Die aggressive Zollpolitik der USA hat die Weltwirtschaft an den Rand einer tiefgreifenden Krise manövriert. Während Präsident Trump von einer Strategie zur Stärkung Amerikas spricht, warnen Ökonomen vor Inflation, Rezession und chaosartigen Zuständen an den Märkten. Steht uns das Schlimmste noch bevor, oder ist das Säbelrasseln nur ein riskantes Spiel mit dem Feuer, das am Ende doch zu neuen Deals führen könnte? Die globalen Handelskonflikte haben eine neue Stufe erreicht, und die Nervosität ist mit Händen zu greifen.
Trumps Zoll-Poker: Strategie zwischen Kalkül und Chaos
Im Zentrum der globalen Verunsicherung steht die Handelspolitik von US-Präsident Donald Trump. Sein erklärtes Ziel: die US-Wirtschaft zu stimulieren, verloren gegangene Produktionsarbeitsplätze zurückzuholen, zusätzliche Steuereinnahmen zu generieren und Amerika als Verhandlungshebel für neue Sicherheitsabkommen zu dienen. Doch selbst innerhalb seiner eigenen Administration gehen die Meinungen über die Sinnhaftigkeit und die theoretische Grundlage dieser Strategie weit auseinander. Stephen Miran, Vorsitzender des Council of Economic Advisers, spricht von einem "optimalen Zollsatz" für die USA, der bei rund 20 % liegen könnte und sowohl Einnahmen maximieren als auch der Wirtschaft nutzen würde. Er wiegelt kurzfristige Marktvolatilität und negative Wirtschaftsdaten als vorübergehende Erscheinungen ab. Demgegenüber stehen Berater wie der Ökonom Arthur Laffer, der Trump eigentlich eher dem Freihandel zuneigt und Zölle nur als kurzfristiges Druckmittel sieht. Peter Navarro, Trumps Hardliner in Handelsfragen, sieht Handelsdefizite per se als schädlich an.
Die Federal Reserve beobachtet die Entwicklung mit Sorge. Fed-Gouverneur Michael Barr betonte kürzlich, dass Ausmaß und Umfang der jüngsten Zollerhöhungen ohne modernen Präzedenzfall seien und es noch zu früh sei, die genauen Auswirkungen auf die Wirtschaft abzuschätzen. Klar ist jedoch: Die Zölle dürften die Inflation anheizen und das Wachstum belasten. Trotz der im April verhängten Zölle auf Importe zahlreicher Handelspartner, die kurzzeitig für erhebliche Turbulenzen sorgten, gab es eine 90-tägige Aussetzung für viele Länder, um Raum für Verhandlungen zu schaffen. Ein erster, wenn auch begrenzter, bilateraler Handelsdeal mit Großbritannien wurde bereits verkündet, und Gespräche mit China stehen an diesem Wochenende in der Schweiz bevor. Trump deutete an, dass die massiven Zölle von mindestens 145 % gegen Peking letztlich gesenkt werden könnten. Doch die Grundlinie scheint klar: Die USA werden auf absehbare Zeit höhere Zölle haben als vor Trumps Amtsantritt.
Wirtschaftlicher Flächenbrand: Zölle bedrohen globales Wachstum
Die Auswirkungen der US-Handelspolitik sind bereits weltweit spürbar. Kanada meldete für April einen Anstieg der Arbeitslosenquote auf 6,9 %, ein Wert, der zuletzt im November auf einem Achtjahreshoch (außerhalb der Pandemie) lag. Besonders das verarbeitende Gewerbe leidet massiv unter den US-Zöllen auf Stahl, Aluminium und Automobile und baute allein im April 31.000 Stellen ab. Die Bank of Canada warnt vor einem deutlichen Wachstumseinbruch. Kein Wunder also, dass die kanadische Wirtschaft ächzt und sich die Frage stellt, wie lange das Land diesem Druck standhalten kann.
Auch China reagiert auf den eskalierenden Handelskonflikt. Die People’s Bank of China kündigte an diesem Freitag an, Finanzinstitutionen zu verstärkter Unterstützung von Konsum und Außenhandel anzuhalten. Mit Zinssenkungen und Liquiditätsspritzen versucht Peking, den wirtschaftlichen Schaden abzufedern. Analysten weltweit haben ihre Prognosen bereits nach unten korrigiert. So senkte HSBC das Jahresendziel für den S&P 500 von 6700 auf 5600 Punkte. Die Konsensschätzungen für das globale BIP-Wachstum 2025 wurden von vielen Banken reduziert, ebenso die Erwartungen für die USA, China und die Eurozone. Experten wie Nouriel Roubini zeichnen düstere Szenarien: Sollten die Zölle für die meisten US-Handelspartner bei rund 10 % und für China bei 60 % landen, drohe eine Inflation von 4 % und eine Stagnation der US-Wirtschaft im vierten Quartal, gefolgt von einer "kurzen und flachen" Rezession. Bei noch höheren Zöllen sei eine schwere globale Rezession denkbar. Auch Lawrence Summers, ehemaliger hochrangiger Wirtschaftsberater unter demokratischen Präsidenten, hält eine US-Rezession mittlerweile für "wahrscheinlicher als nicht".
Märkte im Krisenmodus: Zentralbanken unter Druck
Die Finanzmärkte reagieren mit extremer Volatilität auf die Nachrichtenlage. Roberto Perli von der New Yorker Fed betonte zwar, dass die Märkte die Stressphasen im April dank der Widerstandsfähigkeit der Repo-Märkte gut navigiert hätten. Dennoch sieht die Fed die Notwendigkeit, ihre Liquiditätsinstrumente zu stärken. So soll die Standing Repo Facility (SRF), über die berechtigte Firmen schnell Staatsanleihen in Bargeld bei der Fed umtauschen können, künftig auch morgens Operationen anbieten, um die Effektivität als geldpolitisches Werkzeug zu erhöhen. Bisher wurde die SRF kaum genutzt, und auch Fed-Chef Jerome Powell betonte, dass die Hürde für direkte Interventionen der Zentralbank zur Marktstützung hoch sei. Die Fed beließ die Zinsen diese Woche zwar unverändert im Korridor von 4,25 % bis 4,5 %, signalisierte aber wachsende Risiken für Inflation und Arbeitsmarkt – Risiken, die Powell mit Trumps Zollpolitik in Verbindung brachte. Die Frage, wie die Geldpolitik auf diese Art von Unsicherheit reagieren soll, sei "überhaupt nicht klar".
Besonders anfällig zeigen sich Volkswirtschaften, die bereits mit internen Problemen kämpfen. In Rumänien warnte die Ratingagentur S&P Global vor einer Herabstufung der Kreditwürdigkeit in den "Ramsch"-Bereich (Junk). Die politische Krise nach dem Erfolg des EU-skeptischen Präsidentschaftskandidaten George Simion und dem Rücktritt des Premierministers verschärft die Sorgen um die bereits angespannten Staatsfinanzen. Rumänien weist mit über 9 % des BIP das höchste Haushaltsdefizit der EU auf. Die Landeswährung Leu geriet unter Druck, und die Zentralbank musste intervenieren, wobei sie laut Schätzungen 5 bis 10 Milliarden Euro ihrer Devisenreserven einsetzte. Die Renditen für zehnjährige rumänische Staatsanleihen schossen um rund 100 Basispunkte in die Höhe. Bank of America rechnet mit einer Herabstufung durch Fitch im August, was die Finanzierungskosten des Landes weiter treiben dürfte. Die Episode zeigt, wie schnell "Bond Vigilantes" – Investoren, die unsolide Finanzpolitik abstrafen – aktiv werden können.
Geopolitische Verwerfungen: Europa sucht neue Antworten auf die Handelskonflikte
Die aggressive US-Handelspolitik und die wachsende Unsicherheit über die Verlässlichkeit Amerikas als Bündnispartner führen auch in Europa zu einem Umdenken. Der frischgebackene deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz schloss bei seinem Antrittsbesuch in Brüssel eine gemeinsame Schuldenaufnahme der EU zur Finanzierung von Verteidigungsausgaben nicht aus. Angesichts der "neuen großen Herausforderung" durch die russische Aggression und der Notwendigkeit, Europas Verteidigungsfähigkeit wiederherzustellen, suche man nach Finanzierungswegen. Merz, ein Verfechter fiskalischer Solidität, betonte zwar den Ausnahmecharakter solcher Maßnahmen, verwies aber auf die Corona-Pandemie als Präzedenzfall. Schon vor seiner Wahl hatte er erklärt, Europa müsse in Sicherheitsfragen unabhängiger von den USA werden.
Gleichzeitig äußerte Merz seine Besorgnis über die weltweit "ständig steigende Staatsverschuldung", nicht nur in Europa, sondern explizit auch in den Vereinigten Staaten. Er frage sich, wie lange es noch möglich sein werde, nicht nur die Schulden selbst, sondern auch die Zinszahlungen zu finanzieren. Diese Sorge spiegelt eine wachsende Skepsis gegenüber der langfristigen Tragfähigkeit der globalen Finanzarchitektur wider, die durch protektionistische Tendenzen und geopolitische Spannungen zusätzlich belastet wird. Trumps Strategie, Zölle auch als Druckmittel für Sicherheitsabkommen zu nutzen, könnte diese geopolitischen Verschiebungen weiter beschleunigen.
Die kommenden Monate dürften an den Finanzmärkten von anhaltender Nervosität geprägt sein. Ob die Weltwirtschaft in eine tiefe Rezession schlittert oder ob die angedrohten Zölle letztlich doch zu neuen Handelsabkommen führen, die für eine Beruhigung sorgen, ist völlig offen. Eines scheint jedoch klar: Die Ära des relativ freien Welthandels ist vorerst vorbei, und die Handelskonflikte haben eine neue globale Dynamik entfesselt, deren langfristige Folgen für Wohlstand und politische Stabilität heute noch kaum absehbar sind. Die Augen der Welt richten sich gespannt auf Washington und die Reaktionen der wichtigsten Handelspartner. Das dürfte eine spannende, wenn auch potenziell gefährliche Zeit werden.