Antifragilität als Depotlösung bildet den letzten Teil der Serie „Querdenker“. Damit beende ich die Serie mit dem für mich wichtigsten Aspekt bei der Portfoliosteuerung.
Dem Autor, Philosoph, Finanzmathematiker und Forscher Nassim Nicholas Taleb ist mit der Definition von „Antifragilität“ nicht nur eine simple Wortschöpfung gelungen, sondern vielmehr eine gänzlich neue Herangehensweise für vielerlei Sachverhalte. Wenn man nicht offen für die Querdenkerei ist, kann man Talebs Gedanken natürlich für „ein bisschen viel Blödsinn“ halten – in meinem Augen kommen sie aber einem Geniestreich gleich.
Bevor ich diesen neuen Ansatz kennen lernte, hätte auch ich die Frage: „Was ist das Gegenteil von fragil?“ mit „stabil“ oder „robust“ beantwortet. Und dieser Umstand dürfte auf so gut wie jeden Menschen zutreffend sein – aber eben nicht auf Querdenker Taleb. Er erkannte, dass es mehr als die Gegensätzlichkeit von „gleich bleibend“ und „veränderlich“ gibt bzw. dass die eigentliche Antonymität anders zu bewerten ist.
Antifragilität – Das Gegenteil von Fragilität
Wenn etwas fragil ist, dann ist es üblicherweise gebrechlich bzw. zerbrechlich. Das bedeutet, dass sein Zustand durch äußere Einflüsse (Stress) so verändert wird, dass es mit zunehmender Stärke bzw. Vielfalt dieser einwirkenden Faktoren nicht mehr existent ist. Stellen sie sich einfach ein Glas vor. Wenn sie dieses Glas in die Hand nehmen, üben sie Druck auf das Glas aus.
Trotzdem wird es höchstwahrscheinlich nicht zerbrechen, denn einen gewissen Druck hält ein Glas eben aus. Allerdings existiert ein kritischer Punkt, ab dem das Glas seine Form unwiederbringlich verliert. Nur weil sie das zerbrochene Glas wieder loslassen, wird es nicht zurück in seine alte Form gelangen.
Dagegen ist etwas robust, wenn es ein Höchstmaß an Stress aushält, ohne seinen Zustand zu verändern. Und genau hier setzt nun Taleb an und sagt, dass gegenteiliges Verhalten nicht im Unveränderlichen zu sehen ist, sondern sich vielmehr als entgegengesetzte Veränderung äußern sollte. Einem Auflösungsprozess müsste demnach also eher die Zunahme gegenüber stehen. Das heißt, antifragile Dinge bzw. Systeme profitieren sogar von einwirkenden Stressfaktoren.
Fehlender Stress im Finanzsystem
Wie in diesem Blog schon öfter angeführt wurde, fehlt genau dieses Stresslevel aktuell in den Märkten. Die Notenbanken haben mit den QE-Maßnahmen und den ultraniedrigen Zinsen einen Kapitalmarkt geschaffen, der quasi absolut „keimfrei“ ist. Alle Stressoren – seien Sie auch noch so klein- werden gnadenlos bekämpft. Und um dieses Milieu zu erhalten, wird auch vor der Verabreichung von Überdosen nicht zurück geschreckt. Dieser künstlich herbeigeführte und am „Leben“ gehaltene Zustand ist im talebschen Sinne als höchst fragil zu bewerten und wird deshalb früher oder später genau das Problem darstellen. Nur Märkte unter Stress können sich anpassen und stärker werden.
Antifragilität als Depotlösung: kurzfristig robust und langfristig antifragil bleiben
Sollten Sie in den letzten Monaten über das Thema Geldanlage und Portfoliosteuerung nachdenken, haben Sie sicher ab und an Sorgenfalten auf der Stirn. Immerhin gibt es keine „sicheren“ Ertragsquellen mehr. Sollte Ihnen aktuell ein Finanzprodukt angeboten werden, welches augenscheinlich ein Höchstmaß an Erträgen und Sicherheit bietet, sollten Sie mit mehr als nur ihren eigenen zwei Augen hinsehen. Gerade in Zeiten wie diesen lauert der Betrug überall.
Besser ist es, an dieser Stelle einen eigenen Weg zu gehen und eine an das eigene Risikomaß angepasste Lösungen zu „basteln“. Zu einem kurzfristig robusten Portfolio werden immer auch Anleihen gehören. Dabei ist die Rendite dieser Anleihen zu vernachlässigen, da ja nur alle Erträge des gesamten Portfolios entscheidend sind. Anleihen sind eine wichtige Depotgröße, um ein Portfolio robust werden zu lassen. Dabei sind auch Überlegungen wie Kappung des Giralgeldes und andere Dinge zu berücksichtigen.
Auch Aktien sind zwingend notwendig. Ohne diese Anlage läuft man Gefahr, einer Inflation schutzlos ausgeliefert zu sein. Gold, Land und andere Sachgüter sind ebenfalls aufzunehmen, um sich robuster aufzustellen und Schwarzen Schwänen trotzen zu können.
Ein antifragiles Portfolio
Für die Antifragilität als Depotlösung eines Portfolios bedarf es allerdings noch anderer Lösungen. So kann eine „unwahrscheinliche Option“ eine kostengünstige Depotabsicherung darstellen, die dann gerade in stressigen Märkten ihr volles Potenzial zeigen kann und so sogar Ihr Gesamtvermögen steigert. Es gibt allerdings auch Ansätze wie die im HPS Antifrag des Kollegen ORBP.
In diesem Modell wird die Antifragilität nicht über eine direkte Absicherung, sondern über die spezielle Auswahl der Aktien und eine immer existente Cashquote erreicht. Damit wird man nie zum größten Highflyer der Vergleichsprodukte in Bullenmärkten, aber man vermeidet die Tränen in Crashsituationen. Diese sind zwar nur selten an den Märkten zu finden, aber ihre Auswirkungen sind so gewaltig, dass auch dieser seltene Fall immer berücksichtigt werden sollte.
Lektüre für die Querdenker
Es ist nur konsequent und schlüssig auch das Buch „Antifragilität“ von N.N. Taleb den geneigten Querdenkern ans Herz zu legen. Allerdings kann man bei Interesse auf jeden Fall auch Talebs erste Werke lesen. Unter diesen wären zu nennen „Der Schwarze Schwan“, sein Weltbestseller, aber auch „Narren des Zufalls“. Ich kann von mir behaupten, dass ich die Welt seit der Lektüre all dieser Bücher tatsächlich mehr als nur ein wenig anders betrachte. Alle seine Werke haben keinesfalls an Aktualität verloren, im Gegenteil, sie sind relevanter als jemals zuvor in der Geschichte des Kapitalmarktes.
Wer die Serie der Querdenker verpasst hat, findet hier die Einleitung und die weiteren Teile.
In diesem Sinne wünsche ich allen viele spannende und verquere Gedanken beim Lesen!