US-Handelspolitik: Märkte in Aufruhr

Handelskonflikte belasten Währungen, Anleihen und Rohstoffpreise. Experten warnen vor einer Fragmentierung der Weltwirtschaft.

US-Handelspolitik: Märkte in Aufruhr
Kurz & knapp:
  • US-Dollar verliert deutlich an Wert
  • Anleihemärkte zeigen erhöhte Nervosität
  • Rohölpreise unter Druck
  • Internationale Reaktionen auf US-Zölle

Die globalen Finanzmärkte befinden sich in einem Zustand erhöhter Nervosität, maßgeblich getrieben von der Unsicherheit rund um die US-Handelspolitik. Die Weltwirtschaft steht möglicherweise vor einer Fragmentierung, warnen Experten, was nicht nur die Währungs- und Anleihemärkte unter Druck setzt, sondern auch die Rohstoffpreise belastet und internationale Beziehungen auf die Probe stellt. Während die Anleger auf neue Konjunkturdaten aus den USA und Europa warten, um die tatsächlichen Auswirkungen der Zölle abschätzen zu können, dominieren Schlagzeilen und widersprüchliche Signale aus Washington und Peking das Geschehen. Droht eine Zerreißprobe für die Weltwirtschaft?

Dollar unter Druck: Vertrauensverlust belastet US-Währung

Der US-Dollar geriet zu Wochenbeginn auf breiter Front unter Druck. Am Montag verzeichnete er gegenüber dem japanischen Yen seinen größten Tagesverlust seit Mitte April und fiel um 1,1% auf 142,10 Yen. Auch gegenüber dem Euro gab der Greenback nach, der Euro stieg um 0,5% auf 1,1419 Dollar. Gegenüber dem Schweizer Franken verlor der Dollar ebenfalls 0,7% auf 0,8205 Franken. "Heute war geprägt von einer Korrelation zwischen dem schwindenden Dollar und den Zweifeln, die die Aktienmärkte belasten", analysierte Juan Perez von Monex USA.

Hintergrund dieser Entwicklung ist ein wachsender Vertrauensverlust in die Verlässlichkeit amerikanischer Vermögenswerte und die Politik der Trump-Regierung. "Das Hauptproblem bleibt der Mangel an Vertrauen in eine gute wirtschaftliche Entwicklung in den USA, während das Land versucht, unilateral zu handeln und seine Hebelwirkung als größte Volkswirtschaft der Welt zu nutzen", so Perez weiter. Dieser Vertrauensverlust trieb den Dollar auf den Weg zu seinem größten monatlichen Rückgang seit Juli des Vorjahres. Der Euro hingegen steuerte auf seinen größten Monatsgewinn gegenüber dem Dollar seit fast 15 Jahren zu. Zwar gab es kurzzeitig versöhnlichere Töne im Handelsstreit zwischen den USA und China, die dem Dollar Ende letzter Woche etwas halfen. Doch die Verwirrung bleibt groß: Während Präsident Trump von Fortschritten und Gesprächen mit Präsident Xi Jinping spricht, dementiert Peking laufende Handelsgespräche. US-Finanzminister Scott Bessent äußerte sich am Sonntag ebenfalls zurückhaltend und bestätigte keine laufenden Verhandlungen, auch wenn er am Montag "sehr gute" Vorschläge anderer Handelspartner zur Abwendung von US-Zöllen erwähnte, insbesondere eine bevorstehende Einigung mit Indien. Japans Währungshüter Atsushi Mimura dementierte zudem einen Bericht, wonach Bessent sich für einen schwachen Dollar und starken Yen ausgesprochen habe.

Anleihemärkte spiegeln Nervosität wider

Die Unsicherheit über Zölle und deren wirtschaftliche Folgen spiegelt sich auch an den Anleihemärkten wider. Nach dem "Tariff Tantrum" Anfang April, als die Renditen langlaufender US-Staatsanleihen nach der Ankündigung höher als erwarteter Zölle durch Trump in die Höhe schnellten, hat sich die Lage zwar etwas beruhigt – auch weil Trump eine 90-tägige Aussetzung der Zollerhöhungen für die meisten Länder ankündigte. Dennoch bleibt die Nervosität spürbar. Investoren blicken gespannt auf die Ankündigung der US-Schatzamts zur Refinanzierung diese Woche. Es wird erwartet, dass die Auktionsgrößen größtenteils unverändert bleiben, was darauf hindeuten könnte, dass Finanzminister Bessent vorerst weiter auf kurzfristige Schuldtitel setzt, um den Finanzierungsbedarf zu decken – entgegen seiner früheren Kritik an Vorgängerin Yellen. "Der größere Fokus liegt auf Änderungen der Forward Guidance", meint Zachary Griffiths von CreditSights. Eine solche Bestätigung könnte längere Laufzeiten stützen. Gennadiy Goldberg von TD Securities merkt an, dass eine Verschiebung hin zu mehr Emissionen am kurzen Ende von den Märkten gut aufgenommen würde, um die Stabilität angesichts der ökonomischen Ungewissheit zu fördern. Analysten von BNP Paribas sehen sogar Spielraum für kleine Kürzungen bei langlaufenden Auktionen, um die Renditen am langen Ende zu begrenzen.

Auch in der Eurozone zeigten sich die Anleihemärkte abwartend. Die Rendite 10-jähriger deutscher Bundesanleihen stieg zwar leicht um 2,5 Basispunkte auf 2,5%, bewegte sich aber weiterhin am unteren Ende ihrer jüngsten Spanne. Der jüngste Rückgang war teils auf die Flucht in sichere Häfen nach Trumps Zollankündigungen zurückzuführen. Die Märkte preisen weiterhin Zinssenkungen der Europäischen Zentralbank (EZB) ein, um die Wirtschaft zu stützen. EZB-Ratsmitglied Francois Villeroy de Galhau betonte am Montag, es gebe weiterhin Spielraum für Zinssenkungen. Gleichzeitig bereiten sich die Anleger auf wichtige Wirtschaftsdaten vor: In den USA stehen diese Woche das BIP für das erste Quartal, der von der Fed bevorzugte Inflationsindikator (Kern-PCE) sowie der Arbeitsmarktbericht für April an. In Europa werden ebenfalls BIP-Zahlen und Inflationsdaten veröffentlicht. Diese Daten könnten erste Hinweise geben, ob und wie stark Trumps Zölle die Realwirtschaft treffen.

Rohstoffe und globale Wirtschaft im Fadenkreuz der Handelspolitik

Die Sorgen vor einer Eskalation im Handelsstreit und deren dämpfende Wirkung auf die globale Konjunktur belasten auch die Rohstoffmärkte. Der Preis für Brent-Rohöl fiel am Montag um über einen Dollar pro Barrel, da Nachfragesorgen im Zuge des US-chinesischen Handelskonflikts zunahmen. Brent notierte bei 65,86 Dollar, ein Minus von 1,51%. US-WTI fiel um 1,54% auf 62,05 Dollar. "Diese abwartende Haltung bei den Gesprächen zwischen den USA und China hinterlässt einen schlechten Geschmack", kommentierte Gary Cunningham von Tradition Energy. Scheitern die Gespräche, könnte die Ölnachfrage aus China einbrechen. Die widersprüchlichen Signale aus Washington und Peking über den Stand der Verhandlungen halten die Märkte in Atem. Analysten wie Aldo Spanjer von BNP Paribas sehen die Stimmung am Ölmarkt zunehmend pessimistisch ("bearish"), auch wegen Zweifeln an der Einigkeit innerhalb der OPEC+.

Diese Entwicklungen passen ins Bild einer zunehmend fragmentierten Weltwirtschaft, wie Nicolai Tangen, CEO des norwegischen Staatsfonds, warnt. Er sieht in der "Entkopplung der Welt" durch Handels-, Technologie- und sogar heiße und kalte Kriege das größte Risiko für die Finanzmärkte. "Es führt zu niedrigerem Wirtschaftswachstum, höherem Inflationsdruck und mehr Unsicherheit", so Tangen. Auf die Frage, ob wir uns bereits in diesem Szenario befänden, antwortete er: "Sieht so aus." Dieses Szenario könnte den Wert des 1,8 Billionen Dollar schweren Fonds um bis zu ein Drittel schmälern. Paradoxerweise seien die Märkte trotz hoher Volatilität im Jahresverlauf bisher quasi unverändert, was die Prognose erschwere. Unternehmen, die Preissetzungsmacht oder flexible Lieferketten haben, könnten sich in diesem Umfeld am besten behaupten.

Neben dem Handelsstreit bleiben auch geopolitische Spannungen relevant. Die Atomgespräche zwischen den USA und dem Iran in Oman gehen weiter, wobei Irans Außenminister "extrem vorsichtig" bezüglich eines Erfolgs bleibt. Eine schwere Explosion im größten iranischen Hafen Bandar Abbas mit Toten und Verletzten sorgt für zusätzliche Verunsicherung.

Internationale Reaktionen: Zwischen Anpassung und Appell

Die US-Handelspolitik löst weltweit Reaktionen und Anpassungsstrategien aus. Japan zeigt sich besonders besorgt. Itsunori Onodera, Politikchef der regierenden Liberaldemokratischen Partei und früherer Verteidigungsminister, appellierte am Montag an Präsident Trump, seine Zollpläne zu überdenken. Er warnte vor negativen Auswirkungen auf die Sicherheit im Indo-Pazifik, insbesondere in Südostasien. Die Sorge ist, dass die ASEAN-Staaten sich durch die Zölle von den USA abwenden könnten. Japan selbst ist von einem 24%-Zoll auf Exporte in die USA betroffen, zusätzlich zu einem allgemeinen 10%-Zoll und 25% auf Autos. Verhandlungen zwischen Japan und den USA laufen diese Woche in Washington weiter.

Israel versucht ebenfalls, negativen Folgen der US-Zölle (17%-Levy angekündigt, derzeit 10% während einer 90-Tage-Pause für Verhandlungen) zuvorzukommen. Wirtschaftsminister Nir Barkat schlug eine Modernisierung des fast 40 Jahre alten Freihandelsabkommens mit den USA vor. Ein verbessertes Abkommen könnte den Datenaustausch erleichtern und die Zusammenarbeit vertiefen. Israel habe bereits Zugeständnisse gemacht, etwa durch die Aufhebung von Zöllen auf US-Agrargüter.

In Europa rückt angesichts der geopolitischen Lage und der Unsicherheiten bezüglich des US-Schutzschirms die Verteidigungspolitik in den Fokus. Bulgarien will erreichen, dass seine Verteidigungsausgaben – dieses Jahr über 2% des BIP – bei der Berechnung des Haushaltsdefizits nach EU-Regeln ausgenommen werden. Dies soll helfen, die Kriterien für den geplanten Eurobeitritt im nächsten Jahr zu erfüllen und gleichzeitig die Militärausgaben zu steigern. Auch Deutschland hat laut Medienberichten bei der EU-Kommission eine Ausnahme von den Schuldenregeln beantragt, um die Verteidigungsausgaben erhöhen zu können.

Ausblick: Daten und Politik im Fokus

Die kommenden Tage dürften an den Finanzmärkten von hoher Anspannung geprägt sein. Im Zentrum stehen die Wirtschaftsdaten aus den USA und der Eurozone, die Aufschluss über die Widerstandsfähigkeit der Konjunktur angesichts der Handelspolitik geben könnten. Insbesondere der US-Arbeitsmarktbericht und die Inflationsdaten werden genau beobachtet, auch im Hinblick auf die Geldpolitik der Federal Reserve. Während die Fed derzeit eine abwartende Haltung einnimmt, könnten schwache Daten die Wahrscheinlichkeit einer Zinssenkung im Juni erhöhen. Gleichzeitig bleiben die Märkte anfällig für jede neue Entwicklung oder Äußerung im Handelsstreit. Die von Nicolai Tangen beschriebene Gefahr einer fragmentierten Welt und die damit verbundenen Risiken für Wachstum und Inflation dürften die Anleger weiterhin beschäftigen. Die Zerreißprobe für die globale Wirtschaft scheint gerade erst begonnen zu haben.

Über Felix Baarz 187 Artikel
Mit über fünfzehn Jahren Erfahrung als Wirtschaftsjournalist hat sich Felix Baarz als Experte für internationale Finanzmärkte etabliert. Seine Leidenschaft gilt den Mechanismen globaler Finanzmärkte und komplexen wirtschaftspolitischen Zusammenhängen, die er für seine Leserschaft verständlich aufbereitet.In Köln geboren und aufgewachsen, entdeckte er früh sein Interesse für Wirtschaftsthemen und internationale Entwicklungen. Nach seinem Studium startete er als Wirtschaftsredakteur bei einer renommierten deutschen Fachpublikation, bevor ihn sein Weg ins Ausland führte.Ein prägendes Kapitel seiner Karriere waren die sechs Jahre in New York, wo er direkten Einblick in die globale Finanzwelt erhielt. Die Berichterstattung von der Wall Street und über weltweite wirtschaftspolitische Entscheidungen schärfte seinen Blick für globale Zusammenhänge.Heute ist Felix Baarz als freier Journalist für führende Wirtschafts- und Finanzmedien im deutschsprachigen Raum tätig. Seine Arbeit zeichnet sich durch fundierte Recherchen und präzise Analysen aus. Er möchte nicht nur Fakten präsentieren, sondern auch deren Bedeutung erklären und seinen Lesern Orientierung bieten – sei es zu wirtschaftlichen Trends, politischen Entscheidungen oder langfristigen Veränderungen in der Finanzwelt.Zusätzlich moderiert er Diskussionen und nimmt an Expertenrunden teil, um sein Wissen einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Dabei liegt sein Fokus darauf, komplexe Themen informativ und inspirierend zu vermitteln. Felix Baarz versteht seine journalistische Aufgabe darin, in einer sich schnell wandelnden Welt einen klaren Blick auf wirtschaftliche Zusammenhänge zu ermöglichen und seine Leser bei fundierten Entscheidungen zu unterstützen – beruflich wie privat.