Die globalen Finanzmärkte stehen unter Hochspannung. Der eskalierende Handelskrieg zwischen den USA und China, angefacht durch immer neue Strafzölle unter Präsident Trump, sendet Schockwellen durch die Weltwirtschaft und zwingt Anleger wie Politiker in die Defensive. Während Washington mit drastischen Maßnahmen wie einem 145%-Zoll auf viele chinesische Waren vorprescht und Peking mit eigenen 125%-Abgaben kontert, stellt sich die drängende Frage: Wohin führt dieser Konflikt, und wer zahlt am Ende die Zeche? Die Unsicherheit lähmt bereits jetzt spürbar wichtige Wirtschaftssektoren und sorgt für extreme Volatilität an den Märkten.
Chinas Wirtschaft spürt den Druck
Im Epizentrum des Konflikts zeigt Chinas Wirtschaft deutliche Bremsspuren. Ein besonders alarmierendes Signal sendet der Dienstleistungssektor: Der Caixin/S&P Global Services Purchasing Managers‘ Index (PMI), ein wichtiger Frühindikator, fiel im April auf 50,7 Punkte – der niedrigste Wert seit sieben Monaten und ein klares Zeichen für eine Verlangsamung des Wachstums. Die 50-Punkte-Marke trennt Expansion von Kontraktion, der Sektor wächst also nur noch minimal. Dieser Wert lag unter den Erwartungen und spiegelt die zunehmende Unsicherheit wider, die durch die US-Zölle ausgelöst wird. Auch der offizielle staatliche PMI signalisierte eine Abschwächung.
Experten sehen hier klare Auswirkungen des Handelskriegs, auch wenn der Dienstleistungssektor nicht direkt von den neuen Zöllen auf Waren betroffen ist. Die Schwäche im verarbeitenden Gewerbe, das unter einbrechenden Exportaufträgen leidet, färbt offenbar auf den Servicesektor ab. Laut Caixin-Umfrage verlangsamte sich das Wachstum bei neuen Aufträgen auf den schwächsten Stand seit Dezember 2022. Unternehmen zeigten sich zunehmend besorgt über die Auswirkungen der Zölle, was sich in der schlechtesten Geschäftsstimmung seit Februar 2020 niederschlug. Um Kosten zu senken, bauten Dienstleister sogar zum zweiten Mal in Folge Stellen ab.
Auch die Konsumlaune der Chinesen scheint gedämpft. Zwar stiegen die Ausgaben während der jüngsten Feiertage zum 1. Mai im Jahresvergleich um 8 % auf rund 180 Milliarden Yuan (ca. 23 Milliarden Euro). Die Zahl der Inlandsreisen nahm ebenfalls zu. Doch die Pro-Kopf-Ausgaben legten nur leicht zu und blieben deutlich unter dem Niveau von 2019, vor der Pandemie. Dies deutet auf eine anhaltende Kaufzurückhaltung hin, befeuert durch die wirtschaftliche Unsicherheit und die Krise am Immobilienmarkt. Selbst die Kinos vermeldeten einen dramatischen Einbruch der Ticketverkäufe während der Feiertage.
Turbulenzen an den globalen Märkten
Die Eskalation im Handelskrieg hinterlässt tiefe Spuren an den internationalen Finanzmärkten. Besonders die Devisenmärkte gerieten zuletzt in Aufruhr. Im Fokus stand der Taiwan-Dollar, der innerhalb von zwei Tagen um erstaunliche 8 % gegenüber dem US-Dollar zulegte und ein Dreijahreshoch erreichte. Marktbeobachter spekulieren, ob diese ungewöhnliche Stärke mit den Handelsgesprächen zwischen den USA und Taiwan zusammenhängt – eine Art Währungsdiplomatie, um Washington im Zollstreit entgegenzukommen. Offiziell wird dies zwar dementiert, doch die Bewegung sorgte für Nervosität und zog andere asiatische Währungen mit nach oben.
So intervenierte die Hongkonger Währungsbehörde massiv am Markt und kaufte US-Dollar im Wert von 7,8 Milliarden Dollar, um zu verhindern, dass der Hongkong-Dollar seine feste Bindung (Peg) an den Greenback nach oben durchbricht. Auch der chinesische Yuan wertete auf den höchsten Stand seit März auf. Diese Verschiebungen schwächen den US-Dollar, dessen Status als sicherer Hafen durch Trumps erratische Handelspolitik zunehmend in Frage gestellt wird. Der Dollar-Index hatte bereits im Vormonat seinen stärksten monatlichen Rückgang seit über zwei Jahren verzeichnet.
Die Unsicherheit drückt auch auf die Aktienmärkte. Globale Indizes bewegten sich zuletzt nur in engen Spannen. Die Anleger warten auf greifbare Fortschritte bei den Handelsgesprächen zwischen den USA und China, statt sich auf vage Ankündigungen aus dem Weißen Haus zu verlassen. Die Furcht vor einer weiteren Eskalation und den daraus resultierenden wirtschaftlichen Schäden hält viele Investoren zurück. Die Nachrichten über massenhaft gestrichene Container-Schiffsverbindungen von China nach Nordamerika unterstreichen die realen Auswirkungen auf die globalen Lieferketten. Besonders Hongkong als wichtiger Umschlagplatz für den reeksportierenden Handel dürfte laut Branchenexperten einen "gewaltigen wirtschaftlichen Schlag" erleiden, da bis zu 41 % der Containerkapazität nach Nordamerika kurzfristig storniert wurden.
Politik im Dilemma: Fed und Europa unter Druck
Die Turbulenzen stellen auch die Notenbanken vor enorme Herausforderungen. Die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) sieht sich laut Beobachtern wie dem Wall Street Journal-Reporter Nick Timiraos in einem "Lose-Lose-Szenario". Die durch die Zölle ausgelösten Verwerfungen erhöhen gleichzeitig das Risiko einer Konjunkturabschwächung und neuerlicher Inflation – eine gefährliche Mischung, die an Stagflation erinnert.
Die Fed dürfte bei ihrer bevorstehenden Sitzung die Füße stillhalten und die Zinsen unverändert lassen. Intern scheint jedoch Uneinigkeit darüber zu herrschen, wie auf die Zollturbulenzen zu reagieren ist. Wartet man zu lange mit Zinssenkungen, riskiert man eine tiefere Rezession. Senkt man die Zinsen zu früh, könnte dies die Inflation weiter anheizen und die Glaubwürdigkeit der Fed im Kampf gegen die Teuerung untergraben. Die Märkte preisen zwar bereits Zinssenkungen für dieses Jahr ein, doch die Fed scheint entschlossen, erst auf klare Signale einer wirtschaftlichen Verschlechterung zu warten, selbst wenn dies kurzfristig schmerzhaft ist.
Auch in Europa wächst die Nervosität. In Deutschland tritt mit Friedrich Merz (CDU) ein neuer Bundeskanzler sein Amt an – in einer Zeit multipler Krisen. Die deutsche Wirtschaft kämpft mit der längsten Rezession der Nachkriegszeit, belastet durch hohe Energiepreise, die Nachwehen des Ukraine-Kriegs und nun zusätzlich durch den globalen Handelskrieg, den Trump entfacht hat. Die USA als wichtiger Sicherheitspartner erscheinen unter Trump zunehmend unzuverlässig, was selbst den transatlantisch orientierten Merz dazu veranlasst, eine stärkere europäische Verteidigungsfähigkeit zu fordern. Die neue deutsche Regierungskoalition aus CDU/CSU und SPD hat zwar Pläne zur Wirtschaftsbelebung vorgelegt, doch der Handlungsdruck ist enorm – auch angesichts erstarkender politischer Ränder in Deutschland und Europa.
Ausblick: Ungewissheit bleibt Trumpf
Die kommenden Wochen und Monate bleiben von hoher Unsicherheit geprägt. Solange im Handelskrieg zwischen den USA und China keine echte Deeskalation sichtbar wird, dürften die globalen Märkte volatil bleiben. Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Zölle werden sich zunehmend in den Konjunkturdaten niederschlagen und die Notenbanken weiter unter Druck setzen. Für Anleger bedeutet dies, sich auf anhaltende Schwankungen einzustellen und die politischen Entwicklungen genau zu beobachten. Die Hoffnung ruht auf einer Wiederaufnahme ernsthafter Gespräche zwischen Washington und Peking, doch wann und ob diese zu einem tragfähigen Kompromiss führen, steht derzeit in den Sternen. Das globale Chaos scheint vorerst anzuhalten.