Die internationale Finanzwelt atmet kurz auf: Nach wochenlangen Turbulenzen zeigen sich erste Anzeichen einer möglichen Entspannung im Handelsstreit zwischen den USA und China. Doch die von US-Präsident Donald Trump ausgelösten Handelskonflikte hinterlassen bereits tiefe Spuren in der Weltwirtschaft – von Kanada bis Indien.
Börsen feiern Tariffantasie
Wall Street jubelt: Die US-Aktienmärkte legten am Mittwoch kräftig zu, nachdem Gerüchte über mögliche Tarifsenkungen im US-China-Handel die Runde machten. Der S&P 500 sprang um 3,3 Prozent auf 5.459 Punkte, der Nasdaq Composite sogar um 4,2 Prozent. "Es scheint Licht am Ende des Tunnels zu geben", kommentierte Peter Cardillo von Spartan Capital Securities die Entwicklung.
Der Optimismus speist sich aus Berichten, wonach die US-Regierung erwägt, die Strafzölle auf chinesische Importe von aktuell bis zu 145 Prozent auf 50-60 Prozent zu senken. Zusätzlich beruhigte Trumps Rückzieher in der Powell-Debatte die Märkte. Der Präsident ruderte zurück von seiner Drohung, Fed-Chef Jerome Powell zu entlassen.
Dominoeffekt in der Weltwirtschaft
Doch die Folgen von Trumps Handelskriegen sind bereits weltweit spürbar:
- Kanada beschleunigt seine Energiestrategie, um sich von den USA unabhängiger zu machen. Beide großen Parteien versprechen im Wahlkampf schnelleren Pipeline-Bau – eine direkte Reaktion auf Trumps Drohungen.
- Indien rechnet mit einem Wachstumseinbruch von 0,2-0,5 Prozentpunkten durch die US-Zölle, wie Finanzstaatssekretär Ajay Seth in Washington erklärte.
- Lateinamerika muss laut Weltbank mit gedrosseltem Wachstum von nur noch 2,1 Prozent in 2025 leben. Mexikos Wirtschaft könnte sogar schrumpfen.
"Die globale Wirtschaftslandschaft hat sich dramatisch verändert", warnt Carlos Felipe Jaramillo von der Weltbank. Die Unsicherheiten durch Handelskonflikte und Zinserwartungen belasten besonders Schwellenländer.
Energiewende in Kanada
Während die Märkte auf Handelsentspannung hoffen, vollzieht Kanada eine bemerkenswerte Kehrtwende in der Energiepolitik. "Ich habe in meiner Karriere noch keinen solchen Moment erlebt", staunt Adam Legge vom Business Council of Alberta.
Premierminister Mark Carney verspricht, Kanada zur "weltweit führenden Energiesupermacht" zu machen – durch beschleunigte Projektgenehmigungen und CO2-Abscheidungstechnologien. Sein konservativer Herausforderer Pierre Poilievre will sogar eine nationale "Energiekorridor" schaffen. Beide reagieren damit auf Trumps aggressive Handelspolitik, die Kanadas Ölexporte bedroht.
Fragile Hoffnung
Doch Experten warnen vor vorschnellem Optimismus: "Solange der Präsident nicht konsistente Aussagen trifft, die länger als einen 24-Stunden-Nachrichtenzyklus halten, ist dies nur eine temporäre Rallye", warnt Peter Andersen von Andersen Capital Management.
Tatsächlich zeigen Umfragen, dass nur noch 37 Prozent der Amerikaner Trumps Wirtschaftspolitik gutheißen – ein Tiefstand. 75 Prozent fürchten eine Rezession, 56 Prozent halten seine Wirtschaftspolitik für "zu sprunghaft".
Die kommenden Tage werden zeigen, ob die aktuelle Erholung der Märkte mehr ist als nur eine Atempause in einem globalen Handelskrieg, der bereits jetzt tiefe wirtschaftliche Narben hinterlässt. Während die Börsenkurse steigen, wächst die Liste der Länder, die sich – wie Kanada – gezwungen sehen, ihre Wirtschaftsstrategien grundlegend zu überdenken.