Die Märkte halten den Atem an: Die verschärfte US-Handelspolitik unter Präsident Donald Trump sendet Schockwellen durch die globale Wirtschaft und sorgt für erhebliche Verunsicherung. Während in Washington neue Zölle geschmiedet und Handelsabkommen neu verhandelt werden, fragen sich Investoren und Unternehmen weltweit: Steht uns eine Phase langanhaltender Instabilität bevor, oder gibt es Hoffnungsschimmer am Horizont? Die ersten Auswirkungen sind bereits spürbar, von gedämpften Wachstumsprognosen bis hin zu steigender Nervosität an den Finanzmärkten. Doch was bedeutet das konkret für Anleger und die weitere wirtschaftliche Entwicklung?
Die neue Ära der US-Handelspolitik: Zölle und globale Nervosität
Die handelspolitische Agenda der USA sorgt für fundamentale Unsicherheit, die kurzfristig sowohl das Wirtschaftswachstum als auch die Inflation dämpfen könnte. Klaas Knot, dienstältestes Mitglied im Rat der Europäischen Zentralbank (EZB), warnte am heutigen Dienstag unmissverständlich: Handelsspannungen, ob gelöst oder nicht, veranlassen Unternehmen und Haushalte, ihre Ausgaben aufzuschieben. Dies bremst Konsum und Investitionen – ein klarer Dämpfer für das globale Wachstum. „Verantwortlich für die Zurückhaltung sind vor allem Sorgen über weitere Eskalationen und unklare Rahmenbedingungen", so Knot auf einer Konferenz.
Diese Sorgen sind nicht unbegründet. Die US-Verbraucherpreise stiegen im April zwar nur moderat um 0,2 Prozent gegenüber dem Vormonat, was unter den Erwartungen von 0,3 Prozent lag. Auf Jahressicht kletterte der Verbraucherpreisindex (CPI) um 2,3 Prozent. Doch dies könnte die Ruhe vor dem Sturm sein. Ökonomen erwarten, dass sich die von Präsident Trump vorangetriebenen Zölle erst in den kommenden Monaten signifikant in den Inflationsdaten niederschlagen werden. Zwar kündigte Trump am 9. April eine 90-tägige Pause für die meisten seiner länderspezifischen Zölle an – darunter auch eine angedrohte 26-prozentige Abgabe für Indien – doch ein pauschaler Zoll von 10 Prozent auf fast alle Importe bleibt in Kraft. Zudem wurden Zölle auf fentanylbezogene Produkte aus China auf 20 Prozent verdoppelt und ein 25-prozentiger Zoll auf importierte Autos und Leicht-Lkw eingeführt.
Auch wenn es am Wochenende zu einer leichten Deeskalation im Handelsstreit zwischen den USA und China kam – Washington stimmte zu, die Zölle auf chinesische Waren für die nächsten 90 Tage auf 30 Prozent zu senken, während China seine Zölle auf US-Waren von 125 auf 10 Prozent reduziert – bleibt die Unsicherheit. Ökonomen wie Kathy Bostjancic von Nationwide erwarten zwar nun einen geringeren Inflationsanstieg als zuvor befürchtet (Höhepunkt bei 3,4% statt 4% im vierten Quartal), doch das Wirtschaftswachstum dürfte sich verlangsamen, da die Zollsätze insgesamt höher bleiben als vor Trumps Amtsantritt. Die US-Notenbank Federal Reserve, die ein Inflationsziel von 2 Prozent verfolgt, beließ ihren Leitzins vergangene Woche unverändert in der Spanne von 4,25 bis 4,50 Prozent und dürfte ihre abwartende Haltung beibehalten. Trump selbst sieht in den Zöllen ein Mittel zur Einnahmengenerierung für seine versprochenen Steuersenkungen und zur Stärkung der heimischen Industrie. Parallel dazu unterzeichneten die USA und Saudi-Arabien am heutigen Dienstag eine strategische Wirtschaftspartnerschaft, die Sektoren wie Energie, Bergbau und Verteidigung umfasst – ein Zeichen für Trumps Fokus auf bilaterale Abkommen.
Nationen im Spannungsfeld: Indiens Balanceakt und die türkische Achillesferse
Die Auswirkungen der US-Handelspolitik zwingen andere Nationen zu schwierigen Balanceakten. Indiens Handelsminister Piyush Goyal wird ab dem 16. Mai eine Delegation in die USA führen, um die Handelsgespräche voranzutreiben. Ziel ist es, innerhalb der von Trump gesetzten 90-Tage-Frist für eine Aussetzung von Zollerhöhungen einen bilateralen Handelspakt zu erzielen. Die USA sind Indiens größter Handelspartner mit einem bilateralen Volumen von rund 129 Milliarden US-Dollar im Jahr 2024, wobei Indien einen Handelsüberschuss von 45,7 Milliarden US-Dollar erzielt. Ein Scheitern der Verhandlungen und die Einführung höherer Zölle könnten die indische Wirtschaft empfindlich treffen. Der Besuch folgt auf eine Reise von US-Vizepräsident JD Vance nach Neu-Delhi im Vormonat und unterstreicht die Bemühungen, ein für beide Seiten akzeptables Abkommen zu finden, das bis Herbst 2025 das bilaterale Handelsvolumen auf 500 Milliarden US-Dollar bis 2030 steigern soll.
Ein anderes Bild zeigt sich in der Türkei, wo jüngste politische Ereignisse die wirtschaftliche Stabilität zusätzlich untergraben haben. Laut Beata Javorcik, Chefökonomin der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD), haben diese Entwicklungen den Pfad zur Inflationsbekämpfung gestört und sowohl die Wirtschaft als auch die Devisenreserven belastet. Die Festnahme des Istanbuler Bürgermeisters Ekrem Imamoglu am 19. März löste Turbulenzen an den Märkten aus und zwang die Zentralbank im April zu einer überraschenden Zinserhöhung, was einen zuvor eingeleiteten Lockerungszyklus abrupt beendete. „Dieser Prozess wurde durch die jüngsten politischen Ereignisse gestoppt, was kostspielig ist in Bezug auf die Wirtschaftsleistung, die Reserven und die Reputation, und das Vertrauen der Investoren untergräbt", so Javorcik. Die EBRD senkte ihre Wachstumsprognose für die Türkei in diesem Jahr um 0,2 Prozentpunkte auf 2,8 Prozent. Die türkische Zentralbank verkaufte in den Wochen nach Imamoglus Verhaftung Devisen im Wert von über 40 Milliarden US-Dollar, wodurch die Nettoreserven (ohne Swaps) von über 60 Milliarden auf unter 20 Milliarden US-Dollar sanken. Immerhin zeigten die neuesten, am Montag veröffentlichten Zahlen einen Anstieg der Bruttoreserven um 6 Milliarden US-Dollar – der erste Zuwachs seit fast zwei Monaten. Kein Wunder also, dass Investoren nervös reagieren, wenn politische Unsicherheit auf ein ohnehin angespanntes globales Handelsumfeld trifft.
Lichtblicke im Sturm? Coinbase und die Krypto-Wette
Während traditionelle Märkte unter der globalen Unsicherheit ächzen, gibt es Sektoren, die für positive Schlagzeilen sorgen. So sprangen die Aktien von Coinbase Global am heutigen Dienstag um fast 15 Prozent in die Höhe, nachdem bekannt wurde, dass die Kryptowährungsbörse als erster Akteur aus dem Bereich der digitalen Vermögenswerte in den renommierten S&P 500 Index aufgenommen wird. Die Aufnahme, die vor Handelsbeginn am 19. Mai wirksam wird und Discover Financial ersetzt, gilt als Meilenstein für die gesamte Kryptoindustrie. „Es ist ein Wendepunkt für Coinbase und die Branche. Es setzt ein Beispiel für andere Krypto-Unternehmen, an die Börse zu gehen und einen Sitz im S&P 500 zu verdienen", kommentierte Oppenheimer-Analyst Owen Lau.
Das wachsende institutionelle Interesse und die von Präsident Trump in Aussicht gestellte lockerere Regulierung haben Kryptowährungen zuletzt verstärkt in den Mainstream gerückt. Die Oppenheimer-Analysten erhöhten ihr Kursziel für Coinbase auf 293 US-Dollar und merkten an: „Wir glauben, dass die Aufnahme in den S&P 500 Coinbase eine Zeit lang zugutekommen wird, da institutionelle Investoren Zeit brauchen, um sich auf den Einstieg in die Aktie vorzubereiten." Die Notierung im S&P 500 könnte die Nachfrage nach Coinbase-Aktien weiter ankurbeln, da Indexfonds das Unternehmen in ihre Portfolios aufnehmen müssen. Trotz eines Gewinnrückgangs im ersten Quartal, über den Coinbase letzte Woche berichtete, sehen Analysten aufgrund eines sich erholenden Marktes positives Momentum. Das Unternehmen expandiert aktiv seine institutionelle Investorenbasis und erschließt Märkte außerhalb der USA. Erst letzte Woche gab Coinbase die geplante Übernahme der Derivatebörse Deribit für 2,9 Milliarden US-Dollar bekannt, um im Optionsmarkt für Kryptowährungen Fuß zu fassen. Trotz der jüngsten Kurserholung haben die Coinbase-Aktien seit Jahresbeginn 2025 bis zum letzten Schlusskurs allerdings rund 17 Prozent verloren. Doch was bedeutet das konkret für die Branche? Ist dies der Beginn einer neuen Ära für digitale Vermögenswerte, auch inmitten globaler Handelskonflikte?
Die kommenden Monate dürften spannend werden und zeigen, wie sich die globale Wirtschaftslandschaft unter dem Einfluss der US-amerikanischen Handelspolitik weiterentwickelt. Zwischen protektionistischen Tendenzen, dem Streben nach bilateralen Abkommen und der Eigendynamik innovativer Sektoren bleibt die Unsicherheit hoch, aber auch die Chancen für agile Akteure sind präsent.