Die aggressive Wirtschaftsagenda der Trump-Regierung und ihre jüngsten handelspolitischen Vorstöße senden Schockwellen durch die globalen Finanzmärkte. Von Washington bis Frankfurt fragen sich Anleger: Was kommt als Nächstes und wohin steuert die Weltwirtschaft unter dem Einfluss der aktuellen US-Politik? Die Entscheidungen in Washington haben unmittelbare und weitreichende Konsequenzen, die von der heimischen Baubranche bis zu internationalen Kapitalströmen reichen und selbst etablierte Zentralbanken vor neue Herausforderungen stellen.
Trumps Rundumschlag: Steuer, Handel und Deregulierung als Brandbeschleuniger
Im Zentrum der aktuellen Nervosität steht die umfassende Neuausrichtung der amerikanischen Wirtschaftspolitik. Ein zentraler Pfeiler ist das ambitionierte Steuergesetz von Präsident Trump, das trotz seiner Bezeichnung als "großer, schöner Gesetzentwurf" auf erheblichen innerparteilichen Widerstand stößt (Artikel 3). Hardliner innerhalb der Republikaner fordern tiefere Einschnitte bei Sozialausgaben wie Medicaid und die vollständige Abschaffung von Steuererleichterungen für grüne Energien, um die geplanten Steuersenkungen gegenzufinanzieren. Diese würden laut Schätzungen des parteiübergreifenden Joint Tax Committee die US-Staatsschulden in den nächsten zehn Jahren um massive 3,72 Billionen Dollar erhöhen. Während Trump Maßnahmen wie die Steuerbefreiung von Trinkgeldern und Überstunden als Wohltat für die Arbeiterklasse preist, warnen Kritiker vor einer übermäßigen Begünstigung Wohlhabender und dem drohenden Verlust der Krankenversicherung für bis zu 14 Millionen Amerikaner durch Kürzungen bei Medicaid und dem Affordable Care Act. Die politische Zerreißprobe im Haushaltsausschuss des Repräsentantenhauses könnte den Zeitplan für eine Verabschiedung bis zum symbolträchtigen 4. Juli ins Wanken bringen.
Parallel dazu verschärft die Trump-Administration den Ton in der Handelspolitik (Artikel 6). Der Präsident kündigte jüngst an, dass US-Beamte in den kommenden zwei bis drei Wochen Briefe an diverse Länder versenden werden, in denen dargelegt wird, "was sie zahlen müssen, um in den Vereinigten Staaten Geschäfte zu machen". Diese vage formulierte Drohung neuer Abgaben oder Zölle sorgt für erhebliche Verunsicherung, auch wenn zugleich ein Waffenstillstand im Handelskrieg mit China und ein begrenztes Handelsabkommen mit Großbritannien verkündet wurden. Letzteres lässt Trumps 10-prozentige Zölle auf britische Exporte jedoch bestehen, während höhere Zölle auf Stahl und Autos gesenkt werden.
Flankiert werden diese Maßnahmen von einer spürbaren Deregulierungswelle. Besonders betroffen ist die US-Börsenaufsicht SEC (Artikel 1). Daten zeigen, dass die Behörde nach Ankaufprogrammen der Trump-Regierung einen signifikanten Personalabbau hinnehmen musste. Besonders die Abteilungen für Rechtsangelegenheiten, Investmentmanagement sowie Handel und Märkte verloren zwischen 15% und 19% ihrer Vollzeitkräfte. Insgesamt sank der Personalbestand der SEC seit dem 25. Januar um 12%, wobei Neueinstellungen durch einen Einstellungsstopp und Budgetbeschränkungen bereits zuvor gebremst wurden. SEC-Chef Paul Atkins deutete an, dass zwar einige Stellen nachbesetzt werden müssten, schloss aber weitere Kürzungen nicht aus. Brisant ist die enge Zusammenarbeit der SEC mit Elon Musks "Department of Government Efficiency" (DOGE), das mittlerweile seine Präsenz im SEC-Hauptquartier in Washington ausgeweitet hat, um weitere Kostensenkungspotenziale, vor allem bei IT-Dienstleistungen, zu identifizieren. Diese Schwächung der obersten Finanzaufsicht wirft Fragen hinsichtlich der Durchsetzungskraft und Stabilität der Märkte auf. Als weiteres Beispiel für Trumps unkonventionelle Politik mit wirtschaftlichen Implikationen gilt die jüngste Kehrtwende in der Syrien-Politik (Artikel 5), wo nach der angekündigten Aufhebung von Sanktionen und der Tilgung von Altschulden durch Saudi-Arabien und Katar nun die Weltbank das Land wieder für millionenschwere Wiederaufbauhilfen und Budgetunterstützung als förderfähig einstuft.
US-Wirtschaft im Zangengriff: Baukrise und Konsumflaute durch US-Politik
Die Auswirkungen dieser politischen Marschrichtung sind in der US-Wirtschaft bereits spürbar. Besonders der Häusermarkt leidet (Artikel 8). Die Baubeginne für Einfamilienhäuser fielen im April um 2,1% auf eine saisonbereinigte Jahresrate von 927.000 Einheiten. Auch die Baugenehmigungen für zukünftige Projekte sanken im Vormonat um 5,1%. Als Hauptgründe gelten die von Präsident Trump verhängten Zölle auf importierte Materialien wie Holz und Stahl sowie hohe Hypothekenzinsen. Eine Umfrage der National Association of Home Builders offenbarte im Mai die schlechteste Stimmung unter Einfamilienhausbauern seit eineinhalb Jahren: 78% der Befragten berichteten von Schwierigkeiten bei der Preiskalkulation ihrer Häuser aufgrund der Unsicherheit bei den Materialpreisen. Die Lage wird durch ein Überangebot an unverkauften Neubauten verschärft, das Niveaus wie zuletzt Ende 2007 erreicht.
Diese Verunsicherung spiegelt sich auch im Konsumklima wider. Der viel beachtete Index der Verbraucherstimmung der Universität Michigan fiel auf 50,8 Punkte und blieb damit nicht nur hinter den prognostizierten 53,1 Punkten zurück, sondern unterschritt auch den Vormonatswert von 52,2 (Artikel 4). Dieser Abwärtstrend deutet auf eine zunehmende Vorsicht der US-Verbraucher hin, was als negatives Signal für den US-Dollar und die gesamtwirtschaftliche Entwicklung interpretiert werden kann. Käme es zu einer spürbaren Konsumzurückhaltung, könnte dies die Konjunktur weiter belasten. Kein Wunder also, dass Anleger nervös reagieren.
Globale Kapitalströme: Flucht aus der Unsicherheit findet neue Ziele
Die von der US-Politik ausgehende Unsicherheit führt zu markanten Verschiebungen bei den internationalen Kapitalströmen. Besonders deutlich zeigt sich dies am Beispiel Kanadas (Artikel 7). Während kanadische Investoren im März massiv ausländische Wertpapiere im Wert von 15,6 Milliarden Dollar erwarben – vornehmlich US-Staatsanleihen (9,3 Mrd. Dollar) und US-Geldmarktpapiere (1,8 Mrd. Dollar) – zogen ausländische Investoren gleichzeitig 4,2 Milliarden Dollar aus dem kanadischen Markt ab. Dieser Netto-Kapitalabfluss von 19,9 Milliarden Dollar war der zweite in Folge und summierte sich im ersten Quartal auf beachtliche 45,9 Milliarden Dollar. Der Drang in US-Anlagen wird als Suche nach Sicherheit inmitten unsicherer globaler makroökonomischer Trends und spezifischer Sorgen um die kanadische Wirtschaft interpretiert, die durch die anhaltenden Spannungen um nordamerikanische Lieferketten und die globale Zollpolitik genährt werden. Ausländische Investoren stießen insbesondere kanadische Aktien ab (12,0 Mrd. Dollar im März nach 21,9 Mrd. Dollar im Februar), betroffen waren vor allem Banken-, Handels-, Transport- sowie Energie- und Bergbauwerte. Zwar stieg die ausländische Nachfrage nach langfristigen kanadischen Staatsanleihen, was auch durch die Zinssenkung der Bank of Canada auf 2,75% im März gestützt worden sein dürfte, doch bei kurzfristigen Geldmarktpapieren zogen sich Nicht-Residenten zurück.
Zentralbanken in Alarmbereitschaft: Navigieren im politischen Sturm
Die globale Verunsicherung und die unberechenbare US-Politik stellen auch die Zentralbanken vor immense Herausforderungen. Philip Lane, Chefökonom der Europäischen Zentralbank (EZB), äußerte sich kürzlich skeptisch über den Nutzen der Veröffentlichung alternativer Wirtschaftsszenarien neben den offiziellen Prognosen (Artikel 2). Angesichts der Fehleinschätzungen bei der Inflationswelle 2021/22 suchen zwar viele Notenbanken nach Wegen, Risiken besser zu kommunizieren. Lane befürchtet jedoch, dass sorgfältig ausgewählte Szenarien den Fokus auf möglicherweise irrelevante Risikofaktoren lenken oder den Eindruck einer zu eng gefassten Risikoanalyse erwecken könnten. Eine reichhaltigere Diskussion hinter verschlossenen Türen, bevor ein Konsens erreicht wird, sei vorzuziehen, zumal die Auswahl weniger Szenarien für den 26-köpfigen EZB-Rat logistisch aufwendig sei. Diese Debatte unterstreicht die Schwierigkeit, in einem von politischen Unwägbarkeiten geprägten Umfeld verlässliche geldpolitische Leitplanken zu setzen. Die Bank of Canada hat mit ihrer Zinssenkung bereits auf die veränderten Rahmenbedingungen reagiert – ein Schritt, der auch als Versuch gewertet werden kann, die Auswirkungen der US-Handelspolitik abzufedern.
Die kommenden Monate werden zeigen, ob die aggressive US-Politik eine neue Ära des Protektionismus einläutet oder ob sich die globalen Märkte an die erhöhte Volatilität anpassen können. Für Anleger bedeutet dies vor allem eines: Die Notwendigkeit, politische Entwicklungen genauestens zu beobachten und auf schnelle, oft unvorhersehbare Veränderungen vorbereitet zu sein. Die Frage, ob dieser Kurs letztlich zu nachhaltigem Wachstum oder in eine tiefere Krise führt, bleibt vorerst offen und dürfte die Finanzmärkte noch lange beschäftigen. Das dürfte spannend werden.