Düstere Wolken ziehen über der US-Wirtschaft auf und schüren wachsende Sorgen vor einer handfesten Rezession. Ein überraschender Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im ersten Quartal 2025, gepaart mit anhaltender Schwäche im produzierenden Gewerbe und spürbaren Bremsspuren durch die aggressive Handelspolitik, zeichnet ein beunruhigendes Bild. Während Präsident Donald Trump zur Geduld mahnt und die Schuld bei seinem Vorgänger sucht, fragen sich Analysten und Investoren: Ist dies nur eine vorübergehende Delle oder der Beginn einer schmerzhaften Stagflation?
Konjunktursignale senden Alarmzeichen
Die heute vom US-Handelsministerium veröffentlichten BIP-Zahlen für das erste Quartal sorgten für einen Schock an den Märkten. Statt des von Ökonomen erwarteten leichten Wachstums von 0,3% schrumpfte die größte Volkswirtschaft der Welt auf Jahresbasis um 0,3%. Dies ist der erste Rückgang seit dem Höhepunkt der Pandemie und steht in krassem Gegensatz zum Wachstum von 2,4% im vierten Quartal 2024.
Maßgeblich für diesen Einbruch war laut Experten ein massiver Anstieg der Importe. Unternehmen zogen Käufe von Waren aus dem Ausland vor, um drohenden höheren Zöllen im Rahmen der von Präsident Trump initiierten Handelsoffensive zuvorzukommen. Dieser Effekt, der die Importbilanz aufblähte und das BIP statistisch drückte, überlagerte die eigentliche Binnennachfrage. Brian Jacobsen, Chefökonom bei Annex Wealth Management, wies darauf hin, dass die "realen Endverkäufe an inländische Käufer" – ein Indikator für die tatsächliche Nachfrage ohne Lager- und Importeffekte – zwar um 3% gestiegen seien. Dennoch sei der GDP-Gesamtwert "ärgerlich". Andere Analysten wie Lou Brien von DRW Trading betonten die Schwäche der "realen Endverkäufe ohne Lagerbestandsveränderungen", die mit einem Minus von 2,5% den schwächsten Wert seit der Pandemie und davor seit 2009 markierten.
Die Schwäche beschränkt sich jedoch nicht nur auf das Gesamtbild. Zusätzliche Alarmsignale sendet der Industriesektor. Der vielbeachtete Chicago Purchasing Managers‘ Index (PMI), ein wichtiger Frühindikator für die wirtschaftliche Aktivität im produzierenden Gewerbe der Region, fiel im April weiter auf 44,6 Punkte. Er verfehlte damit die Prognose von 45,9 und lag unter dem Vormonatswert von 47,6. Ein Wert unter 50 signalisiert eine Kontraktion. Diese anhaltende Talfahrt deutet auf zunehmende Herausforderungen für die Hersteller hin, darunter anhaltende Lieferkettenprobleme, Arbeitskräftemangel und steigende Inputkosten – verschärft durch die Unsicherheit der Handelspolitik.
Handelspolitik als Brandbeschleuniger?
Im Zentrum der wirtschaftlichen Verunsicherung steht unübersehbar die aggressive Handelspolitik der Trump-Administration. Die Androhung und Einführung von Zöllen auf diverse Importgüter hat international für Verwerfungen gesorgt und schlägt nun offenbar immer stärker auf die US-Wirtschaft selbst durch. Präsident Trump wiegelte zwar ab, forderte Geduld und schob die Verantwortung auf Altlasten der Vorgängerregierung ("Biden ‚Overhang’"). Er versprach einen beispiellosen Boom, sobald dieser "Überhang" beseitigt sei, und betonte, die aktuellen Zahlen hätten nichts mit den Zöllen zu tun.
Viele Marktbeobachter und Ökonomen sehen dies jedoch anders. Robert Pavlik, Senior Portfolio Manager bei Dakota Wealth, erklärte: "Die Handelstarife sind hoch, und es herrscht Unsicherheit darüber, was passieren wird. Das ist kein gutes Umfeld für den Aktienmarkt." Er verwies darauf, dass die Leute sich bei Ausgaben zurückhielten, unsicher über ihre Jobs seien und daher keine größeren Anschaffungen tätigten. Peter Cardillo von Spartan Capital Securities wurde noch deutlicher: "Wir haben diese Zahlen wegen Trumps Politik bekommen. Sie hat Unsicherheit geschaffen, und wenn man Unsicherheit schafft, tritt niemand aufs Gaspedal." Peter Andersen von Andersen Capital Management ergänzte, dass die Schwierigkeit, die Auswirkungen der Tarifverhandlungen zu modellieren und vorherzusagen, die Märkte zu pessimistischen Interpretationen neige.
Die Folgen sind bereits konkret sichtbar. Der Baumaschinenhersteller Caterpillar meldete einen Gewinnrückgang im ersten Quartal aufgrund schwächerer Nachfrage und warnte explizit vor negativen Auswirkungen der Zölle auf den Jahresumsatz. Auch internationale Partner spüren den Druck: Japans Chefunterhändler Ryosei Akazawa berichtete von Verlusten japanischer Autohersteller in Höhe von "einer Million Dollar pro Stunde" aufgrund der US-Zölle und drängte auf eine schnelle Einigung. Selbst im benachbarten Kanada schrumpfte das BIP im Februar um 0,2%, wobei Analysten auch hier einen Zusammenhang mit den durch die US-Politik verursachten Störungen und der aufgebauten Unsicherheit sehen.
Nervöse Märkte und globale Auswirkungen
Die Hiobsbotschaften aus den USA sandten Schockwellen durch die globalen Finanzmärkte. Aktienfutures, insbesondere der S&P 500 E-Mini, weiteten ihre Verluste aus und deuteten auf eine schwache Eröffnung an der Wall Street hin. Am Anleihemarkt zeigten sich volatile Reaktionen: Die Renditen für zehnjährige US-Staatsanleihen gaben nach den schwachen BIP-Zahlen zunächst nach, zogen dann aber wieder an, als Inflationskomponenten im Bericht höher als erwartet ausfielen.
Besonders auffällig war die Reaktion am Devisenmarkt. Der US-Dollar, oft als sicherer Hafen in Krisenzeiten gesucht, geriet unter Druck und steuerte auf seinen schwächsten Monat seit November 2022 zu. Stattdessen profitierten traditionelle Fluchtwährungen. Der Schweizer Franken und der japanische Yen verzeichneten deutliche Monatsgewinne, da Investoren offenbar nicht nur allgemeine wirtschaftliche Risiken, sondern spezifische Risiken im Zusammenhang mit der US-Politik einpreisten und US-Anlagen mieden. Francesco Pesole, Devisenstratege bei ING, merkte an, dass die Märkte derzeit sehr vorausschauend agierten und genau beobachteten, ob die Handelsspannungen weiter nachlassen könnten. Die leichte Entspannung durch jüngste Zugeständnisse der Trump-Regierung bei Autozöllen konnte die grundsätzliche Nervosität jedoch nicht beseitigen.
Die Sorge vor einer Stagflation – einem toxischen Mix aus stagnierender oder schrumpfender Wirtschaft und gleichzeitig hoher Inflation – macht sich breit. Analysten wie Wasif Latif von Sarmaya Partners und Brian Jacobsen sehen Parallelen zur Situation der 1970er Jahre, auch wenn das Ausmaß (noch) nicht vergleichbar sei. Der hohe Preisdruck, sichtbar auch in den Inflationskomponenten des BIP-Berichts, bei gleichzeitig nachlassender Wachstumsdynamik, erschwert die Aufgabe für die Notenbanken und verunsichert die Märkte zusätzlich.
Ausblick: Zwischen Hoffen und Bangen
Die US-Wirtschaft befindet sich in einer kritischen Phase. Der überraschende BIP-Rückgang im ersten Quartal, kombiniert mit der anhaltenden Industrieschwäche und den spürbaren Belastungen durch die Handelspolitik, hat die Rezessionsängste massiv verstärkt. Ob es sich nur um einen temporären, durch Sondereffekte (Importvorzieheffekte) verzerrten Ausrutscher handelt oder um den Beginn einer tiefergehenden Krise, werden erst die kommenden Monate zeigen.
Im Fokus stehen nun die nächsten wichtigen Konjunkturdaten, allen voran der Arbeitsmarktbericht für April (Non-Farm Payrolls) und die Daten zur persönlichen Konsumausgabe (PCE), dem bevorzugten Inflationsmaß der Federal Reserve. Sollten auch diese Daten enttäuschen, dürfte der Druck auf die Märkte und auch auf die Politik weiter zunehmen. Einige Analysten wie Peter Cardillo äußerten die Hoffnung, dass die schwachen Zahlen die Trump-Administration dazu bewegen könnten, ihre harte Linie in der Handelspolitik zu überdenken und möglicherweise Zölle zurückzunehmen, was psychologisch eine große Erleichterung wäre.
Bis dahin bleibt die Unsicherheit jedoch hoch. Unternehmen agieren zurückhaltend bei Investitionen und Personalentscheidungen, wie auch die gesenkten Ausblicke von Konzernen wie General Motors oder die angekündigten Stellenstreichungen bei UPS zeigen. Für Anleger bedeutet dies ein weiterhin volatiles Umfeld, in dem die weitere Entwicklung der US-Handelspolitik und die globalen Konjunkturdaten genauestens beobachtet werden müssen. Die Frage, ob die US-Wirtschaft nur eine Atempause einlegt oder in eine ausgewachsene Rezession abgleitet, bleibt vorerst unbeantwortet.