Rettung der Türkischen Lira: Politik trifft auf Marktwirtschaft

Vielleicht kennen Sie schon das Video, welches den Landwirt Abdulkadir Cekic in der Türkei zeigt. Sinnbildlich für einen Großteil der Bevölkerung sieht er sich einem finanziellen Abstieg gegenüber. Denn die Währung der Türkei fällt und fällt. Gelingt es, eine Rettung der Türkischen Lira mit politischer Macht zu erzwingen oder ist die Marktwirtschaft dafür da, eine solche Situation zu bereinigen? Auf diese sehr schwierige Frage versuche ich hier eine Antwort zu finden.

 

Der eingangs benannte Landwirt kippt auf der Straße vor seiner Bank von seinem Traktor Kuhmist ab. Er ist sichtlich verärgert. Nicht direkt auf diese Filiale der staatlichen türkischen Ziraat Bank, sondern vielmehr auf die Entwicklung der Zinssätze und des Verfalls seiner Währung. Denn damit verteuern sich Kredite massiv, vor allem bei Käufen im Ausland.

 

Die Krise in der Türkei

Hier trifft die schwache Landeswährung auf starke Gegensätze am Forex, dem Währungsmarkt zwischen Devisen. Es gibt bereits eine Schieflage, wenn man Importmengen mit Exportmengen vergleicht. So erreichte dieses Verhältnis nun etwa fünf Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Warenimporte werden damit immer teurer und belasten in letzter Instanz die Bürger der Türkei. Sicherlich betrifft dies auch andere Schwellenländer, doch hier soll es vorrangig um die Türkische Lira gehen.

 

Entwicklung der Türkischen Lira

Diese Entwicklung ist nicht neu und hält nun schon einige Jahre an. Auch wenn sie sich in jüngster Zeit noch einmal zuspitzte, so legte doch das Währungspaar Euro-Lira (Kürzel: EUR/TRY) einen starken Trend vor. Dazu folgender 5-Jahreschart von finanztreff.de

 

 

Damit verdoppelte sich der Kurs binnen dieser Zeitspanne. Allein binnen 3 Jahren legte er um 91 Prozent zu, auf ein Jahr immer noch 38 Prozent und in diesem Kalenderjahr um 20 Prozent. Diese Zahlen muss man sich als negative Performance einmal auf seine Sichteinlagen vorstellen, wenn genau diese Kaufkraft schwindet!

Nun könnte womöglich etwas Ruhe in den Kursverlauf kommen. Denn die Politik versucht den Trend zumindest aufzuhalten und im Idealfall umzukehren. Nicht nur mit Reden, sondern auch mit Taten. Kurzfristig wirkte diese Kombination:

 

 

Was geschah genau, als sich die Türkische Lira so stark wie seit einem Jahr nicht mehr erholte und auch die Anleihen wieder durchatmeten?

 

Türkei Schulden – Es wird kritisch für die Lira und europäische Banken

 

Die Rolle von Erdogan und der Notenbank

Der türkische Präsident Erdogan hatte am Samstag auf einer Wahlkundgebung in der osttürkischen Stadt Erzurum an seine Landsleute appelliert, Geldreserven in die eigene Währung zu tauschen. Damit soll und ist die Nachfrage etwas angestiegen. Seine Worte waren:

„Meine Brüder, die Dollar oder Euro unter ihren Kopfkissen haben, geht und legt euer Geld in Lira an. Wir werden zusammen diesen Komplott vereiteln“

Das war jedoch nicht alles. Dem Aufruf „folgte“ auch die Notenbank des Landes mit einer Not-Zinsanhebung. Sie kündigte zudem eine Vereinfachung der recht unübersichtlichen Geldpolitik an. Bisher gibt es in der Türkei einen so genannten „Spätausleihungssatz“. Nun soll ein Leitzins als Hauptzinssatz für einwöchiges Zentralbankgeld eingeführt werden. Er liegt übrigens bei 16,5 Prozent.

Ob dies eine unabhängige Geldpolitik werden soll, darf bezweifelt werden. Denn zur nächsten Wahl in einem Monat dürfte hier der politische Einfluss eher noch zunehmen, wie auch DIE ZEIT schrieb.

 

Erdogan selbst hat keine ökonomischen Gründe gefunden und sieht eher eine „Verschwörung heimischer und ausländischer Finanzkräfte, die die türkische Wirtschaft destabilisieren“ in dieser aktuellen Entwicklung. Man könnte meinen, er nimmt als Präsident die Entwicklung der Währung seines Landes sehr persönlich. Immerhin ist er seit 2003 im Amt und möchte im Idealfall mit einer hohen Quote auch noch einmal fünf Jahre das Land regieren.

 

Direkte Auswirkungen

Was bleibt am Ende? Hier schließt sich der Kreis zur eingangs dokumentierten Geschichte des Landwirtes: Inflation.

Das türkische Meinungsforschungsinstituts Metropoll hat im April aus einer Umfrage ermittelt, dass sich für 50,6 Prozent der Befragten die wirtschaftliche Situation verschlechtert hat. Nur 16,6 Prozent der Teilnehmer empfanden das letzte Jahr als besser, wie das Handelsblatt berichtete.

 

Für Anleger und Trader sollte dieser Markt in den nächsten vier Wochen bis und kurz nach der Präsidentschafts- und Parlamentswahl im Auge behalten werden. Die Wahl selbst findet am 24. Juni statt.

 

Ich persönlich glaube nicht, dass man in einer global vernetzten Wirtschaft die Währung durch Sanktionen oder politische Reden langfristig beeinflussen kann. Hier wirken stärkere Kräfte und basieren letztlich auf den wirtschaftlichen Fakten. Wenn die Wachstumsraten in der Türkei weiter nachlassen und die Inflation hoch bleibt, kann die Währung nicht anders als schwach zu bleiben. Wie sich dies auf andere Banken, Länder und die EU auswirkt, kommentiere ich gerne an anderer Stelle noch einmal

Ihr Andreas Mueller (Bernecker1977)

Auslandsschulden der Türkei könnten zum Problem werden

Über Andreas Bernstein 1378 Artikel
Andreas Bernstein ist als Trader, Referent und Coach über 20 Jahre unter dem Pseudonym "Bernecker1977" aktiv gewesen. Sein Trading von Indizes, Devisen und Rohstoffen an der Börse vollzieht er mit Futures, Derivaten und CFDs.. Schauen Sie ihm hier oder auf dem Twitch-Kanal "FIT4FINANZEN" täglich über die Schultern.

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