Es ist wieder einmal Zeit einen Blick hinter die Kulissen zu werfen. Heute geht es um das Buch von Thilo Sarrazin „Europa braucht den Euro nicht“. Das unser Finanzsystem krankt steht dabei nicht zur Debatte, sehr wohl aber die Thesen des Autors.
Was man aus Büchern lernen kann – oder auch nicht
Vor einer Woche bekam ich zufällig das Buch „Europa braucht den Euro nicht“ von Thilo Sarrazin in die Hände. Grundsätzlich wurde dieses Buch von einem Experten für eine breite Leserschaft geschrieben. Man spürt, wie Sarrazin auf jeder Seite den Spagat zwischen tiefen Wissen und Vereinfachung für „jeden Leser“ macht und grundsätzlich ist ihm dieser Spagat auch gelungen. Er erkennt auch größtenteils die Probleme, die unser System (gerade das europäische) belasten. Ja, unser System krankt!
Jeder Arzt wird bestätigen, dass es nur gelingen kann eine Krankheit zu therapieren und dabei den Schaden gering zu halten, wenn vorher eine möglichst genaue Diagnose erstellt wurde.
Soweit so gut.
Unser Finanzsystem krankt – Die falsche Diagnose
Im zweiten Teil des Buches wagt sich Sarrazin dann von der Diagnose immer weiter vor in die Therapie. Dabei sind mir Aspekte aufgefallen, die meiner Meinung nach einer sinnvollen Therapie entgegenstehen. Auf der einen Seite glaubt Sarrazin, dass Banken Ersparnisse verleihen.
Zitat:“Der Finanzsektor ermöglicht die Finanzierung von Investitionen mit dem Sparkapital der Gesellschaft und trägt auf diese Weise zu Wachstum und Beschäftigung bei.“
Ich interpretiere seine Aussage so, dass der Investition ein Sparwille mit „zurückgelegtem Kapital“ voraus gehen muss. In unserem aktuellen System ist dem nicht so. Banken erzeugen Geld (Giralgeldschöpfung) und stellen es der Investition zur Verfügung. Gleichzeitig wird bei dieser Buchung das Ersparte geschaffen. Dieser Unterschied ist grundlegend wichtig, um sich der Problemlösung realistisch zu nähern. Immerhin wäre dem Ökonomen sonst tatsächlich naheliegend, Sparsamkeit als Therapie zur Förderung der Investitionen zu fordern.
Das Problem dieses Denkfehlers trägt sich dann zu einer Aussage zu den Staatsfinanzen weiter.
Zitat: „Die öffentlichen Haushalte sollen mit ihrer Verschuldung immer deutlich unter dem Sparaufkommen von Unternehmen und privaten Haushalten bleiben“
Der Unterschied zwischen einem Wirtschaftssubjekt und der Makroökonomie
Der an dieser Stelle geforderte Umstand ist nur national möglich und verschärft die Ungleichgewichte in der Welt zusätzlich. Auf globaler Ebene ist dieser Umstand sogar unmöglich, denn die Verschuldung des Einen ist die Ersparnis des Anderen, siehe oben. Sollte ein Staat diesem Rezept folgen wollen, so würde ein „Überschussland“ wie Deutschland „erzeugt“ werden. Nur so wäre es denkbar, dass die Salden von Verschuldung des Staates und den Ersparnissen des Privatsektors sowie der Unternehmen durch das Ausland (Export) ausgeglichen würden. Allerdings ist keine Welt möglich, in der nur Überschussländer existieren – jedenfalls solange wir keinen Handel mit Außerirdischen betreiben. Einem Überschuss steht auf der anderen Seite immer ein Defizit in gleicher Höhe gegenüber. Am Ende führt so die „Lösung“ des Problems zur Eskalation der Situation.
Sie sehen also, selbst den echten Experten und Insidern des Systems (zu denen man Thilo Sarrazin auf jeden Fall zählen kann) stehen manchmal falsche Vorstellungen so im Wege, dass die vermeintlichen Therapien zum Herzstillstand führen würden.
Ein weiteres Wirtschaftsbuch habe ich für Sie hier vorgestellt.