Liebe Leserinnen und Leser,
es ist eine alte Börsenweisheit, dass Geld nie schläft – nicht einmal, wenn die Gänse im Ofen brutzeln. Während die Parkettböden in Frankfurt und New York heute feiertagsbedingt verwaist sind, hallt ein Paukenschlag von gestern Abend noch laut nach. Wer glaubte, der 24. Dezember sei zwangsläufig ein Tag der Besinnung, hat die Rechnung ohne Jensen Huang gemacht.
Es ist eine paradoxe Weihnachtsstimmung: Die Wall Street verabschiedete sich gestern mit Allzeithochs in die Feiertage, befeuert von einer US-Wirtschaft, die allen Unkenrufen zum Trotz auf Hochtouren läuft. Nvidia legte sich selbst ein 20-Milliarden-Dollar-Paket unter den Baum. Nur im Krypto-Sektor herrscht statt Festtagslaune eher das große Zittern vor dem morgigen Verfallstag.
Willkommen zu einer festlichen – und hochaktuellen – Ausgabe Ihres Markt-Briefings.
Nvidias 20-Milliarden-Dollar-Geschenk (an sich selbst)
Es ist der Deal, der das Silicon Valley über die Feiertage beschäftigen wird. Buchstäblich in den letzten Handelsstunden vor Weihnachten sickerte durch: Nvidia hat zugeschlagen. Der KI-Platzhirsch sichert sich wesentliche Assets und Lizenzen des KI-Chip-Startups Groq.
Das Preisschild ist gewaltig: Rund 20 Milliarden US-Dollar. Damit stellt dieser Deal selbst die Mellanox-Übernahme von 2019 in den Schatten. Doch es ist keine klassische Komplettübernahme. Groqs Cloud-Geschäft bleibt eigenständig. Nvidia betreibt hier „Acqui-hire“ auf höchstem Niveau: Man kauft sich gezielt die Inferenz-Technologie (die Anwendung von KI, nicht das Training) und – vielleicht noch wichtiger – die Köpfe dahinter. Gründer Jonathan Ross wechselt ins „Team Grün“.
Die strategische Einordnung:
Die Aktie reagierte gestern verhalten und ging mit einem leichten Minus von 0,46 Prozent auf 188,33 Dollar aus dem Handel. Doch der strategische Schachzug ist unübersehbar: Groq galt als einer der gefährlichsten Herausforderer im Bereich Inferenz. Indem Nvidia sich diese Technologie einverleibt, wird der Burggraben um das eigene Imperium noch tiefer und breiter. Während andere Chip-Größen mit ihren Fertigungsprozessen hadern, kauft Nvidia schlichtweg die Zukunft der KI-Anwendung.
Diese Chip-Konsolidierung zeigt deutlich, wie aggressiv der Kampf um die Halbleiter-Vorherrschaft geworden ist. Bernd Wünsche analysiert in seinem Webinar „Der Eine-Billion-Dollar-Chip“ genau diese Marktdynamik und stellt 4 Chip-Aktien vor, die vom aktuellen Halbleiter-Boom profitieren könnten. Er zeigt auf, warum Mikrochips das neue Öl sind und welche Unternehmen neben Nvidia im Chip-Rennen vorne liegen. Kostenlose Chip-Aktien-Analyse ansehen
US-Konjunktur: Die Rezession findet nicht statt
Der Blick über den Atlantik dürfte manchem europäischen Ökonomen Tränen in die Augen treiben – allerdings keine Freudentränen. Bevor die Lichter an der NYSE gestern ausgingen, markierten sowohl der S&P 500 als auch der Dow Jones neue Allzeithochs.
Der Treibstoff für diese Bescherung kam direkt vom US-Arbeitsministerium:
* Wachstum: Das US-BIP legte im dritten Quartal um annualisierte 4,3 Prozent zu. Das ist kein laues Lüftchen, das ist ein Boom.
* Arbeitsmarkt: Die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe fielen überraschend auf 214.000.
Die viel zitierte „Santa Claus Rally“ scheint dieses Jahr Realität zu werden. Die US-Wirtschaft präsentiert sich „kerngesund“, was die Hoffnung nährt, dass die Unternehmensgewinne auch 2026 sprudeln werden. Für Anleger heißt das: Der US-Motor brummt, und die Rezessionsangst wirkt wie ein Gespenst aus vergangenen Tagen.
Krypto-Winter an Weihnachten?
Ganz anders die Stimmungslage bei den digitalen Assets. Während Aktienanleger Champagner kaltstellen, kämpft der Bitcoin heute am ersten Weihnachtstag mühsam um die Marke von 87.000 bis 88.000 US-Dollar.
Der „Fear & Greed Index“ ist auf 27 abgerutscht – das Signal steht auf „Extreme Angst“. Drei Faktoren verderben den Krypto-Fans das Fest:
1. ETF-Flucht: Die US-Spot-ETFs bluten aus. Allein am 24. Dezember zogen Anleger netto über 175 Millionen Dollar ab – der fünfte Tag mit Abflüssen in Folge.
2. Der Milliarden-Verfall: Morgen, am 26. Dezember, droht Ungemach. Auf der Plattform Deribit laufen Bitcoin-Optionen im Wert von gigantischen 28,5 Milliarden Dollar aus.
3. Max Pain: Der Punkt des „maximalen Schmerzes“ für Optionshalter liegt bei 95.000 Dollar. Da der Kurs aktuell deutlich darunter notiert (rund 87.800 Dollar), deutet dies auf anhaltenden Verkaufsdruck hin.
Doch es gibt einen Hoffnungsschimmer im Daten-Nebel: Bei Ethereum (ETH) zeigen On-Chain-Daten eine massive Diskrepanz. Während der Kurs unter 3.000 Dollar dümpelt, kaufen „Wale“ aggressiv zu. Ein einzelner Akteur hat seit November ETH im Wert von 1,6 Milliarden Dollar akkumuliert. Hier wetten tiefe Taschen offenbar massiv gegen die aktuelle Marktstimmung.
Ein Blick nach Osten: Aus Rost wird Eis
Zum Abschluss ein Blick über den Tellerrand, der zeigt, wie Wandel gelingen kann. Während wir oft starr auf Zinsen und Tech-Aktien schauen, erfindet sich Chinas Nordosten (Dongbei) gerade neu. Einst das industrielle Herz, dann der „Rust Belt“ der Volksrepublik, wird die Region nun durch Kälte reich.
Was früher ein Standortnachteil war – brutale Winter –, wird monetarisiert. Die Region boomt als Wintertourismus-Destination („China’s Hottest Winter Party“). Warum ist das relevant? Es ist ein Lehrstück für strukturschwache Regionen weltweit: Wenn das alte Industriemodell stirbt, muss man manchmal das Offensichtliche – hier das Eis – zum neuen Gold machen.
Was das für Sie bedeutet
Genießen Sie den heutigen Feiertag. Die Börsen sind geschlossen, die Kurse stehen still (es sei denn, Sie halten Bitcoin, dann sind heute starke Nerven gefragt).
Morgen, am 26. Dezember, kehrt die Wall Street zurück – und mit ihr die Realität des gewaltigen Optionsverfalls bei Kryptowährungen. Es könnte ein volatiler Brückentag werden. Doch für heute gilt: Das wichtigste Investment ist die Zeit mit Familie und Freunden.
Ich wünsche Ihnen weiterhin frohe und friedliche Festtage.
Herzlichst,
Ihr
Andreas Sommer


