US-Schulden: Welt zittert mit?

Abstimmung über US-Steuererleichterungen und Moody's Herabstufung lösen weltweite Marktunsicherheit aus. Dollar unter Druck, Anleiherenditen steigen.

US-Schulden: Welt zittert mit?
Kurz & knapp:
  • Wall Street schwächelt vor entscheidender US-Abstimmung
  • Dollar fällt auf Zweiwochentief gegenüber Yen
  • Europäische Börsen trotzen globaler Nervosität
  • Gold als sicherer Hafen gefragt

Die globalen Finanzmärkte zeigen sich am heutigen Dienstag, dem 20. Mai 2025, spürbar nervös. Im Zentrum der Unsicherheit stehen die Vereinigten Staaten, wo eine kritische Abstimmung über die Verlängerung von Steuererleichterungen aus der ersten Amtszeit von Präsident Donald Trump und die wachsende Staatsverschuldung die Anleger weltweit in Atem halten. Droht eine Eskalation der US-Schuldenkrise und welche Schockwellen sendet dies durch die internationale Wirtschaft?

Globale Marktunruhe: US-Politik im Fokus

Die Wall Street startete verhalten in den Handelstag. Der Dow Jones Industrial Average gab um 0,17% auf 42.717,94 Punkte nach, der S&P 500 fiel um 0,23% auf 5.950,01 Zähler und der technologielastige Nasdaq Composite verlor 0,34% auf 19.150,81 Punkte. Diese Zurückhaltung spiegelt die Sorgen der Investoren wider, dass die geplante Verlängerung der Trump’schen Steuersenkungen das US-Haushaltsdefizit schneller als erwartet anwachsen lassen könnte – Schätzungen von unabhängigen Analysten zufolge könnte das Gesetzespaket die Schulden um zusätzliche drei bis fünf Billionen US-Dollar erhöhen. "Angesichts der Unwägbarkeiten um das republikanische Gesetz ist die Unsicherheit groß genug, um die Leute vorsichtiger werden zu lassen und die jüngste Rallye vielleicht zu nutzen, um ihre Aktienportfolios etwas zu reduzieren", kommentierte Rick Meckler, Partner bei Cherry Lane Investments.

Die Nervosität wird durch die jüngste Herabstufung der US-Kreditwürdigkeit durch Moody’s Investors Service am vergangenen Freitag weiter angeheizt. Die Ratingagentur begründete ihren Schritt mit der steigenden Schuldenlast der USA, die bereits auf über 36,2 Billionen US-Dollar angewachsen ist. Diese Entscheidung löste bei den Renditen für US-Staatsanleihen spürbaren Auftrieb aus. Die Rendite der zehnjährigen Benchmark-Anleihen stieg um 1,2 Basispunkte auf 4,487%, während die Rendite der 30-jährigen Anleihen um 4 Basispunkte auf 4,981% zulegte, nachdem sie am Montag mit 5,037% den höchsten Stand seit November 2023 erreicht hatte.

Während die US-Märkte Schwäche zeigten, präsentierte sich das Bild an den europäischen Börsen freundlicher. Der paneuropäische STOXX 600 Index legte um 0,68% zu, angeführt von Versorgern und Telekommunikationswerten. Der deutsche Leitindex DAX erreichte sogar ein neues Rekordhoch. Auch in China sorgte die erstmalige Senkung der Leitzinsen durch die Zentralbank seit Oktober für Auftrieb, der Blue-Chip-Index kletterte um 0,54%.

Währungsturbulenzen: Der Dollar unter Druck

Die Verunsicherung um die US-Fiskalpolitik und die Herabstufung durch Moody’s setzte den US-Dollar deutlich unter Druck. "Die Moody’s-Herabstufung war der frühere Katalysator, der die Renditen nach oben und den Dollar nach unten drückte. Jetzt sind die Renditen von diesen Höchstständen zurückgekommen, und der Dollar ist immer noch niedriger", analysierte Vassili Serebriakov, Währungsstratege bei UBS in New York. "Dies unterstreicht die zugrundeliegende Tendenz, den Dollar zu verkaufen. Ich glaube nicht, dass sich diese Tendenz geändert hat."

Der Greenback gab gegenüber dem japanischen Yen nach und fiel zeitweise auf ein Zweiwochentief von 144,095 Yen. Zuletzt notierte er 0,1% tiefer bei 144,64 Yen und gab damit in fünf der letzten sechs Handelssitzungen nach. Die Entwicklung am japanischen Anleihemarkt, wo die Renditen für super-lange Staatsanleihen auf Allzeithochs schnellten – die 20-jährige Rendite sprang um bis zu 15 Basispunkte auf 2,555%, den höchsten Stand seit 2000, und die 30-jährige Rendite erreichte ein Rekordhoch von 3,14% – sorgte zusätzlich für Nervosität und übte zwischenzeitlich Druck auf den Yen aus, bevor dieser sich wieder erholen konnte. Mit Spannung werden die anstehenden Gespräche zwischen US-Finanzminister Scott Bessent und seinem japanischen Amtskollegen Katsunobu Kato am Rande des G7-Finanzministertreffens in Kanada erwartet. Es wird davon ausgegangen, dass auch Währungsfragen und die Volatilität an den Devisenmärkten thematisiert werden. Marktbeobachter vermuten, dass die USA auf einen schwächeren Dollar gegenüber asiatischen Währungen drängen könnten, um das Handelsdefizit zu reduzieren, was den Dollar zusätzlich belasten könnte.

Auch andere Währungen zeigten deutliche Bewegungen. Der australische Dollar fiel stark gegenüber dem US-Dollar, nachdem die Reserve Bank of Australia die Leitzinsen um 25 Basispunkte gesenkt und die Tür für weitere Lockerungen in den kommenden Monaten offengelassen hatte. Der Aussie notierte zuletzt 0,9% tiefer bei 0,6401 US-Dollar. Der kanadische Dollar profitierte hingegen von Inflationsdaten, die mit einer Jahresrate von 1,7% im April zwar leicht unter den Erwartungen lagen, jedoch zeigten zwei der drei Kerninflationsmaße 13-Monats-Hochs, was auf anhaltenden Preisdruck hindeutet. Der Euro legte gegenüber dem Dollar um 0,2% auf 1,3373 Dollar zu, während der Schweizer Franken ebenfalls stärker tendierte und den Dollar um 0,4% auf 0,8314 Franken drückte. Das Pfund Sterling notierte nach einem Anstieg vom Vortag zuletzt kaum verändert bei 1,3372 Dollar.

Globale Schuldenlast und wirtschaftliche Aussichten

Die Sorge um ausufernde Staatsfinanzen ist kein rein amerikanisches Phänomen. Renzo Merino, Analyst bei Moody’s, warnte am Dienstag, dass Kolumbien eine Herabstufung seiner Kreditwürdigkeit drohe, falls die geplante Haushaltskonsolidierung scheitere, die öffentliche Verschuldung nicht stabilisiert und die Fiskalregeln nicht eingehalten würden. "Wir haben begonnen, bestimmte Risiken zu sehen", so Merino. "Das Problem für Kolumbien ist, dass es relativ gesehen viel mehr ausgibt, als es einnimmt." Die Andennation, die von Moody’s derzeit mit Baa2 bewertet wird und deren Ausblick im Juni letzten Jahres auf "negativ" gesenkt wurde, ringt mit einem angepeilten Haushaltsdefizit von 5,1% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) – ein Ziel, das Analysten für schwer erreichbar halten.

In Europa hellte sich das Konsumklima in der Eurozone im Mai zwar leicht auf und stieg um 1,4 Punkte auf -15,2, wie die Europäische Kommission heute mitteilte. Dies lag über den Erwartungen von Ökonomen, die mit einem Anstieg auf -16,0 gerechnet hatten. Dennoch bleibt das Niveau niedrig und signalisiert keine überschäumende Kauflaune. Auch für das Vereinigte Königreich zeigen sich zaghafte Lichtblicke. Laut einer Reuters-Umfrage wird die britische Wirtschaft in diesem Jahr voraussichtlich um 1,0% wachsen, etwas schneller als noch vor einem Monat prognostiziert. Dies ist teilweise auf ein unerwartet starkes Wachstum im ersten Quartal zurückzuführen, dessen Nachhaltigkeit jedoch bezweifelt wird. "Die britische Regierung erhöht in diesem Jahr massiv die Ausgaben. Es kommt viel Geld herein, und das wird auch als eine Art Rückenwind wirken. Das Reallohnwachstum ist ebenfalls noch recht stark, sodass die Wirtschaft immer noch über einige vernünftige Grundlagen verfügt", sagte James Smith, Ökonom bei ING. Dennoch wird erwartet, dass die Inflation deutlich über dem Ziel der Bank of England von 2,0% steigen wird, bevor sie sich bis Mitte nächsten Jahres wieder abschwächt.

Die Rohstoffmärkte zeigten sich uneinheitlich. US-Rohöl verbilligte sich um 0,69% auf 62,26 Dollar pro Barrel, und Brent fiel um 0,66% auf 65,11 Dollar. Gold hingegen war als sicherer Hafen gefragt und verteuerte sich um 0,42% auf 3.243,21 Dollar pro Unze. Im Kohlemarkt sorgten politische Entscheidungen für Verschiebungen: Chinas Kohleimporte aus seinem größten Lieferanten Indonesien brachen im April um 20% ein, da chinesische Käufer Jakartas Vorstoß ablehnten, einen staatlich festgelegten Benchmark-Preis für internationale Verkäufe zu verwenden.

Ausblick: Unsicherheit bleibt bestimmend

Die kommenden Tage und Wochen dürften an den Finanzmärkten von anhaltender Unsicherheit geprägt sein. Die Abstimmung über das US-Steuergesetz, weitere Kommentare von Vertretern der US-Notenbank Federal Reserve – von der Händler derzeit mindestens zwei Zinssenkungen um 25 Basispunkte bis Ende 2025 erwarten – und die Ergebnisse der US-japanischen Handelsgespräche werden genauestens beobachtet. Die Bedrohung durch steigende Inflationsraten, die von höheren Zöllen angeheizt werden könnten, und die schwelenden Sorgen um die globale Schuldenlast bleiben bestimmende Faktoren. Anleger müssen sich weiterhin auf eine erhöhte Volatilität einstellen und ihre Entscheidungen mit Bedacht treffen. Die Frage, ob die US-Schuldenpolitik eine tiefere globale Krise auslösen kann, bleibt vorerst unbeantwortet und sorgt für gespannte Erwartung.

Über Felix Baarz 179 Artikel
Mit über fünfzehn Jahren Erfahrung als Wirtschaftsjournalist hat sich Felix Baarz als Experte für internationale Finanzmärkte etabliert. Seine Leidenschaft gilt den Mechanismen globaler Finanzmärkte und komplexen wirtschaftspolitischen Zusammenhängen, die er für seine Leserschaft verständlich aufbereitet.In Köln geboren und aufgewachsen, entdeckte er früh sein Interesse für Wirtschaftsthemen und internationale Entwicklungen. Nach seinem Studium startete er als Wirtschaftsredakteur bei einer renommierten deutschen Fachpublikation, bevor ihn sein Weg ins Ausland führte.Ein prägendes Kapitel seiner Karriere waren die sechs Jahre in New York, wo er direkten Einblick in die globale Finanzwelt erhielt. Die Berichterstattung von der Wall Street und über weltweite wirtschaftspolitische Entscheidungen schärfte seinen Blick für globale Zusammenhänge.Heute ist Felix Baarz als freier Journalist für führende Wirtschafts- und Finanzmedien im deutschsprachigen Raum tätig. Seine Arbeit zeichnet sich durch fundierte Recherchen und präzise Analysen aus. Er möchte nicht nur Fakten präsentieren, sondern auch deren Bedeutung erklären und seinen Lesern Orientierung bieten – sei es zu wirtschaftlichen Trends, politischen Entscheidungen oder langfristigen Veränderungen in der Finanzwelt.Zusätzlich moderiert er Diskussionen und nimmt an Expertenrunden teil, um sein Wissen einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Dabei liegt sein Fokus darauf, komplexe Themen informativ und inspirierend zu vermitteln. Felix Baarz versteht seine journalistische Aufgabe darin, in einer sich schnell wandelnden Welt einen klaren Blick auf wirtschaftliche Zusammenhänge zu ermöglichen und seine Leser bei fundierten Entscheidungen zu unterstützen – beruflich wie privat.