikt: Märkte in Aufruhr

Europas Dienstleistungssektor schrumpft erstmals seit 2025, während US-Futures nach Trumps Politikwende steigen. Globale Wirtschaft am Scheideweg.

Globaler Handelskonflikt: Märkte in Aufruhr
Kurz & knapp:
  • Europäischer PMI-Index fällt auf bedenkliche 50,1 Punkte
  • US-Futures erholen sich nach Trumps Fed-Kehrtwende
  • EZB sieht Spielraum für weitere Zinssenkungen
  • Tesla-Aktien steigen trotz globaler Unsicherheiten

Die jüngsten Handelsstreitigkeiten zwischen den USA und China haben die globalen Finanzmärkte in einen Strudel der Unsicherheit gestürzt. Europäische Unternehmen verzeichnen erstmals seit Februar 2025 einen Stillstand im Wachstum, während US-Futures nach Trumps überraschender Kehrtwende in der Fed-Politik deutlich anziehen konnten. Der europäische Einkaufsmanagerindex (PMI) fiel im April auf kritische 50,1 Punkte – knapp über der Wachstumsgrenze – und signalisiert eine besorgniserregende Entwicklung im Dienstleistungssektor.

Europas Wirtschaftsmotor stottert

Die europäische Wirtschaft steht am Rande der Stagnation. Der jüngste PMI-Composite-Index von HCOB und S&P Global rutschte im April auf 50,1 Punkte ab, nachdem er im März noch bei 50,9 Punkten lag. Besonders beunruhigend: Der Dienstleistungssektor, lange Zeit Wachstumsmotor der Eurozone, verzeichnete mit einem Wert von 49,7 Punkten erstmals seit Februar 2025 eine Kontraktion. "Der Dienstleistungssektor hat sich zu einem echten Spielverderber entwickelt", konstatiert Cyrus de la Rubia, Chefökonom bei der HCOB.

Die wirtschaftlichen Aussichten verdüstern sich zusätzlich durch einen dramatischen Einbruch des Geschäftsoptimismus unter Dienstleistern. Der entsprechende Index fiel auf 53,1 Punkte – den niedrigsten Stand seit Mitte 2020, als die COVID-19-Pandemie die Weltwirtschaft im Griff hatte.

Noch dramatischer stellt sich die Lage in Großbritannien dar. Der britische Composite PMI stürzte auf 48,2 Punkte ab – der niedrigste Wert seit November 2022. Exportaufträge britischer Unternehmen verzeichneten den stärksten Rückgang seit den frühen Monaten der Pandemie 2020.

US-Handelspolitik als Unsicherheitsfaktor

"Die jüngsten Erhöhungen der US-Zölle und die damit verbundenen Marktverwerfungen haben die Indikatoren für das Wirtschaftsvertrauen in diesem Monat einbrechen lassen", erläutert Jack Allen-Reynolds von Capital Economics. Diese Einschätzung wird durch die PMI-Daten gestützt, die auf eine wachsende Verunsicherung unter europäischen Unternehmen hindeuten.

Die Erholung der US-Futures am Mittwoch folgte auf Donald Trumps überraschende Kehrtwende bezüglich seiner Drohungen, Fed-Chef Powell zu entlassen. "Ich habe nicht die Absicht, ihn zu feuern", erklärte Trump, nachdem er zuvor geäußert hatte, Powells Entlassung könne "nicht schnell genug" kommen. Diese Aussagen hatten in den vergangenen Tagen zu erheblichen Verlusten bei US-Vermögenswerten geführt.

Zusätzlich ließ Trump Optimismus hinsichtlich eines Handelsabkommens mit China erkennen, das die Zölle auf chinesische Waren "deutlich" senken könnte – eine bemerkenswerte Wende in seiner bisher unberechenbaren Handelspolitik. Die Märkte reagierten prompt: Dow-Futures legten um 675 Punkte oder 1,72% zu, S&P 500-Futures stiegen um 115 Punkte oder 2,16%, und die Nasdaq 100-Futures gewannen sogar 460,25 Punkte oder 2,5%.

Zentrale Notenbanken unter Druck

Die Europäische Zentralbank (EZB) sieht sich mit dieser Gemengelage konfrontiert, während die Lohndynamik in der Eurozone eine Entspannung zeigt. Der EZB-Lohntracker, der aktive Tarifverträge erfasst, prognostiziert für 2025 einen deutlichen Rückgang des Lohnwachstums auf 3,1% – nach 4,8% im Jahr 2024. Ohne Einmalzahlungen fällt der rückläufige Trend weniger ausgeprägt aus, hier wird ein Rückgang von 4,2% auf 3,8% erwartet.

Diese Entwicklung könnte der EZB, die erst in der Vorwoche zum siebten Mal binnen eines Jahres die Zinsen gesenkt hat, weiteren geldpolitischen Spielraum eröffnen. Allerdings warnte die Notenbank bereits, dass die unberechenbare US-Handelspolitik das Wachstum belasten dürfte.

Die Bank of England dürfte angesichts der schwachen britischen Wirtschaftsdaten ebenfalls unter Druck geraten. "Der Einbruch des Vertrauens und der Produktionsrückgang im April sind Warnsignale für die kurzfristigen Wirtschaftsaussichten und erhöhen den Druck auf die Bank of England, die Zinsen bei ihrer Mai-Sitzung erneut zu senken", kommentiert Chris Williamson, Chefökonom bei S&P Global. Die Finanzmärkte preisen mittlerweile eine Zinssenkung bei der BoE-Sitzung am 8. Mai vollständig ein.

Asiatische Reaktionen auf den Handelskonflikt

Die Auswirkungen der globalen Handelsspannungen sind auch in Asien spürbar. In Indonesien hielt die Zentralbank ihre Leitzinsen zum dritten Mal in Folge konstant, um die Stabilität der Rupiah zu gewährleisten. Die indonesische Währung hatte Anfang April ein Rekordtief erreicht, nachdem die USA Vergeltungszölle gegen mehrere Länder, darunter Indonesien, angekündigt hatten.

Bank Indonesia-Gouverneur Perry Warjiyo betonte, die Zinsentscheidung stehe im Einklang mit den Bemühungen, die Stabilität der Rupiah zu schützen, während man weiterhin Spielraum für künftige Zinssenkungen prüfe. Die Zentralbank erwartet nun für 2025 ein Wirtschaftswachstum leicht unter der Mitte ihrer Prognosespanne von 4,7% bis 5,5%.

China reagiert auf den Handelskonflikt mit verstärkten Bestrebungen zur Internationalisierung des Yuan. Lu Lei, stellvertretender Gouverneur der People’s Bank of China (PBOC), erklärte, Chinas jüngster Plan zur Erleichterung grenzüberschreitender Finanzdienstleistungen sei in einer Zeit, in der sich sowohl das interne als auch das externe Umfeld stark verändert hätten, wichtiger geworden. Die PBOC veröffentlichte am Montag einen Aktionsplan, der Staatsunternehmen ermutigt, den Yuan bei Geschäftstransaktionen bevorzugt zu nutzen.

Unternehmenssektor im Spannungsfeld

Inmitten dieser globalen Unsicherheit zeigen die ersten Unternehmensberichte der "Magnificent Seven" gemischte Signale. Tesla-Aktien stiegen im vorbörslichen Handel um 6,3%, nachdem der Elektroautohersteller für sein Kerngeschäft einen Gewinn gemeldet hatte, der die niedrigen Erwartungen übertraf. CEO Elon Musk kündigte zudem an, sein Engagement in der Trump-Administration zurückzufahren, um sich auf die Führung seiner zahlreichen Unternehmen zu konzentrieren.

Tech-Giganten wie Apple (+3%) und Nvidia (+4,8%) verzeichneten ebenfalls Kursgewinne im vorbörslichen Handel. Die kombinierten Gewinnschätzungen für den S&P 500 deuten auf ein Wachstum von 8,1% im Jahresvergleich hin – ein positives Signal inmitten der Handelsunsicherheit.

Intel-Aktien legten um 3% zu, nachdem Berichte über einen geplanten Stellenabbau von über 20% der Belegschaft kursierten – ein weiteres Zeichen für den Anpassungsdruck in der Technologiebranche.

Ausblick: Globale Wirtschaft am Scheideweg

Die Weltwirtschaft steht vor einer entscheidenden Phase. Während die europäische Wirtschaft am Rande einer Stagnation balanciert, zeigen die US-Märkte trotz der handelspolitischen Unsicherheit Anzeichen von Widerstandsfähigkeit. Die langfristigen Auswirkungen des Handelskonflikts bleiben jedoch ungewiss.

Chris Williamson von S&P Global warnt: "Der globale Ausblick ist die größte Sorge für britische Unternehmen." Diese Einschätzung dürfte für die gesamte Weltwirtschaft gelten. Besonders brisant ist die Situation für exportorientierte Volkswirtschaften wie Deutschland, wo der private Sektor im April aufgrund von Problemen im Dienstleistungssektor und handelsbedingter Unsicherheit schrumpfte.

Die kommenden Wochen werden zeigen, ob Trumps moderatere Töne bezüglich der Handelspolitik und der Führung der Fed anhalten und ob die Zentralbanken weltweit in der Lage sein werden, die wirtschaftlichen Auswirkungen der handelspolitischen Spannungen abzufedern. Die Finanzmärkte werden weiterhin jeden Hinweis auf die künftige Richtung der US-Handelspolitik und die Reaktionen der globalen Wirtschaftsakteure genau verfolgen.

Über Felix Baarz 167 Artikel
Mit über fünfzehn Jahren Erfahrung als Wirtschaftsjournalist hat sich Felix Baarz als Experte für internationale Finanzmärkte etabliert. Seine Leidenschaft gilt den Mechanismen globaler Finanzmärkte und komplexen wirtschaftspolitischen Zusammenhängen, die er für seine Leserschaft verständlich aufbereitet.In Köln geboren und aufgewachsen, entdeckte er früh sein Interesse für Wirtschaftsthemen und internationale Entwicklungen. Nach seinem Studium startete er als Wirtschaftsredakteur bei einer renommierten deutschen Fachpublikation, bevor ihn sein Weg ins Ausland führte.Ein prägendes Kapitel seiner Karriere waren die sechs Jahre in New York, wo er direkten Einblick in die globale Finanzwelt erhielt. Die Berichterstattung von der Wall Street und über weltweite wirtschaftspolitische Entscheidungen schärfte seinen Blick für globale Zusammenhänge.Heute ist Felix Baarz als freier Journalist für führende Wirtschafts- und Finanzmedien im deutschsprachigen Raum tätig. Seine Arbeit zeichnet sich durch fundierte Recherchen und präzise Analysen aus. Er möchte nicht nur Fakten präsentieren, sondern auch deren Bedeutung erklären und seinen Lesern Orientierung bieten – sei es zu wirtschaftlichen Trends, politischen Entscheidungen oder langfristigen Veränderungen in der Finanzwelt.Zusätzlich moderiert er Diskussionen und nimmt an Expertenrunden teil, um sein Wissen einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Dabei liegt sein Fokus darauf, komplexe Themen informativ und inspirierend zu vermitteln. Felix Baarz versteht seine journalistische Aufgabe darin, in einer sich schnell wandelnden Welt einen klaren Blick auf wirtschaftliche Zusammenhänge zu ermöglichen und seine Leser bei fundierten Entscheidungen zu unterstützen – beruflich wie privat.