US-Handelspolitik: Märkte am Scheideweg

Trump kündigt Handelsabkommen mit Großbritannien an, doch Analysten bleiben skeptisch. Die Bank of England reagiert mit Zinssenkung auf wirtschaftliche Unsicherheit.

US-Handelspolitik: Märkte am Scheideweg
Kurz & knapp:
  • Begrenztes US-UK-Abkommen lockert Stahl- und Autozölle
  • Bank of England senkt Leitzins auf 4,25%
  • Globale Märkte zwischen Hoffnung und Skepsis
  • Fed signalisiert Unsicherheit durch Handelsspannungen

Die neue US-Handelspolitik unter Präsident Donald Trump versetzt die globalen Finanzmärkte heute, am 08. Mai 2025, erneut in helle Aufregung. Ein frisch angekündigtes, wenn auch begrenztes, Handelsabkommen zwischen den USA und Großbritannien sorgt zwar kurzfristig für einen Hoffnungsschimmer an den Börsen. Doch die fundamentale Frage bleibt: Handelt es sich um einen echten Wendepunkt oder lediglich um eine kurze Atempause im schwelenden internationalen Zollkonflikt, der die Weltwirtschaft weiterhin bedroht? Die Nervosität ist international spürbar, denn die Auswirkungen dieser oft als erratisch beschriebenen Handelspolitik sind bereits tiefgreifend und zwingen Notenbanken wie Unternehmen zu einem schwierigen Balanceakt.

Die neue US-Handelspolitik: Ein Deal mit begrenzter Reichweite?

Im Zentrum der aktuellen Aufmerksamkeit steht die Ankündigung von Präsident Trump, ein „umfassendes und vollständiges“ Handelsabkommen mit Großbritannien erzielt zu haben. Diese Nachricht ließ die US-Aktienfutures heute Morgen bereits steigen, genährt von der Hoffnung auf den ersten konkreten Handelspakt seit der von Trump im Vormonat verhängten 90-tägigen Zollpause (Artikel 6, 1). Doch hinter den markigen Worten des Präsidenten zeichnet sich ein differenzierteres Bild ab. Sowohl US-amerikanische als auch britische Offizielle deuteten gegenüber CNN an, dass die Vereinbarung eher schmal ausfallen und primär den Boden für zukünftige, umfassendere Verhandlungen bereiten solle, anstatt sofortige wirtschaftliche Erleichterung zu bringen (Artikel 1).

Konkret könnte der Deal eine Lockerung der von Trump eingeführten 25%-Zölle auf Stahl und Automobile aus dem Vereinigten Königreich beinhalten. Im Gegenzug werden britische Konzessionen erwartet, etwa bei der Reduzierung von Digitalsteuern für große US-Technologiekonzerne (Artikel 1). Die universellen 10%-Zölle, die Trump zu Beginn des Jahres eingeführt hatte, sollen jedoch bestehen bleiben. Analysten von JPMorgan zeigten sich entsprechend zurückhaltend und erwarten nur bescheidene wirtschaftliche Vorteile für Großbritannien (Artikel 1). Auch die Deutsche Bank äußerte sich skeptisch und wies darauf hin, dass vollständige Handelsabkommen Jahre für ihre Aushandlung benötigen und es daher spannend bliebe, ob der 10%-Basiszoll tatsächlich unangetastet bleibt (Artikel 6). Die Ankündigung kam für einige britische Offizielle offenbar überraschend, obwohl die Gespräche der letzten Wochen als produktiv, aber nicht als unmittelbar vor einem Abschluss stehend bewertet wurden (Artikel 1).

Diese Initiative ist Teil einer breiteren Strategie der Trump-Administration, vor dem Auslaufen der Zollpause im Juli ähnliche Vereinbarungen mit weiteren wichtigen Handelspartnern zu erzielen. Berichten zufolge laufen bereits Gespräche mit Indien, Japan und Südkorea (Artikel 1). Zudem sollen am Wochenende Vertreter der USA und Chinas in der Schweiz zu „Eisbrecher“-Handelsgesprächen zusammenkommen, nachdem wochenlange gegenseitige Zollscharmützel Sorgen um das globale Wirtschaftswachstum geschürt hatten (Artikel 6).

Großbritannien: Wirtschaft zittert, Notenbank handelt

Für Großbritannien kommt die Nachricht des potenziellen US-Deals in einer wirtschaftlich angespannten Zeit. Die britische Wirtschaft kämpft mit schwachem Wachstum und erhöhter Unsicherheit, was die Bank of England (BoE) heute zu einer erneuten Zinssenkung um 25 Basispunkte auf 4,25% veranlasste (Artikel 3). Es ist bereits die vierte Zinssenkung seit dem letztjährigen Höchststand von 5,25% und die zweite in diesem Jahr. Sieben Mitglieder des geldpolitischen Ausschusses stimmten für die Maßnahme, zwei dagegen (Artikel 3). Die britische Wirtschaft wuchs 2024 nur um magere 0,9%, und die BoE hatte ihre Wachstumsprognose für 2025 bereits im Februar auf lediglich 0,7% halbiert (Artikel 3).

Diese Zinssenkung unterstreicht die prekäre Lage, in der sich die britische Finanzministerin Rachel Reeves befindet. Sie steht massiv unter Druck, die Staatsfinanzen zu konsolidieren und möglicherweise erneut die Steuern zu erhöhen, da sie ihre Haushaltsziele zu verfehlen droht. Das National Institute of Economic and Social Research (NIESR) warnte heute, dass die Regierung bis zum Steuerjahr 2029/30 ein Haushaltsloch von 57 Milliarden Pfund aufweisen könnte, sollte das Wirtschaftswachstum schwächer als erwartet ausfallen (Artikel 2). Das NIESR hat seine Wachstumsprognose für Großbritannien für 2025 von 1,5% auf 1,2% gesenkt und sieht auch für die Folgejahre bis 2030 gedämpfte Aussichten (Artikel 2).

Interessanterweise führen die NIESR-Ökonomen die Wachstumsschwäche primär auf hausgemachte Faktoren zurück, wie beispielsweise die von Reeves im November angekündigte Steuererhöhung für Arbeitgeber, und weniger auf die Auswirkungen der US-Zölle. Diese Unsicherheit über mögliche weitere Steuererhöhungen belaste bereits jetzt Investitions- und Einstellungsentscheidungen der Unternehmen, so das Institut (Artikel 2). Trotz der Zinssenkung erwartet das NIESR aufgrund des weiterhin starken Lohnwachstums und der Erhöhung des Mindestlohns nur noch zwei weitere Zinsschritte der BoE in diesem Jahr. Die Inflationsprognose des NIESR für 2025 liegt bei 3,3% (Artikel 2), während die BoE selbst im Februar mit einem Anstieg der Verbraucherpreise auf 3,7% im Laufe dieses Jahres rechnete, nach zuletzt 2,6% im März (Artikel 3). Die Märkte preisen unterdessen fast vollständig drei weitere Zinssenkungen bis Jahresende ein, was den Leitzins auf 3,50% drücken würde (Artikel 3).

Globale Notenbanken und Märkte: Zwischen Hoffen und Bangen

Die erratische Handelspolitik der USA und die daraus resultierende Unsicherheit halten nicht nur Großbritannien, sondern auch andere globale Akteure in Atem. Die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) beließ auf ihrer letzten Sitzung die Zinsen unverändert und signalisierte erhöhte Risiken sowohl für die Inflation als auch für die Arbeitslosigkeit (Artikel 6, 8). Fed-Chef Jerome Powell betonte, es sei derzeit „überhaupt nicht klar“, was angesichts der Unsicherheiten durch die Zölle die angemessene geldpolitische Reaktion sei, und bekräftigte die Datenabhängigkeit der Zentralbank (Artikel 6, 8). Händler sehen eine nächste Zinssenkung in den USA nun erst für September und preisen insgesamt 75 Basispunkte an Lockerungen bis Ende 2025 ein (Artikel 6).

Der US-Staatsanleihemarkt spiegelt diese Nervosität wider. Obwohl die Rendite zehnjähriger US-Treasuries nach einem starken Anstieg im April infolge der Zollankündigungen wieder etwas zurückgekommen ist, warnen Analysten von Capital Economics, es sei „zu früh, um zu schlussfolgern“, dass der Markt „zurück zur Normalität“ gefunden habe (Artikel 8). Der jüngste Renditerückgang könnte eher auf Erwartungen weiterer Fed-Zinssenkungen zurückzuführen sein als auf eine echte Beruhigung. Capital Economics vermutet, dass Investoren unterschätzen, wie zögerlich die Fed bei Zinssenkungen sein könnte, sollte die Inflation durch Zölle angetrieben werden. Sie prognostizieren daher einen Anstieg der Zehnjahresrendite auf 4,50% bis zum Jahresende, von aktuell rund 4,31% (Artikel 8).

Während die westlichen Industrienationen mit Inflationsdruck und Wachstumsdellen kämpfen, zeigt sich andernorts ein positiveres Bild. In Indien beispielsweise dürfte die Verbraucherinflation im April auf ein Sechsjahrestief von etwa 3,27% gesunken sein, was der Reserve Bank of India (RBI) weiteren Spielraum für Zinssenkungen zur Stützung der Wirtschaft gibt (Artikel 5). Dies steht im Kontrast zur Lage in den USA und Großbritannien und zeigt die unterschiedlichen Herausforderungen, vor denen die globalen Notenbanken stehen. Als Zeichen der globalen Verunsicherung stieg jedoch auch in Indien der Goldpreis im April um rund 5,0%, da Anleger angesichts der internationalen Handelsspannungen einen sicheren Hafen suchten (Artikel 5).

An den Aktienmärkten sorgten die Nachrichten über den möglichen US-UK-Deal und Hinweise auf eine Lockerung von Exportbeschränkungen für KI-Chips für Auftrieb, insbesondere bei Halbleiterwerten wie Nvidia, Broadcom und AMD (Artikel 6). Dennoch bleibt die Unsicherheit hoch, wie die Quartalsberichte von Unternehmen wie Arm, das mit seiner Prognose enttäuschte und dessen Aktie stark fiel, zeigen (Artikel 6).

Ausblick: Volatilität bleibt treuer Begleiter

Die Finanzmärkte navigieren weiterhin durch ein Minenfeld aus handelspolitischen Unwägbarkeiten und konjunkturellen Sorgen. Der heute verkündete US-UK-Pakt könnte ein Signal der Deeskalation sein, doch die Skepsis über seine tatsächliche Tragweite und die Fortdauer der universellen US-Zölle überwiegt bei vielen Beobachtern. Ob dies der Beginn einer Trendwende ist oder lediglich ein taktisches Manöver im globalen Wirtschaftskrieg, muss sich erst noch zeigen.

Entscheidend wird sein, ob weitere, substanzielle Abkommen folgen und wie die Notenbanken, allen voran die Federal Reserve und die Bank of England, auf die anhaltende Unsicherheit reagieren. Die Gratwanderung zwischen Inflationsbekämpfung und Wachstumsförderung wird unter dem Damoklesschwert der Zollpolitik noch schwieriger. Für Anleger bedeutet dies vor allem eines: Die Volatilität dürfte auch in den kommenden Monaten ein treuer Begleiter an den Finanzmärkten bleiben. Die Frage, ob die Hoffnung auf Entspannung oder die Furcht vor weiterer Eskalation die Oberhand gewinnt, ist noch lange nicht entschieden.

Über Felix Baarz 143 Artikel
Mit über fünfzehn Jahren Erfahrung als Wirtschaftsjournalist hat sich Felix Baarz als Experte für internationale Finanzmärkte etabliert. Seine Leidenschaft gilt den Mechanismen globaler Finanzmärkte und komplexen wirtschaftspolitischen Zusammenhängen, die er für seine Leserschaft verständlich aufbereitet.In Köln geboren und aufgewachsen, entdeckte er früh sein Interesse für Wirtschaftsthemen und internationale Entwicklungen. Nach seinem Studium startete er als Wirtschaftsredakteur bei einer renommierten deutschen Fachpublikation, bevor ihn sein Weg ins Ausland führte.Ein prägendes Kapitel seiner Karriere waren die sechs Jahre in New York, wo er direkten Einblick in die globale Finanzwelt erhielt. Die Berichterstattung von der Wall Street und über weltweite wirtschaftspolitische Entscheidungen schärfte seinen Blick für globale Zusammenhänge.Heute ist Felix Baarz als freier Journalist für führende Wirtschafts- und Finanzmedien im deutschsprachigen Raum tätig. Seine Arbeit zeichnet sich durch fundierte Recherchen und präzise Analysen aus. Er möchte nicht nur Fakten präsentieren, sondern auch deren Bedeutung erklären und seinen Lesern Orientierung bieten – sei es zu wirtschaftlichen Trends, politischen Entscheidungen oder langfristigen Veränderungen in der Finanzwelt.Zusätzlich moderiert er Diskussionen und nimmt an Expertenrunden teil, um sein Wissen einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Dabei liegt sein Fokus darauf, komplexe Themen informativ und inspirierend zu vermitteln. Felix Baarz versteht seine journalistische Aufgabe darin, in einer sich schnell wandelnden Welt einen klaren Blick auf wirtschaftliche Zusammenhänge zu ermöglichen und seine Leser bei fundierten Entscheidungen zu unterstützen – beruflich wie privat.