Die Reserve Bank of Australia (RBA) hat am Dienstag ihren Leitzins bei 3,60 Prozent belassen und damit die Erwartungen der Märkte erfüllt. Doch die Botschaft aus Sydney klingt alles andere als beruhigend: Die Inflationsrisiken haben sich nach oben verschoben, und es könnte länger dauern als gedacht, bis der Preisauftrieb nachhaltig eingedämmt ist. Die australische Wirtschaft zeigt sich robuster als erwartet – eine Entwicklung, die der Zentralbank zunehmend Sorgen bereitet.
Stärkere Nachfrage als kalkuliert
„Die jüngsten Daten deuten darauf hin, dass sich die Inflationsrisiken nach oben verschoben haben“, erklärte die RBA in ihrer Stellungnahme. Besonders die inländische Nachfrage habe sich stärker entwickelt als prognostiziert und könnte zusätzlichen Druck auf die Kapazitäten ausüben. Die Wirtschaft wuchs im vergangenen Quartal so schnell wie seit zwei Jahren nicht mehr – befeuert durch Ausgaben von Unternehmen, Staat und Verbrauchern.
Der Arbeitsmarkt präsentiert sich weiterhin widerstandsfähig. Die Arbeitslosenquote sank im Oktober auf 4,3 Prozent, nachdem sie zuvor bei 4,5 Prozent gelegen hatte. Gleichzeitig erreichten die Immobilienpreise neue Rekordhöhen, während die Kreditvergabe für Wohnimmobilien anzog. Diese Entwicklungen nähren Zweifel daran, ob die Geldpolitik tatsächlich so restriktiv wirkt wie bisher angenommen.
Marktreaktion: Zinserhöhungen wieder im Blick
Die Finanzmärkte reagierten prompt auf die hawkischen Untertöne. Swap-Märkte preisen mittlerweile ein, dass der nächste Zinsschritt nach oben gehen wird – möglicherweise bereits im Mai 2026, was zu etwa 50 Prozent einkalkuliert ist. Für das kommende Jahr erwarten Händler insgesamt Straffungen im Umfang von 38 Basispunkten.
Der australische Dollar zeigte sich nach der Entscheidung weitgehend stabil bei 0,6620 US-Dollar. Dreijährige Staatsanleihen gaben leicht nach, die Renditen stiegen um einen Basispunkt auf 4,058 Prozent. Die Aussage war zwar nicht so straff wie befürchtet, dennoch markiert sie eine deutliche Kehrtwende: Nach drei Zinssenkungen in diesem Jahr scheint der Lockerungszyklus vorerst beendet.
Inflation hartnäckiger als erhofft
Die Kerninflation, gemessen am Trimmed-Mean-Indikator, liegt mit 3,3 Prozent noch immer über dem Mittelpunkt der RBA-Zielspanne von zwei bis drei Prozent. Die Gesamtinflation ist vier Monate in Folge gestiegen und erreichte im Oktober 3,8 Prozent. Die Zentralbank betonte, es gebe Unsicherheiten über die weitere Entwicklung der Wirtschaftsaktivität und der Inflation – nicht zuletzt weil das australische Statistikamt ab Oktober auf eine umfassendere monatliche Erfassung der Verbraucherpreise umgestellt hat.
„Es wird etwas länger dauern, die Beständigkeit des Inflationsdrucks zu beurteilen“, räumte die RBA ein. Zugleich bekräftigte sie ihr Mandat, alles Notwendige zu tun, um Preisstabilität und Vollbeschäftigung zu erreichen. Eine moderate Abkühlung am Arbeitsmarkt werde erwartet – doch davon ist bislang wenig zu sehen.
Globale Geldpolitik im Fokus
Die RBA-Entscheidung reiht sich ein in eine ereignisreiche Woche für Zentralbanken weltweit. Während Australien pausiert, richtet sich der Blick vor allem auf die US-Notenbank Federal Reserve, die am Mittwoch tagt. Eine Zinssenkung um 25 Basispunkte gilt als nahezu sicher – mit 87-prozentiger Wahrscheinlichkeit laut CME FedWatch Tool. Doch die eigentliche Spannung liegt in der Frage, wie es danach weitergeht.
Viele Wall-Street-Banken prognostizieren für 2026 weniger Zinssenkungen als ursprünglich erwartet, getrieben von anhaltenden Inflationssorgen und einer widerstandsfähigeren US-Wirtschaft. Anleihen-Investoren positionieren sich bereits für einen flacheren Lockerungszyklus. Die Märkte rechnen bis Ende 2026 mit Erleichterungen von lediglich 77 Basispunkten.
Auch die Schweizer Nationalbank und die Bank of Canada werden diese Woche ihre Zinsen halten. Die SNB könnte zwar theoretisch lockern, um die Frankenstärke zu kompensieren, liegt aber bereits bei null Prozent und scheut den Schritt in den negativen Bereich. Kanada hingegen wartet ab, während sich die globalen geldpolitischen Koordinaten neu justieren.
Internationale Risikofaktoren
Das globale Umfeld bleibt volatil. In Japan erschütterte am Montag ein Erdbeben der Stärke 7,5 die nordöstlichen Regionen, was rund 90.000 Menschen zur Evakuierung zwang. Die unmittelbaren Marktreaktionen blieben begrenzt – der Yen zeigte sich mit 155,87 pro Dollar weitgehend unbeeindruckt. Dennoch spekulieren Analysten, dass die Bank of Japan eine für nächste Woche erwartete Zinserhöhung verschieben könnte, falls die wirtschaftlichen Schäden gravierend ausfallen.
An den asiatischen Börsen herrschte Vorsicht. Der MSCI Asia-Pacific Index ohne Japan gab 0,28 Prozent nach, während der Nikkei minimal um 0,08 Prozent fiel. Die Nervosität vor den anstehenden Zentralbankentscheidungen prägt das Marktgeschehen. Besonders die Frage, wie restriktiv die Geldpolitik tatsächlich noch ist, beschäftigt Investoren zunehmend.
Australiens robuste Konsumenten
Ein bemerkenswerter Faktor in Australien ist die wiedererwachte Konsumlaune. Nach langer Durststrecke hat sich die Verbraucherstimmung ins Positive gedreht – ein wichtiger Impuls für die weitere Entwicklung der Haushaltsausgaben. Die steigenden Immobilienpreise und aufgehellten Aktienmärkte deuten darauf hin, dass die finanziellen Bedingungen lockerer sein könnten als von der RBA kalkuliert.
Die Zentralbank hatte früher im Jahr auf erste Anzeichen einer wirtschaftlichen Abkühlung reagiert und die Zinsen in drei Schritten um insgesamt 75 Basispunkte gesenkt. Doch die erhoffte Dämpfung blieb aus. Stattdessen erwies sich die Wirtschaft als überraschend widerstandsfähig, was die RBA nun zum Umdenken zwingt.
„Es bestehen Unsicherheiten über den Ausblick für die inländische Wirtschaftsaktivität und Inflation sowie das Ausmaß, in dem die Geldpolitik restriktiv bleibt“, fasste die Notenbank die Lage zusammen. Diese Unsicherheit dürfte die Märkte noch eine Weile begleiten – und macht weitere Zinsschritte nach oben wahrscheinlicher als noch vor Monaten gedacht.


