Die US-Wirtschaft sendet Schockwellen aus: Erstmals seit drei Jahren ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im ersten Quartal überraschend geschrumpft. Hauptursache ist paradoxerweise eine Flut von Importen, da Unternehmen offenbar versuchten, den zu Monatsbeginn angekündigten, drastisch erhöhten Trump-Zöllen zuvorzukommen. Doch ist dies nur ein statistischer Ausreißer, verursacht durch die unberechenbare Handelspolitik, oder der Vorbote einer ernsten Krise? Die Finanzmärkte reagierten prompt mit Verlusten, und die Debatte über die Folgen der protektionistischen Agenda Washingtons gewinnt an Schärfe.
BIP-Rückgang: Ein alarmierendes Signal mit Fragezeichen
Die Zahlen des Handelsministeriums vom Mittwochmorgen (30. April 2025) waren eindeutig: Das US-BIP sank im ersten Quartal auf das Jahr hochgerechnet um 0,3%. Dies ist der erste Rückgang seit dem ersten Quartal 2022 und eine deutliche Abweichung von den von Reuters befragten Ökonomen, die im Schnitt noch ein leichtes Plus von 0,3% erwartet hatten. Auch im Vergleich zum vierten Quartal 2024, als die Wirtschaft noch um 2,4% wuchs, ist dies ein herber Dämpfer.
Die Ursache für den Einbruch liegt primär im Außenhandel. Die Importe explodierten förmlich mit einer Rate von 41,3% – der stärkste Anstieg seit dem dritten Quartal 2020 unter Pandemiebedingungen. Gleichzeitig stiegen die Exporte nur moderat. Diese Entwicklung führte zu einem Rekord-Handelsdefizit, das allein 4,83 Prozentpunkte vom BIP-Wachstum abzog. Offenbar haben Unternehmen massiv Waren importiert, um Lager aufzubauen, bevor die von Präsident Trump Anfang April als "Liberation Day" bezeichneten, umfassenden Zölle – darunter eine Erhöhung auf 145% für chinesische Waren – in Kraft treten. Ein Teil dieser Importe landete direkt in den Lagern, was den BIP-Rückgang etwas abfederte: Der Lageraufbau trug 2,25 Prozentpunkte zum BIP bei.
Verwirrung an den Märkten: Technische Korrektur oder Rezessionsgefahr?
Trotz der alarmierenden Headline-Zahl warnen einige Ökonomen davor, den BIP-Bericht überzubewerten. Die Schwäche sei hauptsächlich auf den Sondereffekt der vorgezogenen Importe zurückzuführen, um Zöllen zu entgehen. "Es gibt gerade massive Verzerrungen und Volatilität in den Wirtschaftsdaten wegen der Auswirkungen der Zölle", kommentierte Matthew Miskin von John Hancock Investment Management. Der Bericht helfe nicht dabei, die Ängste vor einer wirtschaftlichen Kontraktion zu zerstreuen.
Tatsächlich zeigen andere Komponenten des BIP ein widerstandsfähigeres Bild. Die privaten Konsumausgaben, die mehr als zwei Drittel der US-Wirtschaft ausmachen, wuchsen immerhin um 1,8%. Zwar ist das eine deutliche Verlangsamung gegenüber dem starken vierten Quartal (+4,0%), aber es deutet auf eine weiterhin vorhandene Binnennachfrage hin. Besonders positiv stachen die Investitionen der Unternehmen in Ausrüstung hervor, die um beeindruckende 22,5% zulegten. Die sogenannte "endgültige Inlandsnachfrage der privaten Haushalte", die Handel, Lagerbestände und Staatsausgaben ausklammert, wuchs solide um 3,0%.
Präsident Trump versuchte prompt, diese positiven Aspekte hervorzuheben und machte gleichzeitig die Vorgängerregierung für die schwachen Gesamtzahlen verantwortlich. Doch die zugrunde liegende Unsicherheit bleibt. Die aggressive Handelspolitik hat das Vertrauen von Verbrauchern und Unternehmen bereits spürbar erschüttert. Die Konsumstimmung befindet sich nahe Fünfjahrestiefs, und die Stimmung in den Chefetagen ist eingetrübt. Fluggesellschaften haben ihre Finanzprognosen für 2025 zurückgezogen, da sie Unsicherheiten bei nicht notwendigen Reisen aufgrund der Zölle befürchten.
Finanzmärkte und Politik unter Druck
Die Wall Street reagierte nervös auf die BIP-Daten. Der Dow Jones, S&P 500 und Nasdaq Composite eröffneten am Mittwoch deutlich im Minus. Obwohl sich die Verluste im Handelsverlauf etwas reduzierten, bleibt die Nervosität spürbar. Der S&P 500 notiert rund 10% unter seinem Rekordhoch vom Februar. Investoren sehen sich mit einem Mangel an Klarheit konfrontiert. Ist die Wirtschaft trotz der Zollverzerrungen fundamental schwach, oder könnte jede positive Nachricht eine Erholung auslösen, da viele defensiv positioniert sind? Einige Strategen empfehlen eine "Hantel-Strategie" (Barbell Approach) mit defensiven Werten auf der einen und wachstumsstarken Momentum-Aktien auf der anderen Seite.
Die Trump-Zölle sorgen auch politisch für Turbulenzen. Noch am Mittwoch steht im US-Senat eine Abstimmung über eine Resolution an, die den von Trump ausgerufenen nationalen Notstand als Basis für viele Zölle beenden soll. Ob genügend Republikaner den Vorstoß von Senator Ron Wyden (Demokraten) und Rand Paul (Republikaner) unterstützen, ist jedoch ungewiss. Präsident Trump drohte bereits mit seinem Veto. Demokraten wie Chuck Schumer werfen Trump vor, die Wirtschaft "in Grund und Boden" zu wirtschaften und fordern die Entlassung seines Wirtschaftsteams.
Auch international wirken sich die US-Zölle aus. Die Bank of Canada etwa diskutierte bei ihrer letzten Sitzung Mitte April eine weitere Zinssenkung, entschied sich aber dagegen – explizit aufgrund der Unsicherheit durch die US-Handelspolitik. Man wolle zunächst mehr Informationen sammeln, wie sich die Zölle auswirken.
Inflation und der Blick auf die Fed
Neben dem schwachen Wachstum bereitet auch die Inflation Sorgen. Im ersten Quartal zogen die Preise an, auch wenn es im März eine leichte Abkühlung gab. Der PCE-Kernpreisindex blieb im März unverändert, nachdem er im Februar noch stark gestiegen war. Die Löhne und Gehälter legten im ersten Quartal zwar um 0,8% zu, aber langsamer als im Vorquartal (+1,0%). Ökonomen sprechen von einer "Stagflationswarnung" – die Kombination aus schwachem Wachstum und steigender Inflation.
Für die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) wird die Situation dadurch nicht einfacher. Es wird allgemein erwartet, dass sie bei ihrer nächsten Sitzung die Zinsen unverändert lassen wird. Gleichzeitig gibt es eine Debatte über die grundsätzliche Ausrichtung der Geldpolitik. Eine Gruppe hochrangiger ehemaliger Zentralbanker (G30) forderte die Fed am Mittwoch auf, ihren Fokus wieder stärker auf das 2%-Inflationsziel zu legen und weniger auf das maximale Beschäftigungsziel. Der aktuelle Rahmen, der nach der Pandemie eingeführt wurde, habe die Fed zu langsam auf die steigende Inflation reagieren lassen.
Ausblick: Unsicherheit bleibt hoch
Die US-Wirtschaft steht am Scheideweg. Während die unmittelbare BIP-Kontraktion stark durch die Zoll-Vermeidung und statistische Sondereffekte (wie nicht-monetäres Gold in den Importen) verzerrt sein mag, unterstreicht sie doch die tiefgreifende Unsicherheit, die Trumps Handelspolitik verursacht hat. Die kommenden Wirtschaftsdaten, insbesondere der Arbeitsmarktbericht am Freitag, werden entscheidend sein, um zu beurteilen, ob die USA einer Rezession entgehen können. Solange die Richtung der Handelspolitik unklar bleibt, dürften die Trump-Zölle der bestimmende Unsicherheitsfaktor für die US-Wirtschaft und die globalen Finanzmärkte bleiben.