Die globalen Finanzmärkte und Wirtschaftsakteure blicken gespannt nach Genf und Washington, wo die Konturen einer potenziell neu geordneten Weltwirtschaft gezeichnet werden. Unter der Ägide von Präsident Donald Trump verfolgen die USA eine dynamische und oft disruptive US-Handelspolitik, die von harten Zollforderungen gegenüber China bis hin zu beschleunigten Verhandlungen über bilaterale Abkommen mit Partnern wie der Schweiz reicht. Diese Politik sendet Schockwellen durch etablierte Handelsbeziehungen und zwingt Nationen wie Unternehmen gleichermaßen, ihre Strategien zu überdenken. Während einige auf rasche Einigungen und neue Chancen hoffen, wächst andernorts die Sorge vor den Kollateralschäden eines zunehmend von unilateralen Entscheidungen geprägten Welthandels.
Genfer Verhandlungsbühne: Zuckerbrot für die Schweiz, Peitsche für China?
Im Zentrum der aktuellen handelspolitischen Aktivitäten steht diese Woche die Schweiz, wo hochrangige Treffen die zukünftige Ausrichtung der US-Beziehungen zu wichtigen Handelspartnern prägen könnten. Wie die Schweizer Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter am heutigen Freitag in Genf bekannt gab, haben die Schweiz und die USA vereinbart, ihre Handelsgespräche zu beschleunigen. Dieses Bekenntnis zu einer raschen Lösungsfindung sei in Gesprächen mit US-Schatzminister Scott Bessent und dem US-Chefunterhändler Jamieson Greer deutlich geworden. Die Schweiz, für die die USA der größte einzelne Exportmarkt sind, war zuvor von Zöllen in Höhe von 31% getroffen worden – eine Maßnahme, die in Bern als "unverständlich und kontraproduktiv" bezeichnet wurde. Nun keimt Hoffnung auf, nach Großbritannien als eines der nächsten Länder eine vorteilhafte Regelung zu erzielen, auch wenn ein konkreter Zeitrahmen noch nicht genannt wurde.
Parallel zu den schweizerisch-amerikanischen Konsultationen richtet sich der Blick ebenfalls auf Genf, wo am kommenden Wochenende entscheidende Gespräche zwischen den USA und China stattfinden sollen. Hier werden US-Schatzminister Bessent und Chefunterhändler Greer auf den chinesischen Wirtschafts-Zar He Lifeng treffen. Die Erwartungen sind hoch, denn Präsident Trump ließ im Vorfeld via Soziale Medien verlauten, dass ein Zollsatz von 80% auf chinesische Waren "richtig erscheint". Dies wäre eine deutliche, wenn auch immer noch massive, Reduktion gegenüber den von ihm zuvor verhängten 145% Strafzöllen auf viele chinesische Importe. China hatte seinerseits mit Gegenzöllen von bis zu 125% und Exportbeschränkungen, etwa für Seltene Erden, reagiert. Ziel der Genfer Gespräche sei es, so heißt es aus der Trump-Administration, die Spannungen im seit Jahren schwelenden Handelskrieg zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt zu deeskalieren.
Neue Handelsabkommen am Horizont: Die US-Strategie nimmt Form an
Die Bemühungen um bilaterale Abkommen scheinen Teil einer umfassenderen Strategie der US-Regierung zu sein. Hassett, der Direktor des Nationalen Wirtschaftsrats (National Economic Council), deutete kürzlich in einem Fernsehinterview an, dass zahlreiche weitere Handelsvereinbarungen in Vorbereitung seien. "24 andere Handelsabkommen nähern sich einer Lösung," so Hassett, der sich auch optimistisch bezüglich der Treffen in Genf äußerte. Er prognostizierte, dass in den kommenden Wochen mehr Deals nach dem Muster des kürzlich mit Großbritannien geschlossenen Abkommens zu erwarten seien. Dieser Pakt sieht unter anderem einen begrenzten Ausbau des Agrarzugangs für beide Länder und eine Senkung der US-Zölle auf britische Autoexporte vor, lässt aber den von Trump verhängten 10%-Basiszoll auf britische Waren bestehen. Präsident Trump selbst bekräftigte via Social Media, dass viele "gute, sogar großartige" Handelsabkommen in Arbeit seien, was auf eine positive Dynamik aus US-Sicht hindeutet.
Kanadas Wirtschaft unter Druck: Die Furcht vor dem Handelskrieg wächst
Die Auswirkungen der neu ausgerichteten US-Handelspolitik und die Sorgen vor einer Eskalation globaler Handelskonflikte zeigen sich bereits deutlich in den Wirtschaftsdaten anderer Nationen. Besonders Kanada, ein traditionell enger Handelspartner der USA, spürt den Gegenwind. Die jüngsten Arbeitsmarktdaten für April 2025, veröffentlicht von Statistics Canada, zeichnen ein beunruhigendes Bild. Die Arbeitslosenquote stieg um 0,2 Prozentpunkte auf 6,9%, während die Beschäftigung mit einem Nettozuwachs von nur 7.400 Stellen stagnierte. Die Beschäftigungsquote sank um 0,1 Prozentpunkte auf 60,8%.
Ali Jaffery, Ökonom bei CIBC Capital Markets, nannte den Bericht eine "Wendung zum Schlechteren" und kommentierte: "Insgesamt sehen wir einen Arbeitsmarkt, der schon vor dem Handelskrieg schwach war und nun bald nachgeben könnte." Diese Entwicklung stütze die Argumente für eine Zinssenkung durch die Bank of Canada im Juni. Zwar stiegen die durchschnittlichen Stundenlöhne im April im Jahresvergleich um 3,4% auf 36,13 kanadische Dollar, doch die zugrundeliegende Schwäche ist unübersehbar. Branchen, die stark von der US-Nachfrage nach kanadischen Exporten abhängig sind, erwarten in den kommenden sechs Monaten eher einen Rückgang der Mitarbeiterzahlen. Die Unsicherheit über die zukünftigen Handelsbeziehungen belastet die kanadische Wirtschaft sichtlich, auch wenn die US-bereinigte Arbeitslosenquote Kanadas im April mit 5,8% immer noch deutlich über der (nicht explizit genannten, aber implizierten) niedrigeren Rate in den Vereinigten Staaten lag.
Europas Sorgenkinder: Italien blickt mit Bangen auf US-Zölle
Auch in Europa machen sich die potenziellen Folgen der US-Handelspolitik bemerkbar. Italien, die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone, kämpft weiterhin mit einer schwachen industriellen Entwicklung. Die Industrieproduktion stieg im März zwar leicht um 0,1% gegenüber dem Vormonat, blieb damit aber hinter den Erwartungen zurück und konnte den Rückgang von 0,9% im Februar kaum kompensieren. Auf Jahresbasis verzeichnete die Produktion einen Rückgang von 1,8% – der 26. Rückgang in Folge. Zwar gab es im ersten Quartal 2025 erstmals seit dem zweiten Quartal 2022 einen leichten Zuwachs der Industrieproduktion gegenüber dem Vorquartal (+0,4%), doch Analysten warnen vor verfrühter Euphorie und erwarten keine nachhaltige Trendwende.
Der Ausblick für die italienische Wirtschaft bleibt getrübt, nicht zuletzt "durch die Aussicht auf US-Handelszölle", wie es von offizieller Seite heißt. Die Regierung von Premierministerin Giorgia Meloni hat ihre Wachstumsprognose für 2025 bereits auf 0,6% halbiert, nachdem die Wirtschaft 2024 um 0,7% gewachsen war. Die Bank von Italien prognostizierte erst kürzlich, dass US-Zölle, sollten sie bestätigt werden, das italienische Wachstum im Zeitraum 2025-2027 um mehr als einen halben Prozentpunkt schmälern könnten.
Eine neue Ära der US-Außenbeziehungen?
Die Neuausrichtung der US-Handelspolitik könnte Teil einer breiteren Neubewertung der internationalen Beziehungen Washingtons sein. Ein Indiz hierfür lieferte eine Meldung aus Sambia: Die Vereinigten Staaten kündigten an, die jährliche Gesundheitshilfe für das afrikanische Land um 50 Millionen US-Dollar zu kürzen. Als Grund nannte der US-Botschafter in Sambia, Michael Gonzales, den seit 2021 aufgedeckten "systematischen Diebstahl" von gespendeten Medikamenten, darunter auch antiretrovirale Mittel zur HIV-Behandlung. Zwar betonte Gonzales, diese Kürzung sei "völlig getrennt" von der breiteren Überprüfung der US-Auslandshilfe durch die Trump-Administration, doch sie illustriert eine härtere Gangart und eine stärkere Konditionierung von Unterstützung. Sambias Gesundheitsministerium räumte die Probleme ein und verwies auf bereits eingeleitete Maßnahmen und Verhaftungen. Dieser Schritt Washingtons unterstreicht einen generellen Trend zu einer stärker transaktional und ergebnisorientiert ausgerichteten Außenpolitik.
Ausblick: Navigieren in unsicheren Gewässern
Die kommenden Wochen und Monate werden entscheidend dafür sein, ob die aktuelle US-Handelspolitik zu einer konstruktiven Neuordnung der globalen Handelsströme oder zu einer weiteren Fragmentierung und Eskalation von Konflikten führt. Die Verhandlungen in Genf mit China und der Schweiz könnten wegweisend sein. Für Unternehmen und Investoren bedeutet die derzeitige Gemengelage vor allem eines: erhöhte Unsicherheit und die Notwendigkeit, sich auf volatile Märkte und sich schnell ändernde regulatorische Rahmenbedingungen einzustellen. Die Hoffnung auf neue, für alle Seiten vorteilhafte Abkommen mischt sich mit der Furcht vor den realwirtschaftlichen Kosten protektionistischer Tendenzen. Die Weltwirtschaft steht unverkennbar an einem Scheideweg.