Die globalen Finanzmärkte starten nervös in die neue Woche, gefangen zwischen der anhaltenden Unsicherheit über die US-Handelspolitik und der mit Spannung erwarteten Zinsentscheidung der US-Notenbank Federal Reserve (Fed). Deutliche Bewegungen beim Ölpreis und am Devisenmarkt unterstreichen die angespannte Lage, während Investoren nach klaren Signalen suchen. Der schwelende Handelskrieg, insbesondere zwischen den USA und China, bleibt ein zentraler Faktor, der die Stimmung prägt und die wirtschaftlichen Aussichten eintrübt.
US-Handelspolitik bleibt Zünglein an der Waage
Die Handelspolitik von US-Präsident Donald Trump bleibt ein Unsicherheitsfaktor für die globalen Märkte. Zwar sorgte die jüngste leichte Entspannung Rhetorik zwischen Washington und Peking für etwas Optimismus – China prüft nach eigenen Angaben einen Vorschlag der USA zur Wiederaufnahme von Gesprächen über die massiven Zölle von 145% –, doch Experten warnen vor überzogenen Erwartungen. Aidan Yao, Asien-Stratege bei Amundi, sieht gegenüber Reuters wenig Anzeichen für substanzielle Fortschritte: "Entweder werden die Zölle auf ein erträglicheres Niveau gesenkt, oder beide Seiten bringen mehr Ausnahmeregelungen auf den Tisch […]. Dafür gibt es derzeit kaum Anzeichen, vermutlich weil die Schmerzgrenze noch nicht erreicht ist."
Trump selbst betonte am Sonntag zwar, dass Gespräche mit China und anderen Ländern liefen, eine direkte Kommunikation mit Präsident Xi Jinping stehe diese Woche aber nicht an. Sein Hauptaugenmerk liege auf einem "fairen Deal" mit Peking. Die Märkte bleiben somit im Ungewissen, wie sich der Konflikt weiterentwickelt. Diese Unsicherheit spiegelt sich auch in Europa wider: Der Sentix-Index für die Eurozone erholte sich im Mai zwar stärker als erwartet von dem Schock durch die US-Zölle im April, bleibt aber auf niedrigem Niveau. Laut Sentix scheinen die Anleger die bisher besonnene Reaktion der EU-Kommission zu honorieren, doch die Phase der Unsicherheit sei "wahrscheinlich noch nicht vorbei". Die Hoffnung auf eine Deeskalation hatte die Aktienmärkte zuletzt gestützt, doch Analysten wie Jan von Gerich von Nordea warnen: Sollten sich positive Erwartungen an Handelsabkommen nicht erfüllen, bestehe Abwärtspotenzial.
Fed-Entscheidung im Fokus: Zinspolitik unter Druck
Im Mittelpunkt des Interesses steht diese Woche die Sitzung des Offenmarktausschusses der Federal Reserve (FOMC). Es wird allgemein erwartet, dass die Währungshüter die Leitzinsen unverändert lassen werden, obwohl Präsident Trump erneut massive Kritik an Fed-Chef Jerome Powell übte und eine Zinssenkung forderte. Trump bezeichnete Powell am Wochenende als "total steif" ("total stiff"), bekräftigte aber, ihn nicht vor dem Ende seiner Amtszeit im Mai 2026 entlassen zu wollen.
Powell selbst hat wiederholt betont, dass sich die Fed in einem "Abwarte-Modus" ("wait-and-see mode") befinde und ihre Entscheidungen an den Zielen Preisstabilität und Arbeitsmarktunterstützung ausrichte. Die anhaltende Kritik aus dem Weißen Haus erhöht jedoch den Druck auf die Unabhängigkeit der Zentralbank. Die Entscheidung der Fed wird auch vor dem Hintergrund einer sich möglicherweise abkühlenden US-Wirtschaft getroffen. Jüngste Daten deuteten auf eine Schrumpfung im ersten Quartal hin, was Sorgen vor einer Rezession schürt – befeuert auch durch die potenziell inflations- und wachstumsdämpfenden Effekte der US-Zölle.
Marktreaktionen: Ölpreisrutsch und Währungs-Turbulenzen
Die Unsicherheit an den Märkten manifestierte sich zu Wochenbeginn deutlich am Ölmarkt. Die Preise für Brent und WTI-Rohöl fielen um über 2%, nachdem die OPEC+ Gruppe am Wochenende beschlossen hatte, ihre Förderquoten ab Juni stärker als erwartet anzuheben – um 411.000 Barrel pro Tag. Dies schürte Sorgen vor einem Überangebot in einem Markt, der ohnehin unter einer unklaren Nachfrageperspektive leidet, welche wiederum stark von der globalen Konjunktur und damit auch vom Handelskrieg abhängt. Die Ölpreise nähern sich damit wieder den im April erreichten Vierjahrestiefs.
Für Aufsehen sorgte zudem der Taiwan-Dollar, der gegenüber dem US-Dollar zu Wochenbeginn stark zulegte und zeitweise den höchsten Stand seit fast drei Jahren erreichte. Der Anstieg von rund 3% nährte Spekulationen, die USA könnten im Rahmen der Zollverhandlungen eine Aufwertung der taiwanischen Währung gefordert haben. Taiwans Verhandlungsführer dementierten dies jedoch umgehend: Bei den Gesprächen in Washington sei der Wechselkurs kein Thema gewesen, und die taiwanische Zentralbank sei nicht Teil der Delegation gewesen. Der starke Zufluss von "heißem Geld" nach Taiwan scheint der Haupttreiber zu sein.
Wirtschaftliche Signale und Unternehmensausblicke
Neben der Fed-Entscheidung richten sich die Blicke diese Woche auf wichtige Konjunkturdaten, insbesondere den ISM-Einkaufsmanagerindex für den US-Dienstleistungssektor im April. Ökonomen erwarten eine leichte Abkühlung, aber weiterhin einen Wert über der Expansionsschwelle von 50 Punkten. James Knightley, Chefvolkswirt bei ING, sieht jedoch ein "sehr reales Risiko", dass der Index unter 50 fällt, was die Sorgen vor einer Abkühlung und einer möglichen Rezession unterstreichen würde. Die US-Wirtschaft, so die Befürchtung, könnte unter der Last der Zölle ächzen, die die Importe verteuern und die Inflation antreiben könnten.
Gleichzeitig läuft die Berichtssaison zum ersten Quartal weiter. Unternehmen wie Ford, AMD, Disney, ConocoPhillips und Coinbase legen ihre Zahlen vor. Bisher fielen die Ergebnisse laut LSEG IBES-Daten im Durchschnitt besser aus als erwartet. Dennoch bleibt die Unsicherheit über die Auswirkungen der Zölle auf die zukünftigen Gewinne groß. Die Analystenschätzungen für das Gewinnwachstum im zweiten Quartal wurden bereits nach unten korrigiert. Strategen bleiben trotz der Risiken teilweise optimistisch für bestimmte Regionen: Sat Duhra von Janus Henderson sieht beispielsweise Chancen bei chinesischen Aktien (Banken, Technologie, Sportartikel) aufgrund höherer Dividenden und niedrigerer Bewertungen, auch wenn sein Haus insgesamt neutral gewichtet ist. Amundi bevorzugt in China eher binnenorientierte Sektoren und führende KI-Technologiewerte.
Die kommende Woche verspricht somit hohe Volatilität. Die Entscheidungen der Fed und die weitere Entwicklung im globalen Handelskrieg werden die Richtung an den Finanzmärkten maßgeblich bestimmen. Investoren bleiben vorerst in Lauerstellung, bis mehr Klarheit über die wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen herrscht.