Die globale Handelspolitik steht vor einem Wendepunkt. Während US-Präsident Trump seine protektionistische Agenda verschärft, kämpfen Volkswirtschaften weltweit mit den Auswirkungen drastischer Zollerhöhungen. Von Südkorea über Europa bis nach Japan zeichnet sich ein komplexes Muster aus Anpassung und Widerstand ab.
Asiatische Märkte unter Druck
Südkoreas Exportwirtschaft spürt die Zollpolitik bereits deutlich. Obwohl für Juni ein Exportwachstum von 4,7% erwartet wird – getragen von einem 21,8%igen Anstieg der Halbleiterexporte – warnen Ökonomen vor nachlassender Dynamik. "Im dritten Quartal dürfte Südkoreas Exportmomentum schwach bleiben, außer bei Halbleitern", prognostiziert Stephen Lee von Meritz Securities.
Besonders die Automobilbranche leidet unter den 25%igen US-Zöllen. Großbritanniens Fahrzeugproduktion brach im Mai um dramatische 32,8% ein – der schlechteste Mai-Wert seit 1949. Besonders schmerzhaft: Die Exporte in die USA sanken um 55,4%. "Die Zölle haben globale Lieferketten massiv gestört und Hunderte Millionen Dollar zusätzliche Kosten verursacht", erklärt ein Branchenexperte.
Fed zwischen Inflation und Zinspolitik
Die US-Notenbank steht vor einem Dilemma. Fed-Präsident Neel Kashkari warnte eindringlich vor zollbedingter Inflation: "Wir müssen vorsichtig agieren, bis wir mehr Klarheit über die Inflationseffekte der Zölle haben." Die Unternehmen stehen vor schwierigen Entscheidungen – viele zögern noch, höhere Kosten an Verbraucher weiterzugeben, da sie auf temporäre Zollmaßnahmen hoffen.
Trotz dieser Unsicherheit steigen die Erwartungen für Zinssenkungen. Die Märkte preisen eine 75%ige Wahrscheinlichkeit für eine erste Zinssenkung im September ein. Richmond Fed-Präsident Thomas Barkin zeigt sich jedoch optimistischer: "Ich erwarte nicht, dass Zölle so inflationär wirken, wie viele befürchten."
Europäische Konzessionsbereitschaft
Europa sucht verzweifelt nach Auswegen aus dem Handelskrieg. Die EU erwägt laut Wall Street Journal, Zölle auf US-Importe zu senken und nichttarifäre Handelshemmnisse abzubauen. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bestätigte: "Wir sind bereit für einen Deal."
Deutschland und Italien drängen auf ein schlankes Schnellabkommen, während andere EU-Staaten skeptisch bleiben. Ein Quotensystem für Autos und Stahl wird als möglicher Kompromiss diskutiert. Doch die Spaltung bleibt: Bei gescheiterten Verhandlungen stehen Vergeltungsmaßnahmen bereit.
Asiens Inflationsdruck
Während die Fed über Zinssenkungen nachdenkt, kämpft Japan mit anhaltend hoher Inflation. Die Kernteuerung in Tokio lag im Juni bei 3,1% – deutlich über dem 2%-Ziel der Zentralbank. BOJ-Ratsmitglied Naoki Tamura warnte bereits vor "entschiedenen" Zinserhöhungen, falls sich Inflationsrisiken verstärken.
Neue Handelsabkommen als Hoffnungsschimmer
Inmitten der Spannungen gibt es auch positive Signale. Handelsminister Howard Lutnick bestätigte die Finalisierung eines Handelsabkommens mit China, das vor zwei Tagen unterzeichnet wurde. Die Vereinbarung soll chinesische Seltene-Erden-Lieferungen gegen aufgehobene US-Beschränkungen für Ethan-Exporte umfassen.
Auch mit Indien steht die USA kurz vor einem Handelsabkommen. Diese Entwicklungen zeigen: Trotz protektionistischer Rhetorik bleibt pragmatische Handelspolitik möglich.
Märkte zwischen Hoffnung und Sorge
Die Wall Street reagierte gemischt auf die Entwicklungen. Der S&P 500 und Nasdaq näherten sich Rekordständen, getragen von Zinssenkungserwartungen. Besonders Bankaktien profitierten nach Fed-Vorschlägen zur Lockerung der Eigenkapitalregeln – der S&P 500 Bankenindex stieg um 1,6%.
Die Unsicherheit bleibt jedoch groß. Während Südkorea Handelsgespräche mit den USA vor der kritischen 8. Juli-Frist führt, bereitet sich Europa auf mögliche Vergeltungsmaßnahmen vor. Die kommenden Wochen werden zeigen, ob Diplomatie oder Protektionismus die Oberhand gewinnt.