Die globalen Finanzmärkte erleben einen grundlegenden Wandel. Während Trumps aggressive Handelspolitik die Wirtschaftsdynamik neu ordnet, reagieren Investoren mit dramatischen Umschichtungen ihrer Portfolios. Der Dollar schwächelt auf Mehrjahrestiefs, chinesisches Geld strömt nach Hongkong und die Fusionswelle nimmt Fahrt auf.
Handelskonflikte schaffen neue Realitäten
Die EU hat mit ihrer Zusage, die Verteidigungsausgaben auf 5% der Wirtschaftsleistung zu steigern, einen geschickten Schachzug gemacht. "Ein Großteil dieser 5% wird sicher für amerikanische Käufe ausgegeben und hilft, die Handelsbeziehungen neu auszubalancieren", erklärte EU-Ratschef António Costa. Das 236-Milliarden-Dollar-Handelsdefizit der USA mit Europa könnte sich dadurch entspannen.
Doch die Zeit drängt. Washingtons Drohung mit 50%-Zöllen bis zum 9. Juli hängt wie ein Damoklesschwert über den Märkten. Finanzminister Scott Bessent deutete zwar Flexibilität an und sprach von möglichen Deals bis zum 1. September, doch Analysten bleiben skeptisch. "Wir bezweifeln, dass so viele Handelsabkommen so schnell vereinbart werden können", warnen Experten der Commonwealth Bank of Australia.
Dollar unter Druck – Märkte hoffen auf Zinswende
Der Greenback erlebt seinen schwersten Absturz seit den 1970er Jahren. Gegenüber dem Euro steht er auf einem Vierjahrestief, beim Yen und Schweizer Franken sieht es nicht besser aus. Jerome Powells dovish interpretierte Aussagen vor dem Kongress haben die Zinssenkungsfantasien befeuert. 91,5% der Marktteilnehmer setzen inzwischen auf mindestens eine Zinssenkung bis September.
"Das Risiko bleibt nach unten gerichtet für den Dollar", analysiert Francesco Pesole von ING. Trumps wiederholte Attacken auf Powell, seine Forderung nach einem Leitzins von nur 1% und die Drohung mit einer Ablösung des Fed-Chefs verstärken die Unsicherheit zusätzlich.
Asien profitiert vom Wandel
Während der Westen mit Handelsunsicherheiten kämpft, erlebt Asien einen wahren Geldregen. Hongkongs Aktienmarkt schoss um 21% nach oben, angetrieben von rekordverdächtigen 90 Milliarden Dollar aus China. "Der Hongkonger Aktienmarkt wird von Festlandgeld neu bewertet", erklärt Chen Dong von Hangzhou Ultraviolet Private Fund.
Die Umschichtung hat handfeste Gründe: Während Chinas CSI 300 stagniert, bieten Hongkongs H-Shares attraktive Bewertungsabschläge und höhere Dividendenrenditen von 3,7% gegenüber 2,9% am Festland. "Für die gleichen Assets will man natürlich weniger zahlen", begründet Investor Zhu Haifeng seine Strategie.
M&A-Markt erwacht aus Schockstarre
Nach einem verhaltenen ersten Halbjahr sammeln sich die Fusionsgeier. Zwar brach die Anzahl der Deals von 20.583 auf 17.528 ein, doch das Gesamtvolumen stieg um 26% auf 2,14 Billionen Dollar – getrieben von Mega-Transaktionen.
"Die Wahrscheinlichkeit sehr großer Transaktionen von 50 Milliarden Dollar und mehr ist gestiegen", prophezeit John Collins von Morgan Stanley. Ivan Farman von Bank of America sieht "viele Deals, die pausiert wurden und zurückkommen werden".
Asien führt den Aufschwung an. Toyotas 33-Milliarden-Deal und ADNOCs 18,7-Milliarden-Übernahme von Santos zeigen die neue Dynamik. "Sie werden mehr Asien-zu-Asien-Aktivität sehen", prognostiziert Goldman Sachs‘ Raghav Maliah.
Europa kämpft mit Wachstumsschwäche
Während die Märkte spekulieren, kämpft die Eurozone mit harten Realitäten. Das Kreditwachstum an Unternehmen stagnierte bei 2,5%, der erste negative Monatsfluss seit über einem Jahr signalisiert Vorsicht bei Investitionen. Die EZB hatte zwar die Zinsen um 2 Prozentpunkte gesenkt, doch Handelsunsicherheiten konterkarieren die Stimulierung.
Immerhin zeigt sich Deutschland gemischt: In drei Bundesländern sank die Inflation im Juni, während sie in Baden-Württemberg leicht anzog. Die Hoffnung auf eine nationale Entspannung bleibt bestehen.
Notenbanken zwischen allen Stühlen
Das zentrale Dilemma kristallisiert sich in Sintra heraus, wo sich die Notenbankchefs diese Woche treffen. Die EZB bekräftigte ihre Symmetrie beim 2%-Inflationsziel und kündigte "angemessen kraftvolle Maßnahmen" bei Abweichungen nach beiden Seiten an.
Doch die Realität ist komplexer. Morgan Stanley warnt, dass sich die "bedeutsame Verlangsamung" durch Trumps Zölle erst in den kommenden Monaten in den Inflationsdaten zeigen könnte. "Es ist schlicht verfrüht zu erwarten, dass die Inflation bereits bedeutsam gestiegen ist", mahnen die Analysten.
Die Märkte stehen vor einer Richtungsentscheidung. Während Handelskonflikte die alte Ordnung erschüttern, entstehen neue Machtzentren und Kapitalströme. Ob der schwächelnde Dollar, Asiens Aufstieg oder Europas Balanceakt – die kommenden Monate werden zeigen, wer als Gewinner aus diesem historischen Umbruch hervorgeht.