Liebe Leserinnen und Leser,
manchmal genügt ein einziger Tag, um zu zeigen, wie nervös die Märkte wirklich sind. Gestern stürzten die großen US-Indizes ab – der Nasdaq verlor 1,6 Prozent, der S&P 500 rutschte um 1,1 Prozent. Was auf den ersten Blick wie ein gewöhnlicher Handelstag aussieht, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als Vorbote einer fundamentalen Verunsicherung: Ist der KI-Boom am Ende? Platzt gerade eine Blase, die Billionen Dollar schwer ist? Und warum geraten ausgerechnet jetzt auch Bitcoin und Ethereum unter die Räder, obwohl sie doch als Krisenwährungen gelten? Lassen Sie uns einen Blick auf die drei zentralen Schauplätze werfen, die gestern die Märkte bewegten – und was das für deutsche Anleger bedeutet.
Nvidia-Zahlen als Lackmustest für den KI-Traum
Morgen Abend nach US-Börsenschluss wird Nvidia seine Quartalszahlen vorlegen. Was normalerweise ein Routineereignis wäre, hat sich zu einer Art Reifeprüfung für den gesamten KI-Sektor entwickelt. Die Aktie des Chip-Giganten verlor gestern weitere 3 Prozent und rutschte damit auf den tiefsten Stand seit einem Monat. Seit dem Zwischenhoch Mitte November hat Nvidia bereits 15 Prozent an Wert eingebüßt.
Die Nervosität ist greifbar – und sie hat einen Namen: Bewertungsangst. Selbst Sundar Pichai, Chef von Alphabets Google-Sparte, räumte im BBC-Interview ein, dass es „eine gewisse Irrationalität“ im aktuellen KI-Boom gebe. Seine Warnung: Wenn die KI-Blase platzt, wird kein Unternehmen verschont bleiben. Solche Töne von einem der größten KI-Profiteure der Branche lassen aufhorchen.
Für Nvidia steht viel auf dem Spiel. Analysten erwarten zwar weiterhin starke Zahlen, doch die Messlatte liegt inzwischen astronomisch hoch. Jede Enttäuschung – sei es bei den Umsätzen, den Margen oder vor allem beim Ausblick – könnte eine Verkaufswelle auslösen, die weit über den Chipsektor hinausreicht. Denn Nvidia ist nicht irgendein Tech-Wert: Das Unternehmen ist der Herzschlag der KI-Revolution. Wenn dieser Puls schwächer wird, spürt es der gesamte Markt.
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Microsoft und die 30-Milliarden-Dollar-Wette auf KI
Während Nvidia zittert, verdoppelt Microsoft seinen Einsatz. Gemeinsam mit Nvidia und dem KI-Startup Anthropic verkündete der Konzern aus Redmond gestern eine strategische Partnerschaft, die es in sich hat: Anthropic wird Azure-Rechenkapazitäten im Wert von 30 Milliarden Dollar abnehmen und strebt dabei eine gigawattgroße KI-Infrastruktur an. Zum Vergleich: Ein Gigawatt entspricht der Leistung eines mittleren Atomkraftwerks.
Die Botschaft ist klar: Microsoft glaubt fest daran, dass die KI-Nachfrage weiter explodiert. Anthropics Claude-Modelle, die nun auch europäischen Kunden über Azure zur Verfügung stehen, sollen dabei helfen, die Dominanz von OpenAIs ChatGPT zu brechen. Doch die Microsoft-Aktie honorierte die Nachricht nicht – sie fiel um 3,2 Prozent. Der Markt fragt sich: Sind diese Milliarden-Investitionen wirklich gerechtfertigt, oder werden hier gerade gewaltige Überkapazitäten aufgebaut?
Interessant wird auch die europäische Dimension: Auf dem deutsch-französischen Digitalgipfel in Berlin wurden gestern 18 neue KI-Kooperationen im Volumen von rund einer Milliarde Euro vorgestellt. SAP arbeitet künftig mit dem französischen KI-Anbieter Mistral AI zusammen, Mercedes-Benz kooperiert mit Black Forest Labs. Europa will aufholen – doch die Frage bleibt, ob die Abhängigkeit von US-Clouds wie Azure wirklich durchbrochen werden kann.
Bitcoin und Ethereum: Wenn Krypto kapituliert
Während Tech-Aktien unter Druck geraten, hätte man erwarten können, dass Kryptowährungen als alternative Anlageklasse profitieren. Das Gegenteil ist der Fall. Bitcoin rutschte unter die psychologisch wichtige Marke von 90.000 Dollar und notiert aktuell bei rund 88.000 Dollar – fast 30 Prozent unter seinem Allzeithoch von 126.200 Dollar, das erst Anfang Oktober erreicht wurde.
Ethereum trifft es noch härter. Die zweitgrößte Kryptowährung fiel auf 3.100 Dollar und kämpft damit am unteren Ende ihrer jüngsten Handelsspanne. Tom Lee, Chefstratege bei Fundstrat, sieht in den Kursverlusten eine klassische Panikreaktion von Kleinanlegern. Seine These: Die sinkenden Erwartungen für weitere Zinssenkungen der US-Notenbank belasten risikoreiche Assets wie Kryptowährungen besonders stark. Aktuell preist der Markt nur noch eine 40-prozentige Wahrscheinlichkeit für eine Zinssenkung im Dezember ein – vor einer Woche waren es noch 55 Prozent.
Doch es gibt auch Lichtblicke. Daten von CryptoQuant zeigen, dass sogenannte Long-Term-Holder – also Investoren mit langem Anlagehorizont – die Schwäche massiv zum Nachkaufen nutzen. Seit dem 6. Oktober stieg deren Bitcoin-Bestand von 159.000 auf 345.000 BTC. Das ist die stärkste Akkumulation in den letzten Marktzyklen. Wenn Smart Money kauft, während Kleinanleger in Panik verkaufen, war das historisch oft ein Wendepunkt.
Rheinmetall: Rüstungsboom als Kontrastprogramm
Inmitten des Tech-Bebens liefert ausgerechnet ein deutscher Rüstungskonzern die positivste Nachricht des Tages. Rheinmetall will seinen Umsatz bis 2030 auf 50 Milliarden Euro verfünffachen – bei gleichzeitig steigender Profitabilität. Die operative Marge soll von aktuell 15,2 auf über 20 Prozent klettern. Konzernchef Armin Papperger zeigte sich überzeugt, dass der Rüstungsboom auch nach einem möglichen Ende des Ukraine-Kriegs anhält. Die NATO-Staaten seien entschlossen, ihre Verteidigungsbudgets dauerhaft hochzufahren.
Die Rheinmetall-Aktie legte zunächst um 4,7 Prozent zu, gab die Gewinne im schwachen Gesamtmarkt aber wieder ab und schloss unverändert. Dennoch zeigt die Reaktion: Es gibt noch Sektoren, die vom makroökonomischen Gegenwind profitieren. Analysten von JPMorgan sehen das Mittelfristziel als „starkes Signal“ und erwarten Anpassungen der Markterwartungen nach oben.
Was das für Sie bedeutet
Die Märkte befinden sich in einer Phase der Neubewertung. Nach Monaten euphorischer KI-Rallyes und Krypto-Höhenflügen setzt nun eine gesunde – wenn auch schmerzhafte – Bodenbildung ein. Die entscheidende Frage lautet: Handelt es sich um eine vorübergehende Korrektur oder um den Beginn eines größeren Abschwungs?
Drei Faktoren werden die kommenden Wochen prägen: Erstens, Nvidias Quartalszahlen morgen Abend. Sie werden zeigen, ob die KI-Nachfrage tatsächlich so robust ist, wie die Branche behauptet. Zweitens, die am Donnerstag anstehenden US-Arbeitsmarktdaten für September, die nach der Regierungsschließung endlich veröffentlicht werden. Sie dürften die Zinssenkungserwartungen weiter beeinflussen. Und drittens, die Frage, ob Bitcoin die 90.000-Dollar-Marke zurückerobern kann – oder ob weitere Kapitulation bevorsteht.
Für deutsche Anleger gilt: Behalten Sie einen kühlen Kopf. Volatile Phasen sind Teil des Spiels, besonders in Tech- und Krypto-Investments. Wer langfristig denkt und auf fundamentale Qualität setzt, kann Schwächephasen zum Nachkaufen nutzen. Wer hingegen kurzfristig spekuliert, sollte sein Risikomanagement überprüfen.
Bis morgen – und halten Sie die Nerven,
Ihr Andreas Sommer


