Die globalen Finanzmärkte navigieren durch stürmische Zeiten, ausgelöst durch die oft widersprüchliche US-Handelspolitik der zweiten Amtszeit von Präsident Trump. Während Washington auf harte Verhandlungen pocht, stürzt der US-Dollar ab und die Unsicherheit lähmt Investoren weltweit. Von Währungsturbulenzen über spezifische Branchenprobleme bis hin zu einem gedämpften Konsumklima – die Auswirkungen sind rund um den Globus spürbar. Doch was steckt hinter dem Chaos und wohin steuert die Weltwirtschaft?
Dollar-Chaos und Flucht in Alternativen
Der US-Dollar erlebt einen seiner schwächsten Monate seit Jahren. Am Dienstag, dem 29. April 2025, mühte sich die Weltleitwährung, ihre jüngsten schweren Verluste wettzumachen. Der Grund: Anleger sind verunsichert durch die widersprüchlichen Signale im Handelsstreit zwischen den USA und China. US-Finanzminister Scott Bessent betonte am Montag, die Deeskalation bei den Zöllen liege nun bei China – eine Aussage, die auf wenig Gegenliebe stieß und die Verwirrung weiter anfachte, nachdem Präsident Trump zuvor von Fortschritten und Gesprächen mit Präsident Xi Jinping gesprochen hatte, was Peking jedoch dementierte.
Diese Kakophonie trieb Anleger aus dem Dollar in vermeintlich sicherere Häfen wie den Japanischen Yen und den Schweizer Franken. Zwar konnte der Dollar am Dienstag leichte Gewinne gegenüber diesen Währungen verbuchen, doch der übergeordnete Trend bleibt klar abwärtsgerichtet. Der Dollar-Index bewegt sich auf den größten monatlichen Verlust seit November 2022 zu. "Die US-Zollpolitik ist sehr chaotisch, und Märkte mögen das definitiv nicht", kommentiert Carol Kong, Währungsstrategin bei der Commonwealth Bank of Australia. Sie hält einen baldigen Deal für unwahrscheinlich und vermutet, China bereite sich auf einen längeren Handelskrieg vor.
Interessanterweise scheint der Dollar seinen Status als sicherer Hafen einzubüßen und agiert laut Kong eher wie eine Risiko-Währung. Investoren suchen Zuflucht in Europa: Der Euro profitiert und steuert auf den größten Monatsgewinn gegenüber dem Dollar seit fast 15 Jahren zu. Auch das britische Pfund notiert nahe eines Dreijahreshochs. Selbst der Australische Dollar erreichte kurzzeitig ein Viermonatshoch. Einzig der Kanadische Dollar zeigte sich nach den Wahlen schwächer. Zwar konnte Premierminister Mark Carney eine weitere Amtszeit für seine Liberalen sichern, jedoch wahrscheinlich nur mit einer Minderheitsregierung. "Investoren mögen zwei Dinge nicht: Unsicherheit und Minderheitsregierungen. Jetzt haben sie beides", so Matt Simpson von City Index. Dies könnte die ohnehin schwierigen Handelsgespräche mit den USA weiter erschweren, gerade nachdem Trumps aggressive Rhetorik gegenüber Kanada den Wahlkampf prägte.
Welthandel im Würgegriff der Zölle
Die Auswirkungen der US-Handelspolitik gehen weit über die Währungsmärkte hinaus. Der sino-amerikanische Konflikt bleibt das Epizentrum der Spannungen. Trotz vereinzelter Entspannungssignale – die Trump-Administration deutete eine Bereitschaft zur Zollreduktion an und China nahm einige US-Importe von seinen Strafzöllen aus – bleibt die Lage angespannt. Dass Boeing kürzlich drei für chinesische Airlines bestimmte 737 MAX-Flugzeuge zurückholte, unterstreicht die realen Konsequenzen. Das chinesische Handelsministerium bestätigte am Dienstag, dass sowohl chinesische Fluggesellschaften als auch Boeing durch die US-Zölle "schwer beeinträchtigt" seien, und forderte ein stabileres Handelsumfeld.
Auch andere Nationen spüren den Druck. Australiens Weinindustrie erlebte nach der Aufhebung chinesischer Strafzölle im März 2024 zunächst einen Exportboom nach China. Doch dieser Schwung lässt bereits nach. Die Exporte im ersten Quartal 2025 fielen auf den niedrigsten Stand seit 2016. "Ein fortgesetztes Wachstum für Australien ist nicht gesichert", warnt Peter Bailey von Wine Australia. Die Hoffnung, dass China das australische Überangebotsproblem lösen könnte, erfüllt sich nicht – Peking importiert zwar teurere, aber insgesamt weniger Flaschen als früher. Gleichzeitig sinken Australiens Weinexporte in andere Länder. Ein schwacher Trost: Australien könnte von Zöllen zwischen den USA und China sowie Kanadas Abkehr von US-Weinen profitieren, doch das ist noch ungewiss.
Immerhin gab es leichte Entspannung bei den umstrittenen US-Autozöllen. Die Regierung kündigte an, deren Auswirkungen abzumildern; sie sollen nicht mehr zusätzlich zu anderen Importabgaben erhoben werden. Dies könnte ein Zeichen sein, dass Trump auf die Wirtschaft hört – am Mittwoch will er sich mit hochrangigen Managern von Unternehmen wie Toyota, Hyundai, Nvidia und SoftBank treffen.
Konsumklima zwischen Hoffnung und Verunsicherung
Die globale Unsicherheit spiegelt sich auch im Konsumverhalten wider, wenn auch mit regionalen Unterschieden. In Deutschland hat sich die Konsumstimmung überraschend deutlich verbessert, wie der GfK/NIM-Index für Mai zeigt. Der Indikator stieg auf -20,6 Punkte von revidiert -24,3 im Vormonat. Offenbar wiegt die Hoffnung auf eine baldige Regierungsbildung unter dem designierten Kanzler Friedrich Merz (CDU), der am 6. Mai vereidigt werden soll, derzeit schwerer als die Sorgen über die US-Handelspolitik. "Die Neuordnung der US-Handelspolitik […] hat offenbar noch keine nachhaltigen Auswirkungen auf die Konsumstimmung in Deutschland gehabt", analysiert Rolf Bürkl vom NIM. Einkommenserwartungen und Anschaffungsneigung legten spürbar zu. Dennoch bleibt die Stimmung tief im negativen Bereich, und die Unsicherheit über Zölle könnte bald wieder stärker durchschlagen.
In China zeigt sich ein anderes Bild. Zwar wird für die bevorstehenden fünftägigen Maifeiertage ein Reiseboom erwartet, der die Zahlen der letzten drei Jahre übertreffen soll. Doch die Konsumenten halten ihr Geld zusammen. Angesichts der schwächelnden Wirtschaft, stagnierender Löhne und Sorgen um den Arbeitsplatz suchen viele nach günstigen Alternativen. Anstatt teurer Fernreisen boomen preiswertere Trips in kleinere Städte, Dörfer oder Campingurlaube. "Wir wollen ‚wenig ausgeben, viel erreichen’", zitiert Reuters eine Pekinger Bankangestellte. Während Online-Reiseportale wie Tuniu und UTour über massive Buchungszuwächse berichten, zeigt sich hier eine deutliche Preissensibilität, die auf die wirtschaftlichen Sorgen im Land hindeutet.
Nervöser Blick auf Wirtschaftsdaten und Trumps nächste Schritte
Die kommenden Tage und Wochen dürften an den Märkten kaum ruhiger werden. Der Fokus richtet sich nun verstärkt auf harte Wirtschaftsdaten aus den USA. Der Arbeitsmarktbericht am Freitag sowie Zahlen zum Wirtschaftswachstum im ersten Quartal und der von der Federal Reserve bevorzugte PCE-Inflationsindikator werden mit Spannung erwartet. Sie könnten erste handfeste Beweise liefern, inwieweit Trumps Handelskrieg die US-Wirtschaft tatsächlich trifft. "Ich denke, die US-Wirtschaftsdaten werden sich von hier aus definitiv weiter verschlechtern", prognostiziert Carol Kong von der CBA. Schwache Daten könnten den Dollar weiter belasten.
Hinzu kommt die Berichtssaison, die diese Woche mit Schwergewichten wie HSBC, Adidas, BP, General Motors, Visa sowie den Tech-Giganten Apple, Amazon, Microsoft und Meta aufwartet. Ihre Ergebnisse und Ausblicke werden genau daraufhin analysiert, wie sie die globale Wirtschaftslage und die Auswirkungen der Handelspolitik einschätzen.
Die Unsicherheit bleibt also hoch. Mit noch über 1.300 Tagen bis zum Ende von Trumps Amtszeit im Jahr 2029 müssen sich Märkte und Unternehmen auf eine anhaltend volatile Phase einstellen, in der die US-Handelspolitik der bestimmende Faktor bleibt. Die Frage ist nicht ob, sondern wann und wie die nächste Eskalationsstufe oder überraschende Wendung die globalen Karten neu mischt.