US-Fiskalkrise: Welt zittert!

Die US-Fiskalkrise führt zu massiven Verwerfungen an den globalen Märkten, mit starken Kursverlusten bei US-Aktien und steigenden Renditen für Staatsanleihen.

US-Fiskalkrise: Welt zittert!
Kurz & knapp:
  • Dow, S&P 500 und Nasdaq Futures brechen ein
  • US-Staatsverschuldung droht um weitere Billionen zu steigen
  • Dollar unter Druck, Yen gewinnt als sicherer Hafen
  • Zentralbanken weltweit reagieren auf die Unsicherheit

Die internationalen Finanzmärkte stehen unter Hochspannung, da die US-Fiskalkrise heute für massive Verwerfungen sorgt. Im Epizentrum der Turbulenzen: das hoch umstrittene Steuergesetz von Präsident Donald Trump. Dieses droht inmitten erbitterter parteiinterner Grabenkämpfe bei den Republikanern zu scheitern und befeuert die Ängste vor einer unkontrollierbaren Explosion der amerikanischen Staatsverschuldung. Die Nervosität ist mit Händen zu greifen: US-Aktienfutures brechen ein, die Renditen für Staatsanleihen schießen in die Höhe und der Dollar gerät zunehmend unter Druck. Weltweit bereiten sich Zentralbanken auf schwierige Entscheidungen vor, während Anleger das "Sell America"-Thema wiederentdecken.

US-Fiskalkrise: Washingtons Zitterpartie und die Folgen

Die Dramatik in Washington erreichte heute einen neuen Höhepunkt, als der einflussreiche Geschäftsordnungsausschuss des Repräsentantenhauses eine ungewöhnliche Anhörung mitten in der Nacht ansetzte, die bis in die Morgenstunden andauern soll, um über Präsident Trumps "großes, schönes Steuergesetz" zu debattieren. Noch gestern hatte Trump persönlich versucht, abtrünnige Parteikollegen auf Linie zu bringen – offenbar ohne durchschlagenden Erfolg. Die Finanzmärkte reagierten prompt: Dow E-Minis fielen um 0,61%, S&P 500 E-Minis um 0,58% und die technologielastigen Nasdaq 100 E-Minis sogar um 0,62%. Besonders hoch bewertete Technologiewerte wie Nvidia, das nächste Woche Zahlen vorlegt, litten unter den steigenden Zinsen, die zukünftige Gewinne unattraktiver machen, und gaben vorbörslich fast 1% nach.

Die Sorge gilt vor allem dem US-Bundesdefizit. "Wenn Zölle und Unsicherheit das Wachstum reduzieren, stellt sich verstärkt die Frage, wie das US-Bundesdefizit von der Wirtschaft beeinflusst wird", kommentierte Daniel Bergvall, Leiter der Wirtschaftsprognose bei SEB. Das geplante Steuergesetz könnte die Staatsverschuldung laut unparteiischen Analysten um zusätzliche drei bis fünf Billionen Dollar in die Höhe treiben. Dies vor dem Hintergrund, dass die Ratingagentur Moody’s erst vergangene Woche die Kreditwürdigkeit der USA von "Aaa" auf "Aa1" herabgestuft und dabei auf die bereits existierende Schuldenlast von 36 Billionen Dollar verwiesen hatte. Die Renditen für 30-jährige US-Staatsanleihen kletterten heute wieder auf 5%, während die zehjährigen Papiere um 5,6 Basispunkte auf 4,53% anzogen. Eine bevorstehende Auktion 20-jähriger Treasuries wird als wichtiger Test für die Investorennachfrage nach langfristigen US-Schuldtiteln gesehen.

Auch Vertreter der US-Notenbank Federal Reserve äußerten sich gestern besorgt und betonten, dass sie von den Zöllen steigende Preise erwarten, mahnten jedoch Geduld bei Zinsentscheidungen an. Die Unsicherheit wird zusätzlich durch die politische Landschaft genährt. Donald Trump Jr., der Sohn des Präsidenten und eine einflussreiche Figur in "Make America Great Again"-Kreisen, deutete kürzlich bei einer Podiumsdiskussion in Katar an, eines Tages selbst für das Präsidentenamt kandidieren zu wollen. Er verteidigte die Handelspolitik seines Vaters und bezeichnete Befürchtungen über deren negative Auswirkungen als "Hysterie" der Medien, während er gleichzeitig maßgeblich an der Strategie für eine mögliche zweite Amtszeit seines Vaters beteiligt ist, insbesondere bei der Besetzung von Schlüsselpositionen mit Loyalisten. Solche Aussichten auf eine Fortsetzung der aktuellen Politik dürften die Märkte kaum beruhigen.

Dominoeffekt: Zinsen und Währungen im Strudel der US-Politik

Die Turbulenzen in den USA senden Schockwellen durch die globalen Finanzmärkte. Der Dollar geriet heute weiter unter Druck und setzte seine zweitägige Talfahrt fort. Händler zeigten sich zudem besorgt, dass US-Vertreter bei den laufenden G7-Finanzministertreffen in Kanada auf einen schwächeren Dollar drängen könnten. Entwicklungen im globalen Zollkrieg, der die Währungen in den letzten Monaten stark bewegt hat, haben sich zwar diese Woche verlangsamt, doch die Frist für eine 90-tägige Zollaufschiebung für US-Handelspartner läuft ohne neue Handelsabkommen bald ab. "Wir gehen nicht davon aus, dass der USD – und US-Anlagen allgemein – am Anfang einer ‚Todesspirale‘ stehen", schrieben Analysten der Commonwealth Bank of Australia. "Wir prognostizieren jedoch, dass der USD 2026 wieder schwächer wird, sobald die Zollunsicherheit nachlässt und niedrigere Zinsen eine Erholung der Weltwirtschaft unterstützen."

Diese Gemengelage aus explodierender Staatsverschuldung, Handelskonflikten und schwindendem Vertrauen belastet die US-Märkte erheblich. Goldman Sachs Analysten fassten es drastisch zusammen: "Die USA stehen immer noch vor dem schlechtesten Wachstums-Inflations-Mix der großen Volkswirtschaften, und während das Steuergesetz seinen Weg durch den Kongress nimmt, erweist sich der erodierende US-Exzeptionalismus – buchstäblich – als kostspielig in einer Zeit großen Finanzierungsbedarfs."

Die Auswirkungen sind weltweit spürbar:
In Japan erwägt die Regierung unter Premierminister Shigeru Ishiba einem Bericht der Wirtschaftszeitung Nikkei zufolge, den Zeitrahmen für das Erreichen eines ausgeglichenen Primärhaushalts zu lockern. Statt wie bisher angepeilt im Fiskaljahr 2025, könnte dieses Ziel nun auf "um das Fiskaljahr 2025 bis 2026" verschoben werden. Als Grund werden die von den USA verhängten Zölle genannt, die den Wirtschaftsausblick eintrüben. Die Sorge um Japans sich verschlechternde Staatsfinanzen – das Land kämpft seit langem mit einer steigenden Staatsverschuldung aufgrund hoher Sozialausgaben für eine rapide alternde Bevölkerung und zahlreicher Konjunkturpakete – ließ die Renditen für superlanglaufende Staatsanleihen diese Woche auf neue Rekordstände klettern. Der japanische Yen konnte gegenüber dem Dollar zulegen, beflügelt auch durch Berichte, wonach die USA Geheimdienstinformationen über mögliche israelische Vorbereitungen für einen Schlag gegen iranische Atomanlagen gesammelt haben sollen, was die Nachfrage nach sicheren Häfen erhöhte.

Auch andere Zentralbanken sehen sich zum Handeln gezwungen oder in ihrer Politik eingeschränkt. Die Reserve Bank of New Zealand (RBNZ) wird voraussichtlich auf ihrer Sitzung am 28. Mai den Leitzins um weitere 25 Basispunkte auf 3,25% senken. Diese Erwartung stützt sich auf eine stockende wirtschaftliche Erholung, einen schwachen Arbeitsmarkt und einen anhaltenden Rückgang der zugrundeliegenden Inflation. Die RBNZ sieht sich trotz globaler Handelsrisiken gut positioniert, um ihr Preisstabilitätsmandat zu erfüllen, wobei Capital Economics weiteren Lockerungsbedarf signalisiert. In Indonesien hat die Zentralbank heute bereits gehandelt und den Leitzins um 25 Basispunkte auf 5,50% gesenkt, um die schwächelnde Wirtschaft anzukurbeln. Obwohl die Inflation mit 2,0% im April unproblematisch ist, haben sich die Aussichten für das Wirtschaftswachstum eingetrübt. Die jüngste Erholung der Rupiah gab der Bank Indonesia den nötigen Spielraum für diese Maßnahme.

In Südafrika stieg die Gesamtinflation im April leicht auf 2,8% an, lag damit aber weiterhin deutlich unter dem Zielband der Zentralbank von 3-6%. Getrieben wurde der Anstieg durch höhere Lebensmittelpreise, während die Kerninflation auf 3,0% sank. Nun wird mit Spannung der heute erwartete Haushalt des Finanzministeriums erwartet, der möglicherweise ein niedrigeres Inflationsziel beinhalten könnte. Dies könnte die South African Reserve Bank (SARB) dazu bewegen, ihre aktuelle Politik beizubehalten, anstatt den Lockerungszyklus wieder aufzunehmen.

Unterdessen erreichte das britische Pfund seinen höchsten Stand gegenüber dem Dollar seit Februar 2022. Auslöser waren Inflationsdaten für April, die heißer ausfielen als von den meisten Ökonomen erwartet, was den Spielraum der Bank of England für schnelle Zinssenkungen einschränkt. Parallel dazu zeigten offizielle Daten, dass die britischen Hauspreise im März mit einem Jahresplus von 6,4% so stark gestiegen sind wie seit Ende 2022 nicht mehr, auch wenn dies teils auf das Auslaufen von Steueranreizen zurückzuführen ist und andere Indikatoren bereits eine Abschwächung der Nachfrage signalisieren.

Ausblick: Anhaltende Unsicherheit und die Suche nach Stabilität

Die kommenden Tage und Wochen versprechen an den globalen Finanzmärkten hohe Volatilität. Die Verhandlungen um das US-Steuergesetz, die Entwicklung der US-Handelspolitik und die Reaktionen der G7-Partner auf die amerikanische Position werden die Richtung maßgeblich beeinflussen. Anleger müssen sich auf anhaltende Unsicherheit und potenziell überraschende Manöver der Zentralbanken einstellen, die versuchen, zwischen der Eindämmung der Inflation, der Stützung des Wachstums und der Wahrung der Finanzstabilität zu navigieren. Das "Sell America"-Narrativ dürfte vorerst Bestand haben, solange die hausgemachten Probleme in den USA die globalen Märkte überschatten und die fiskalische Zukunft der größten Volkswirtschaft der Welt derart im Unklaren liegt. Die Frage, die sich viele stellen: Ist dies nur eine temporäre Schockwelle oder der Beginn einer fundamentalen Neubewertung amerikanischer Vermögenswerte?

Über Felix Baarz 182 Artikel
Mit über fünfzehn Jahren Erfahrung als Wirtschaftsjournalist hat sich Felix Baarz als Experte für internationale Finanzmärkte etabliert. Seine Leidenschaft gilt den Mechanismen globaler Finanzmärkte und komplexen wirtschaftspolitischen Zusammenhängen, die er für seine Leserschaft verständlich aufbereitet.In Köln geboren und aufgewachsen, entdeckte er früh sein Interesse für Wirtschaftsthemen und internationale Entwicklungen. Nach seinem Studium startete er als Wirtschaftsredakteur bei einer renommierten deutschen Fachpublikation, bevor ihn sein Weg ins Ausland führte.Ein prägendes Kapitel seiner Karriere waren die sechs Jahre in New York, wo er direkten Einblick in die globale Finanzwelt erhielt. Die Berichterstattung von der Wall Street und über weltweite wirtschaftspolitische Entscheidungen schärfte seinen Blick für globale Zusammenhänge.Heute ist Felix Baarz als freier Journalist für führende Wirtschafts- und Finanzmedien im deutschsprachigen Raum tätig. Seine Arbeit zeichnet sich durch fundierte Recherchen und präzise Analysen aus. Er möchte nicht nur Fakten präsentieren, sondern auch deren Bedeutung erklären und seinen Lesern Orientierung bieten – sei es zu wirtschaftlichen Trends, politischen Entscheidungen oder langfristigen Veränderungen in der Finanzwelt.Zusätzlich moderiert er Diskussionen und nimmt an Expertenrunden teil, um sein Wissen einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Dabei liegt sein Fokus darauf, komplexe Themen informativ und inspirierend zu vermitteln. Felix Baarz versteht seine journalistische Aufgabe darin, in einer sich schnell wandelnden Welt einen klaren Blick auf wirtschaftliche Zusammenhänge zu ermöglichen und seine Leser bei fundierten Entscheidungen zu unterstützen – beruflich wie privat.