Intuition an der Börse – Der Ratgeber in uns und wann er scheitert

Jeder Mensch kennt die intuitiven Entscheidungen in gewissen Situationen. Es sind die Augenblicke, in denen wir nicht auf das bewusste Denken zurückgreifen, sondern unserem Bauch folgen. Umgangssprachlich werden inuitive Entscheidungen daher auch „aus dem Bauch heraus entscheiden“ genannt. Nicht der „Kopf“ entscheidet, sondern der „Bauch“. Gerade an der Börse finden sich sehr viele Investoren und Trader, die keinem rationalen Modell folgen, sondern den Bauch entscheiden lassen. Doch hilft Intuition an der Börse wirklich oder ist diese Art der Entscheidung eher hinderlich? Diese Frage hat eine eindeutige Antwort die lautet muss „Es kommt darauf an!“.

Intuition zur Entscheidungsfindung

Geehrte Leser, in der „Querdenker-Serie“ bin ich einigen Eigenarten des Gehirns bereits nachgegangen. Sowohl der zwingende Drang eines gesunden Gehirns Muster zu erkennen – selbst wenn es keine gibt – wie auch der Drang zur Effizienz waren bereits Thema. Doch gerade die Intuition an der Börse ist ein Kapitel, welches ich heute erneut aufschlagen will.

Intuition in Definition:

Intuition (von mittellateinisch intuitio = unmittelbare Anschauung, zu lateinisch intueri = genau hinsehen, anschauen)[1] ist die Fähigkeit, Einsichten in Sachverhalte, Sichtweisen, Gesetzmäßigkeiten oder die subjektive Stimmigkeit von Entscheidungen zu erlangen, ohne diskursiven Gebrauch des Verstandes, also etwa ohne bewusste Schlussfolgerungen.

Quelle Wikipedia

Die Einsicht in Sachverhalte ohne bewusste Schlussfolgerungen ist ein großer Teil unseres Lebens und wir sind evolutionär auf den Gebrauch der Intuition eingestellt. Doch gerade in den letzten Jahren sind in meinem Bekanntenkreis sehr viele Händler und Hobbybörsianer mit ihrem „Latein am Ende“. Ein Blick auf die Märkte verwirrt heute wohl mehr, als es jemals der Fall war. Natürlich kommt der Eine oder Andere noch mit den Märkten zurecht. Allerdings sind es eher die Börsianer, die auf starre Modelle vertrauen, die dem Markt noch etwas abringen können.

Doch woher kommt der starke Verlust guter intuitiver Entscheidungen in der aktuellen Börsenphase. Diese Frage lässt sich sehr leicht beantworten und doch nur schwer akzeptieren.

 

Wie Intuition entsteht

Experten sind sich schon lange sicher, dass Intuition ohne bewusste Schlussfolgerungen entsteht. Doch ebenfalls wird nicht bestritten, dass Intuition eine hochkomplexe Art der Schlussfolgerung ist. Dieser geht ein langer Lernprozess voraus. Erfahrungen wie wir mit Mustern und Informationen umgehen, aber auch all das Wissen welches in unserem Kopf gespeichert ist haben Einfluss auf unsere Intuition. Doch warum ist die Intuition zuletzt ein eher schlechter Ratgeber geworden?

 

Neue Rahmendaten an den Börse

Seit ein paar Jahren haben wir an den Börsen eine völlig neue Situation. Wir befinden uns in einem Kapitalmarkt, der so noch nie existent war. Der wichtigste Einflussfaktor ist dabei das Zinsumfeld. Unser Gehirn hat einfach viel zu wenig Erfahrung mit der aktuellen Situation. Ein Negativzins ist ein Umstand, den unser Gehirn auch in bewussten Prozessen schlecht verarbeiten kann. Es ist absolutes Neuland für uns Börsianer. Das Konzept des Negativzinses ist so komplex, dass sämtliches Modelle zur Beurteilung von „Werten“ ihre Probleme haben.

Die Frage nach dem Wert einer Aktie richtet sich nach verschiedenen Dingen (Der „Wert“ einer Immobilie wurde hier besprochen), doch ich beziehe mich nun auf den Einfluss des sogenannten risikolosen Zinses. Dieser erklärt den Verlust der Intuition an der Börse. An dieser Stelle gebe ich Ihnen ein einfaches Beispiel:

Beispiel einer Aktienbewertung über den Marktzins

Eine Aktie macht seit 10 Jahren einen stabilen Gewinn von einem Euro und schüttet diesen auch aus. Wir rechnen mit einer Wahrscheinlichkeit von 99 Prozent, dass die Aktie auch in den nächsten Jahren weiterhin einen Euro Gewinn machen und diesen ausschütten wird, während der risikolose Zins bei 10 Prozent steht.

Was wäre diese Aktie wohl wert? Die Frage lässt sich noch einfach beantworten, denn aufgrund unserer recht sicheren Erwartung liegt der Wert in der Nähe einer risikolosen Anlage.

Ein Euro Gewinn wird durch den risikolosen Marktzins i.H.v. 10 Prozent geteilt und ergibt so 10 Euro (1 Euro/ 0,1 = 10 Euro). Eine Aktie die sehr sicher 1 Euro Gewinn/Ausschüttung hat, ist unter den beschriebenen Bedingungen etwa 10 Euro wert.

Einen deutlichen Risikoabschlag preisen wir nicht ein, da wir die Ausschüttung als sehr sicher ansehen. Je unsicherer die erwartete Ausschüttung uns erscheint, desto höher wäre ein möglicher Abschlag auf diese Rechnung.

Der Marktzins halbiert sich

Sollte sich der risikolose Marktzins nun halbieren und nur noch bei 5 Prozent liegen, wäre die Rechnung die gleiche nur mit einer neuen Variable. Der Ertrag von einem Euro geteilt durch 5 Prozent ergibt 20 Euro (1 / 0,05 = 20). Die Aktie müsste also ihren Wert verdoppeln ohne weitere Veränderungen, nur weil der Zins sich halbierte.

Jeden dieser Umstände konnten wir bisher intuitiv greifen, allerdings befinden wir uns eben nicht mehr in einem „normalen Zinsumfeld“. Theoretisch nähert sich der Wert unserer Beispielaktie immer mehr der Unendlichkeit, je näher wir nun an den risikolosen Nullzins kommen. Ein Zinssatz von 0,1 Prozent würde die Aktie bereits auf 1.000 Euro steigen lassen können.

Und an dieser Stelle kommt der Mathematikunterricht. Nicht ohne Grund kann man keine Zahl (und damit keinen Gewinn je Aktie) durch Null teilen. Wir befinden uns also in einem Nullzinsumfeld in einer unendlichen Bewertungsdimension. Zu diesem Zeitpunkt möchte ich Sie nun gar nicht erst auf das Gebiet des Negativzinses führen, denn an der Stelle wird es wirklich „verrückt“.

 

Intuition an der Börse

Da wir uns also in einer Situation befinden, die es so noch nie gab und die vor allem auch rechnerisch immer schwieriger greifbar ist, können wir nicht mehr auf unseren Bauch vertrauen. Intuition beruht auf bereits gemachten Erfahrungen und angeeignetem Wissen. Ein solches Umfeld erschließt sich uns daher nicht mehr intuitiv. Der Wert eines Anlagegutes ist sogar in einem Nullzinsumfeld ein schwieriges Thema mit einem gewaltigen Spielraum für unterschiedliche Auffassungen – von einem negativen Zins ganz zu schweigen.

 

Fazit zur Intuition an den Kapitalmärkten

In unserer aktuellen Situation kann ich Sie nur ermutigen, zukünftige Börsenentscheidungen aus dem Bauch heraus sehr kritisch zu hinterfragen. Immer wenn Sie Worte wie „Das kann doch nicht sein“ aus Ihrem oder aus einem anderen Mund hören, denken Sie bitte daran, dass der Bauch, der da aus uns spricht, völlig überfordert ist. Aktuell ist bewusstes Denken dem Bauch eher überlegen. Allerdings können sich die Zeiten auch wieder ändern.

 

Querdenker Serie – Märkte mit anderen Augen sehen

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4 Kommentare zu Intuition an der Börse – Der Ratgeber in uns und wann er scheitert

  1. @FF natürlich ist es mehr als das. Daher sagte ich ja auch anschließend, dass es nur ein Teil des Ganzen ist. Seine Intuition zu nutzen ist ebenso ein Parameter wie etwa ein technisches Setup. Man sollte die Intuition im richtigen Moment nutzen und nicht pauschal als einzige Entscheidungsgrundlage.

  2. „Dass man in gewissen Phasen Schwierigkeiten hat eine Intuition zu „haben“, ist womöglich abhängig davon auf welche Bewertungsmethoden man seine Entscheidungen vorher gestützt hat.“ tradingundinvestments

    N´abend. Das impliziert schlichtweg , dass das Gehirn nur auf die Vergangenheit und somit auf festgelegte Schemata zurückgreift. Es ist vielmehr als nur „DAS“!

  3. Noch ergänzend zu der oberen Aussage: Für einen Laien ist es sicherlich empfehlenswert, wie im Artikel dargelegt, erst einmal nicht auf sein Bauchgefühl zu hören.

    Dennoch bin ich der Meinung, dass das Verständnis der intuitiven, also quasi nicht rationalen Entscheidungen wichtig ist, da es auch das Wesen der Erwartungen und damit der Kursbildukng ausmacht. Wenn man sich nur auf starre Modelle stützt, wird man dieses „Wesen“ womöglich nicht akzeptieren und demensprechend nicht anwenden können bzw. sich immer wieder fragen, was denn da eigentlich vor sich geht. Aber auch das ist letztendlich nur ein Teil des Ganzen.
    Das beste Beidpiel: Die Trump-Rally. An der hat wohl nur derjenige voll und ganz partizipiert, der genug Erfahrung und die Intuition hatte. Denn, wenn wir ehrlich sind, was wurde da eigentlich eingepreist? Reine Erwartungen, die aber zahlenmäßig keine Modelle erfassen können, sondern nur die Historie.

  4. „Doch ebenfalls wird nicht bestritten, dass Intuition eine hochkomplexe Art der Schlussfolgerung ist. “

    So sehe ich das auch. Die „richtige“ Intuition bildet sich meiner Meinung nach aus Erfahrung. Wenn wir z.B. aufgrund einer Information einen gewissen Bias haben, dann kommt es uns zwar vor als wäre das ein Bauchgefühl, in Wirklichkeit hat unser Unterbewusstsein diese Information bereits gekannt und nun wieder abgerufen. Das heisst natürlich nicht, dass diese Intuition am Ende immer ins Schwarze trifft, aber unterschätzen sollte man sie meiner Meinung nach ganz und gar nicht.

    Dass man in gewissen Phasen Schwierigkeiten hat eine Intuition zu „haben“, ist womöglich abhängig davon auf welche Bewertungsmethoden man seine Entscheidungen vorher gestützt hat.

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