Schock für die Märkte: Die US-Wirtschaft ist im ersten Quartal 2025 überraschend geschrumpft – zum ersten Mal seit drei Jahren. Während die Regierung von Präsident Donald Trump versucht, die Auswirkungen ihrer aggressiven Handelspolitik abzufedern, wächst die Nervosität an den Finanzmärkten weltweit. Steht Amerika am Rande einer Rezession, oder handelt es sich nur um einen temporären Dämpfer, angeheizt durch den andauernden Handelskrieg?
Alarmsignal: US-Konjunkturdaten enttäuschen
Die am Mittwoch veröffentlichten Zahlen des US-Handelsministeriums zeichnen ein beunruhigendes Bild. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) schrumpfte im ersten Quartal 2025 auf Jahresbasis um 0,3%, während Analysten im Schnitt mit einem leichten Wachstum von 0,3% gerechnet hatten. Dies ist der erste Rückgang seit dem zweiten Quartal 2022. Experten führen einen Teil des Rückgangs darauf zurück, dass Unternehmen ihre Importe vorgezogen haben, um erwarteten Zollerhöhungen zuvorzukommen – ein Manöver, das das BIP statistisch belastet, aber die zugrunde liegende Schwäche nicht vollständig erklärt. Oliver Pursche von Wealthspire Advisors warnt: "Auch wenn man diesen Effekt normalisiert, bleibt ein nur schwaches Wachstum. Das verheißt nichts Gutes für das zweite Quartal."
Weitere Datenpunkte untermauern die Sorgen: Der private Arbeitsmarkt schuf im April laut ADP-Report nur 62.000 neue Stellen, weit weniger als die erwarteten 115.000 und ein deutlicher Rückgang gegenüber dem nach unten korrigierten Vormonatswert von 147.000. Dies nährt die Befürchtung, dass die durch die Zölle geschürte Unsicherheit nun auch den robusten Arbeitsmarkt erreicht. Bereits zuvor war die Zahl der offenen Stellen (JOLTS) im März gefallen, und das Verbrauchervertrauen erreichte den niedrigsten Stand seit Mai 2020. Ein Lichtblick: Die von der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) bevorzugte Inflationsrate, der PCE-Kernpreisindex, zeigte für März einen leichten Rückgang der jährlichen Teuerung auf 2,6% (nach 3,0% im Februar). Dies könnte der Fed theoretisch Spielraum für Zinssenkungen geben, doch die Lage bleibt komplex.
Handelskrieg als Unsicherheitsfaktor Nummer Eins
Die aggressive Handelspolitik unter Präsident Trump bleibt der zentrale Treiber der Unsicherheit. Zwar versuchte die Regierung diese Woche, die Wogen etwas zu glätten, indem sie Erleichterungen bei den umstrittenen Autozöllen gewährte – ein Schritt, der kurz vor Inkrafttreten neuer Abgaben erfolgte und Trump bei einem Besuch im wichtigen Automobilstaat Michigan politisch helfen dürfte. Handelsminister Howard Lutnick deutete zudem eine dauerhafte Einigung mit einem ungenannten Land zur Lockerung der sogenannten "reziproken" Zölle an.
Doch der Schaden könnte bereits angerichtet sein. Die seit Anfang April geltenden umfassenden Zölle haben die Märkte massiv verunsichert und zu einer Neubewertung der globalen Wachstumsaussichten geführt. Ökonomen wie Gregory Daco von EY Parthenon sprechen von einem "selbst auferlegten Angebotsschock", dessen volle Auswirkungen erst noch bevorstehen könnten. Die Furcht vor einer weiteren Eskalation oder der Beibehaltung der aktuellen Zölle schürt Rezessionsängste. Auch Kanadas Wirtschaft leidet: Nach einem starken Januar schrumpfte das kanadische BIP im Februar um 0,2%, belastet durch die Turbulenzen im Handel mit dem großen Nachbarn. Die Wiederwahl von Premierminister Mark Carney, der eine harte Linie gegenüber Trump fährt, unterstreicht die Spannungen. Selbst das ferne Kuba spürt die Folgen verschärfter US-Sanktionen unter Trump und versucht nun verstärkt, Touristen aus China anzulocken, um die wegbrechenden Besucherzahlen aus traditionellen Märkten wie Kanada und Europa sowie den USA zu kompensieren.
Notenbanken im Dilemma: Fed und BoJ unter Druck
Die US-Notenbank Fed befindet sich in einer Zwickmühle. Trotz der schwachen BIP-Zahlen und der nachlassenden Inflation signalisieren Fed-Vertreter weiterhin, den Leitzins im aktuellen Korridor von 4,25% bis 4,50% vorerst stabil zu halten. Sie wollen klarere Signale für eine nachhaltige Inflationsabschwächung Richtung 2% oder eine deutliche Eintrübung am Arbeitsmarkt abwarten. Cleveland-Fed-Präsidentin Beth Hammack sprach von einem breiten "Kegel der Möglichkeiten", der sogar das unangenehme Szenario einer Stagflation (schwaches Wachstum bei gleichzeitig hoher Inflation) einschließe. Die Märkte sehen das anders und preisen bereits wieder Zinssenkungen ein – Händler wetten darauf, dass die Fed angesichts der Konjunkturschwäche schon im Juni die Zinswende einleiten und die Zinsen bis Jahresende um einen vollen Prozentpunkt senken könnte. Die Fed hatte die Zinsen im Vorjahr bereits dreimal gesenkt. Präsident Trump mischt sich unterdessen erneut in die Geldpolitik ein und suggerierte am Mittwoch, er verstehe mehr von Zinsen als Fed-Chef Jerome Powell und forderte eine Zinssenkung.
Auch andere Notenbanken spüren den Druck der US-Politik. Die Bank of Japan (BoJ) dürfte am Donnerstag ihre Wachstumsprognosen für Japan senken, erwartet aber weiterhin, ihr Inflationsziel von 2% mittelfristig zu erreichen. Sie belässt ihren Leitzins wohl bei 0,5%. Die Unsicherheit durch US-Zölle erschwert jedoch den geplanten Pfad der geldpolitischen Normalisierung erheblich. BoJ-Gouverneur Kazuo Ueda betonte zwar die Bereitschaft zu weiteren Zinserhöhungen bei entsprechender Datenlage, doch die Risiken sind gestiegen. Ein zu pessimistischer Ausblick könnte zudem den Yen schwächen, was wiederum den Zorn Trumps auf sich ziehen könnte, der Japan Währungsmanipulation vorwirft.
Märkte reagieren nervös – Ölpreis bricht ein
Die Wall Street reagierte am Mittwoch verunsichert auf die Flut an Wirtschaftsdaten. Nach sechs Handelstagen mit Gewinnen gaben die großen Indizes nach. Der Dow Jones schloss nahezu unverändert, während der S&P 500 um 0,3% und der technologielastige Nasdaq Composite um 0,7% fielen. Obwohl sich die Aktienmärkte von den Tiefs nach den Zollankündigungen Anfang April erholt haben, steuern die US-Indizes auf einen Monatsverlust zu.
Die Berichtssaison liefert ein gemischtes Bild. Während Technologieriesen wie Microsoft (starkes Cloud-Wachstum) und Meta Platforms (Facebook) nachbörslich mit starken Zahlen und positiven Ausblicken, insbesondere im Bereich Künstliche Intelligenz (KI), überzeugten, gab es auch Warnschüsse. Der Serverhersteller Super Micro Computer senkte seine Prognose wegen verzögerter Kundenausgaben, und die Snapchat-Mutter Snap verzichtete auf einen Ausblick – beides schürte Sorgen vor einer möglichen Verlangsamung der KI-Investitionen und ließ die Aktien der beiden Unternehmen um über 14% einbrechen. Auch der Industrie-Gigant Caterpillar enttäuschte mit seinem Quartalsgewinn und verwies auf die konjunkturelle Unsicherheit.
Besonders dramatisch ist die Entwicklung am Ölmarkt. Die Preise für Rohöl sind im April um über 15% eingebrochen – der stärkste monatliche Rückgang seit November 2021. Am Mittwoch fielen die US-Sorte WTI auf 58,40 Dollar und die Nordseesorte Brent auf 61,04 Dollar pro Barrel. Die Sorge vor einer globalen Konjunkturabkühlung infolge des Handelskriegs drückt massiv auf die Nachfrageerwartungen. Dies trifft auch Förderländer wie Russland: Das Finanzministerium in Moskau musste seine Prognose für das Haushaltsdefizit 2025 aufgrund der erwarteten niedrigeren Öleinnahmen verdreifachen, obwohl die Verteidigungsausgaben bereits auf Rekordniveau liegen.
Der Goldpreis gab am Mittwoch leicht nach, da die Entspannung bei den Autozöllen risikofreudigere Anlagen stützte. Dennoch steuert das Edelmetall auf den vierten Monatsgewinn in Folge zu und legte im April bisher fast 6% zu, getrieben von der Suche nach sicheren Häfen.
Die kommenden Tage und Wochen dürften an den Finanzmärkten spannend bleiben. Im Fokus stehen die weiteren Wirtschaftsdaten, die nächste Sitzung der US-Notenbank und vor allem jegliche Signale zur zukünftigen Handelspolitik der USA. Die Unsicherheit bleibt vorerst hoch.